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R ü s t u n g   2 0 0 6

 

 

HERKULES: Zuversicht

14. November 2006

Im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages ist dem monströsen IT-Projekt HERKULES die Zustimmung sicher: Mit einem “Brutto”-Volumen von 6,95 Mrd. EUR sollen über eine Laufzeit von 10 Jahren

- die Standardsoftware SASPF der Firma SAP (die Bw wird grösster - zufriedener? - SAP-Kunde) eingeführt und gepflegt werden,
- Rechenzentren bereitgestellt und betrieben werden, ohne “Insellösungen”?;
- ein “flächendeckendes und leistungsstarkes Kommunikationsnetz” aufgebaut und betrieben werden und
- “IT-Ausstattungen und IT-Dienstleistungseinrichtungen” bereitgestellt und betreut werden.

Wer sich HERKULES kritisch nähern will, wird zunächst feststellen, dass die Beschaffungsvorlage als Verschlußsache NfD (Nichts für Dich) eingestuft ist. Das Vorhaben ist

  • nur über die System-Schiene ÖPP (Öffentlich-Private Partnerschaften) gefahren worden, weil die HERKULES-Betreiber-Gesellschaft die anfangs hohen Investitionen vorfinanziert, wozu der normale Verteidigungshaushalt nicht imstande wäre. Allein deshalb hatte das alternative “Behörden”-Modell keine Chance. Das beklagt vor allem der Bundesrechnungshof in seinem Gutachten vom 3. November 2006 und urteilt:
    “Das Bundesministerium bezog eine Alternative von grundsätzlicher Bedeutung nicht in seine Untersuchung ein. Daher berechnete der BRH näherungsweise Kosten und Nutzen für das Behördenmodell ohne Haushaltsrestriktion. Gegenüber diesem Behördenmodell wies das Kooperationsmodell Mehrausgaben von bis zu 1 Mrd. Euro und eine ungünstigere Kapitalwert-Nutzen-Relation auf”;
     
  • lt. Beschaffungsvorlage “bereits im April 2002 mit dem im Laufe der anschliessenden Vertragsverhandlungen verbliebenen Bieter, dem SI-Konsortium” und seinen Mitgliedern SBS (SIEMENS, Beteiligungsquote 50,05 %) und IBM Deutschland (0,05%) ausgehandelt und festgelegt worden;
     
  • mit einem gewissen “Grundrauschen” versehen: Das Netz soll eine Gas-Firma zur Verfügung stellen (jeder Gas-Pipeline ist ein Glasfaser-Kabel ange”klebt”); die Kapazität soll von der Bundeswehr nur zu einem geringen Bruchteil genutzt werden und wird deshalb als ziviler Konkurrent auftreten können. Ausserdem soll ein Gesellschafter aus Dubai mit an Bord sein.

Wirklich relevant ist HERKULES wegen seiner Kosten. In 2007 werden rund 510 Mio. EUR überwiesen und ab 2009 bis 2015 fallen knapp 600 Mio. EUR jährlich für die zivile IT-Landschaft der Bw an; zum Vergleich Zahlen des Haushalts 2007:

  • Beschaffung von Kampffahrzeugen: 226 Mio. EUR
  • Beschaffung von Schiffen usw.: 355 Mio. EUR
  • Beschaffung des EUROFIGHTER 2000: 911 Mio. EUR.

Natürlich ist HERKULES nicht als “Rüstungsvorhaben”, sondern als “Betreiberlösung” deklariert, aber es müsste letztlich unter der Kategorie “Investitionen” gebucht werden. Irgendwie müssen diese jährlich knapp 600 Mio. EUR doch dem Rüstungstitel “zur Last fallen” (?).

Wir ergeben uns in Unwissenheit der höheren Mathematik der Geheimnisse der Haushaltsführung des Verteidigungshaushaltes des Mysteriums. Jeder ist willkommen, der uns von der Ahnungslosigkeit in beruhigende Einsicht führt.

{Die Sorge ist die Mutter der Zuversicht}

 

AGS: von oben (und Korrektur vom 27.10.06)

26. Oktober 2006

So ist Berlin: Bei der Feier zum 50-jährigen Bestehen der “Deutsche Atlantische Gesellschaft” flüstert uns ein Intimkenner des Rüstungsprojekts “Alliance Ground Surveillance” (AGS) zu, dass der französische und der deutsche Rüstungsdirektor bei einer entsprechenden Sitzung den Ausstieg aus dem AGS-Projekt signalisiert hätten.

AGS ist vergleichbar AWACS ein priorisiertes “Leuchtturmprojekt” der NATO in Sachen Bodenaufklärung aus der Luft (google dazu TIPS, EADS).  Das sehr ambitiöse Projekt, verwoben mit U.S.-Europäischer Hochtechnolgie, sollte die NATO zuletzt 3,3 Mrd. USD kosten; im Bundeswehrplan 2007 stehen 500 Mio. als deutscher Anteil insgesamt zu Buche, die allerdings nicht dem projektierten (höheren) Anteil Deutschlands an dem NATO-Vorhaben entsprechen.

Die Ursachen-Forschung für die deutsch/französische Entscheidung der Rüstungsdirektoren, die schon den Protest des Ex-Generalinspekteurs, Ex-NATO-Militärchefs Harald Kujat hervorgerufen hat, wird spannend werden:

  • Die Deutschen haben zwar kein Geld, sind aber geradezu wild auf nationalen Technologie-Gewinn und deshalb im Zweifel für “europäische” Ambitionen;
     
  • Die Franzosen buhlen gern um germanische Assistenz, um ihren Ehrgeiz autonomer Rüstungstechnologie zu verwirklichen.

Kompliziert wird die Frage noch, ob AGS eindeutig der “High-Intensity-Warfare” zugerechnet wird oder auch bei Stabilierungs-Einsätzen als wichtig angesehen wird und deswegen einen Priorisierungs-Bonus bekommt.

Lieber heute als morgen dürften sich die “Boots on the Grounds” die wenig diskutierten “Ground Moving Targets”-Fähigkeiten  wünschen; der AGS-”Zulauf” ist lt. BwPlan 2007 auf 2012(!) terminiert.

Aus grossen Höhen kann man mit modernen Aufklärungsmitteln augenscheinlich sehr deutlich erkennen, wer sich am Boden bewegt; das ist “Schutz” des Soldaten. Er verstrudelt sich wohl in diffuse Ambitionen in alle Richtungen zerrender Kräfte, die bestenfalls kopflos sind. Würde man dazu noch Alternativen zum projektierten NATO-AGS diskutieren, wäre die Konfusion komplett.

{Nur von oben sieht man wirklich gut}

Korrektur, 27. 10. 2006):

Nach Darstellung eines AGS-XXL müssen wir uns korrigieren:

  • Der deutsche und der französische Rüstungsdirektor hatten die Absicht, auf der AGS-Sitzung ihr NO zu präsentieren, haben aber doch zugestimmt, allerdings unter Auflagen, die versteckten Ablehnungs-Charakter kennzeichnet.

Da das AGS-Projekt auf dem Riga-Gipfel abgesegnet werden soll, müssen die AGS-Oberen bis Ende November eine Vereinbarung fixieren, die nicht einem heimlichen Abgesang gleichkommt.

{Von oben sieht man auch in die Tiefe}

 

Deutsche Marine: schön

2. Oktober 2006

Ins Kieler Schloss hatte die “Deutsche Gesellschaft für Wehrtechnik” ( www.dwt-sgw.de ) zum Thema “Zukünftige Fähigkeiten und Ausrüstung der Marine” geladen, 24 Vorträge zu je 30 Minuten wurden am 29. + 30. September geboten. Eigentlich haben die “Blauen Jungs” ein gutes Argument auf ihrer Seite: Fast zwei Drittel der Weltbevölkerung leben, einschliesslich  eines 60 km breiten Landstreifens, an der Küste der Meere.

Natürlich kann man von den allgemeinen und speziellen Aspekten des Vorgetragenen nicht alles berichten, wenn man zudem hier und da abgeschaltet hat:

  • Flotillenadmiral von Dambrowski hat die Konzeption und die Fähigkeiten der Marine über die Kette “Verteidigungspolitischen Richtlinien” (VPR) > “Konzeption der Bundeswehr” (KdB) > “Jährliche Weisung der Marine (2006)” abgeleitet, die zu zwei Schwerpunkten führen:

    1. Streitkräftegemeinsame Operationen (joint) mit internationaler Einbindung (combined);
    2. Schutz Deutschlands und seiner Bürger.

    2001 hatte man dazu 109 schwimmende Einheiten, 2010 werden es 85 sein, 2019 nur noch 69.

    - Nicht eingeplant ist die gesicherte militärische Seeverlegefähigkeit;
    - Zum Schutz der deutschen Küste muss die Überwachung und die Minenabwehrfähigkeit auch in fernerer  Zukunft gegeben sein;
    - Am Horn von Afrika nimmt die Bedrohung durch Piraten zu, die teilweise für AlQaida arbeiten könnten;
    - Ein Einsatzgruppenversorger (EGV) “muss immer da sein”. Für den vorerst versenkten 3. EGV, mit einem containerisierten Führungszentrum versehen, gibt es eine Anfrage der NATO (!).
     
  • Am 2. Tag gab es nach dem Vortrag “Sicherheit im (deutschen) Seeraum” eine bemerkenswerte Attacke. Zur Diskussion meldete sich ein im Admiralsrang angesiedelter Ko-Referent aus dem Glücksburger Flottenkommando, der augenscheinlich schon in aller Frühe richtig Dampf ablassen konnte:

    - Seit vier Jahren läge das Bund-Länder-Abkommen zum Schutz der deutschen Küste vor und sei immer noch nicht ratifiziert. Der zum vorgesehenen Krisenzentrum abkommandierte Marineoffizier irre noch immer wegen des fehlenden Büros umher;

    - Nur eines der denkbaren Terror-Szenare deutete der Flotillenadmiral an: Was ist, wenn ein OBL-Frachter auf dem Kühlwasser-Zulauf des Atomkraftwerks bei Brunsbüttel Kurs auf den Kühlturm nimmt?

    - Schon beim kürzlichen Besuch des U.S.-Präsidenten in Heiligendamm sei man bezüglich der Absicherung von See her am Rand der Kapazität gewesen. Zum kommenden G-8-Gipfel werde sich der Sicherungsbedarf um Heiligendamm verachtfachen;

    - Der Führungsstab der Marine fordere wenigstens ein See-Sicherheitsgesetz;

    - Nach unseren Notizen hat der Glückburger Admiral abschliessend noch eine Aufklärungsdrohne für die Korvette K 130 gefordert.

Zwei Aspekte des Kieler Marine-Forums waren besonders tröstlich:

  1. Wenn man einige Wochen Geduld hat, wird die DWT ihre CD fertig haben, auf der alle Vorträge dokumentiert sind;
  2. Einige Zeit sassen wir neben einem renommierten Wissenschaftler mit ausgezeichnetem Wissensstand (nicht nur) zum nassen Element. Die mehrfache Mahnung, dass seine Erregung über die Konzeption der Fregatte F 125 möglicherweise zu gesundheitlichen Schäden führen könnte, hat ihn nicht besänftigt. Mit seinem Stichwort ABSALON werden wir uns noch beschäftigen müssen.

{Wunderschön ist die See - ein tolles Grab}

 

TRANSALL C-160: verbogen

27. September 2006

Während eines taktischen Flugmanövers bei einem Anflug auf einen afghanischen Flugplatz stellte der Pilot fest, dass seine Transall nicht die erforderlichen Leistungen erbrachte; ein rotes Kreuz im Flugbuch legte den Transportflieger still.

Die bisherigen Vermutungen über den ungeklärten Leistungsabfall während eines kritischen Flugverlaufs haben dazu geführt, die Hypothese über die Ursache nachzuprüfen:

  • Die von 1968 bis 1972 gebauten Maschinen sind durch die unvorhergesehene Überbeanspruchung in ihrer gesamten Struktur so “verbogen” worden, dass die Luftströmungen in Grenzlagen nicht mehr den notwendigen Auftrieb erzeugen.

Weil die Transall (ohne verbogene Struktur) schon bisher grenzwertig für Einsätze in Afghanistan war, hatte die Luftwaffe den Kauf oder das Leasing von Maschinen des U.S.-Typs C-130 erwogen. Wegen der Finanzlage hat man das Projekt in die Schublade geschoben. Sollten die Vermessungen der Transall die Vermutungen bestätigen, wird die Luftwaffe ihr Finanz-Tableau neu berechnen müssen - und andere Projekte erneut strecken und schieben müssen.

{Verbogenes kann man strecken}

 

SITREP Bw II: Sintflut

18. September 2008

Wenn die Bundestagsabgeordneten des Haushaltsausschusses, die den Verteidiungsetat (Einzelplan 14 - Epl. 14) betreuen, die notwendige Erhöhung der Verteidigungsausgaben eher herunterspielen, hat das mit der tatsächlichen Entwicklung der Streikräfte nichts zu tun. Was sich die Inspekteure für das Ministergespräch am 5. 9. 2006 aufgeschrieben hatten, signalisiert dringenden Handlungsbedarf (siehe dazu den u.a. Bericht SITREP I; Hervorheb. d. Verfasser):

  • Heer:

    - “Eine Grundbefähigung für geschützte Mobilität bei den Streitkräften wird durch geschützte Führungs- und Funktionsfahrzeuge (GFF) bzw. geschützte Transportfahrzeuge (GTF) erst nach 2014 erreicht. Diese Zeitlinie ist Ergebnis der streitkräftegemeinsamen Priorisierung für den BwPlan 2007 und kann absehbar nicht wesentlich verkürzt werden. Der Zulauf geschützter Fahrzeuge sollte mit Blick auf den Einsatzbedarf mit dem BwPlan 2008 verbessert werden. Die Umsetzbarkeit hängt von Kompensationsmöglichkeiten aus den Geheimen Erläuterungsblättern (Geh Erl) zum Haushalt 2007/40. Finanzplan ab”;

    - “Erreichen der Grundbefähigung wesentlicher Elemente für robuste Einsätze nur noch mit erheblichen Einschränkungen”;

    - “Trotz eingeleiteter Massnahmen aus eigener Kraft nur noch sehr stark eingeschränkter Betrieb bei fehlenden Investitionsmöglichkeiten”.
     
  • Luftwaffe:

    - Das Flugabwehr-Raketen-System PATRIOT wird bis auf den Flugkörper selbst bereits modernisiert. Der zur Modernisierung gehörenden PATRIOT-Lenkflugkörper (PAC 3) ist im Haushalt 2007 nur als “Austauschvorhaben” eingestellt:
    “Eine Veranschlagung ... durch Erhöhung des Munitionstitels ist erst wieder mit dem Haushaltsplan 2008/41. Finanzplan zu erreichen ... Andernfalls wäre die Fähigkeitslücke (zur Abwehr ballistischer Flugkörper in gewissem Ausmass; d. Verf.) frühestens mit der Verfügbarkeit des ersten operationell einsetzbaren Kräftemoduls LVS/MEADS 2016/17 zu schliessen und wäre die bisherige erheblliche Investition in die Kampfwertanpassung (KWA2 PATRIOT) unwirtschaftlich”;

    Zusätzlich moniert die Luftwaffe Ressourcenknappheit für die wichtige Fähigkeit der “weiträumigen Aufklärung” und für die “Flugstundenkontingente” (allein durch die verteuerten Treibstoffpreise muss die Luftwaffe 40 Mio. EUR aus dem Bestand erwirtschaften).
     
  • Marine:

    Zum Investivprogramm Minenabwehr heisst es:
    - “Zwei Anteile des Programms konnten trotz der hohen Priorisierung im Haushalt 2007 nur als Austauschvorhaben, der dritte Anteil nicht berücksichtig werden. Eine Nicht-Realisierung käme faktisch einer absehbaren Ausserdienststellung der Einheiten gleich und würde mittelfristig die Fähigkeit der Bundeswehr zur Seeminenabwehr äussert einschränken. Die damit einhergehende Einschränkung der Operationsfreiheit - insbesondere in Küstengewässern - wird starke Auswirkungen auf die Effektivität des gesamten maritimen Fähigkeitssprektrums haben. Die sichere Passage von und zu deutschen Seehäfen wäre gefährdet”;

    Zum Thema “Einsatzgruppenversorger (EGV) und militärischer Seetransport” liest man:
    “Trotz des operativen Bedarfs von insgesamt vier Einheiten wurde im BwPlan 2005 die Stückzahl des zweiten Loses EGV auf zunächst eine weitere Einheit festgeschrieben. Mit dem BwPlan 2007 wurde der Baubeginn auf das Jahr 2014 geschoben. Eine Kompensation durch die vorhandenen, zivil besetzten Unterstützungseinheiten ist nur bedingt möglich, da diese nicht über alle Teilfähigkeiten des EGV (Marine-Einsatz-Rettungszentrum) verfügen. Darüber hinaus sind bei der diplomatischen Anmeldung zum Anlaufen von Auslandshäfen aufgrund internationaler öffentlicher Sensibilisierung beim Betrieb der Einhüllentanker Einschränkungen wahrscheinlich. Bis zum Zulauf des dritten EGV muss daher eine Minderung der Unterstützungs- und Durchhaltefähigkeit hingenommen werden. Die konzeptionell geforderte Fähigkeit zum militärischen Seetransport ist planerisch nicht hinterlegt. Eine Neubewertung sollte im Zuge der Erarbeitung des BwPlan 2008 erfolgen.”
     
  • Nicht in dem Inspekteurs-SITREP, aber im Bundeswehrplan 2007 enthalten ist die grafische Darstellung, die die notwendigen Rüstungsinvestitionen im Vergleich mit der zu erwartenden Finanzlinie (pdf) zeigt. Wenn die dort gezeigte “Bugwelle” abgerudert  werden muss, sind noch ganz andere Rüstungsinvestionen über Bord gegangen.

{Nach der Sintflut ist vor der Sintflut}

 

SITREP Bw: 12 Volt

12. September 2006

Was sich die verantwortlichen Generale von Heer, Luftwaffe, Marine, Sanitätswesen und Streitkräftebasis für ihre Besprechung mit dem Verteidigungsminister Jung am 5. September aufgeschrieben haben, ist ein dunkler SITuationsREPort der deutschen Streitkräfte:

  • “Die mit dem Personal-Struktur-Modell (PSM) 2010 verbundene Auflage, im jährlichen Haushaltsvollzug Mittel einzusparen, führt bereits jetzt dazu, dass ein Teil unserer Strukturen langfristig vakant bleiben wird ...”
    “Eine Erhöhung der Veranlagungsstärke der Grundwehrdienst-Leistenden erscheint angesichts der Kosten von rd. 100 Mio. EUR/Jahr (ca.0,5 Mrd. EUR im mittelfristigen Finanzplanungszeitraum), die wahrscheinlich zur Einschränkung der Rüstungsinvestitionen führen würden, kaum noch vertretbar”.
    (Dazu ist anzumerken, dass dies eines der Steckenpferde von Minister Jung ist);
     
  • “Der Ansatz, Einsparungen im Betrieb zur Stärkung der Rüstungsinvestitionen durchzusetzen, hat zu einer Unterfinanzierung des Betriebes geführt ... Weitere Einsparungen im Betrieb sind deshalb nicht mehr zu erwarten. Vielmehr werden entstandene Risiken zu decken sein. Mit dem Untersuchungsergebnis zur Materialerhaltung vom 12.06.2006 wurde festgestellt, dass im Rahmen der bisherigen Planungen der Bedarf in der Materialerhaltung die bereitstellbaren Mittel deutlich übersteigt”;
     
  • “Die über die Feststellungen im Bundeswehrplan 2007 hinaus signifikant angewachsenen finanzplanerischen Risiken (u.a. MWSt-Erhöhung, verzögerter Personalabbau, Steigende Unterdeckung bei Materialerhaltungs-Ausgaben, Versorgungsrücklagen, Pensionsfond, Preissteigerung Betriebsstoffe, steigende Liegenschafts-Betriebskosten, Mehrbedarf HERKULES) werden derzeit mit bis zu ca. 1,2 Mrd. EUR abgeschätzt. Die um 100 Mio. EUR/Jahr geringere Finanzvorgabe/-linie verstärkt den Anpassungsdruck”;
     
  • Abschliessend wird - mit wohlgesetzter Formulierung - die nächste Bundeswehrreform (Entschuldigung: Transformation) in Aussicht gestellt:
    “Obwohl die einsatzorientierte Neuausrichtung als solche nicht in Frage steht, wird es absehbar die Notwendigkeit geben,  konzeptionell tragfähige Anpassungen, die möglicherweise auch im Bereich der Strukturen und der Fähigkeiten wirken, vorzunehmen.”

{Die Bundeswehr transformiert: von 220 auf 12 Volt}

 

Heer-Papier: fähig

6. September 2006

Im Kampf um die dürren Rüstungsmilliarden haben sich die Kommunikationsstrategen des Führungsstabes des Heeres (Fü H) kühn aus der Deckung gewagt. Ganz zufällig wurde in manchen Büros des Deutschen Bundestages ein 11-seitiges Papier mit dem Titel “Das Heer im Einsatz - Auftrag = Schutz und Wirkung” liegengelassen; die scherzhaft “Fü H-Mappe” genannte Lobbyschrift trägt weder Datum noch Hinweise auf die Herkunft.

Für Begleiter der Bw-Szenerie bietet das Heeres-Papier jedoch einen unverzichtbaren Einblick in zukünftige Entwicklungslinien:

  • Zunächst muss man die gelungene “Lyrik” loben (S. 1 - 4):
    - “Die Distanz des Heeressoldaten ist der Blickkontakt. Und spätestens auf den sogenannten ‘letzten 100 Metern’ ist der Heeressoldat fast immer auf sich alllein gestellt”;
    - “Verluste im Einsatz, die wegen schließbarer Ausrüstungslücken entstehen, sind moralisch, militärisch und politisch nur schwer verantwortbar”;
    - “Fazit: Soll als Zielsetzung im Transformationsprozess der Bundeswehr die Einsatzfähigkeit der Streitkräfte insgesamt gestärkt werden, dann kommt der Verbesserung der Einsatzfähigkeit des Heeres (im Einsatz) eine Schlüsselstellung zu, die sich in der Beschaffungsplanung für die Streitkräfte auch sichtbar ausdrücken muss” (Hervorheb. im Original);
     
  • Lernen kann man wichtige Begriffe, die für die De-Chifferierung von dementsprechenden Papieren unerlässlich ist und sich als Fragemuster für jedes beliebige Rüstungsvorhaben eignen:
    - “Die Anfangsbefähigung ist somit nur der erste Schritt auf dem Weg zur Grundbefähigung”;
    - “Grundbefähigung ist erreicht, wenn im Systemverbund alle dazugehörigen Teilsysteme materiell ausgestattet sind sowie die Zusammenfassung zu einem einsatzorientierten Grossverband (Brigadeäquivalent) sichergestellt ist”;
    - “Auch wenn bei der Beschaffung moderner und teuerer Ausrüstung die gewünschte Zielbefähigung nur auf längere Sicht zu realisieren sein wird, muss die Zielbefähigung erreicht werden. Und das bedeutet die Beschaffung weiterer Lose”.

    Wo das Heer derzeit steht, verrät ein Satz ohne Hervorhebung im Original (S. 7):
    “Da das Mengengerüst der Ausrüstung bei der Anfangsbefähigung insgesamt unzureichend ist, entsteht Regelungs- und Koordinierungsbedarf, der aus einsatzorientierten Gründen nur schwer vertretbar ist”;
     
  • Für die von Verteidigungsminister Jung vor einiger Zeit verfügte Weisung an die Truppe in Afghanistan, nur noch gepanzert den Stützpunkt zu verlassen, gibt das Heeres-Papier das entsprechende Preisschild (S.9):
    “Kurzum: Die notwendige, keineswegs unrealistische Forderung, die Soldaten in den Einsätzen vollständig mit geschützten Führungs-, Funktions- und Transportfahrzeugen auszustatten, führt zu einem schon heute erkennbaren Mindestbedarf von 3.500 Fahrzeugen mit einem (auf mehrere Jahre verteilten) Investitionsbedarf in Höhe von 2 Mrd. EUR”;
     
  • Zu recht weisen die Heeresschreiber auf das umfassende Verständnis der grundlegenden Gefechtsparameter Schutz und Wirkung hin. Unter der Schlagzeile “Was das Heer noch braucht” schieben sie der gepanzerten Fahrzeugflotte einen Forderungskatalog nach, der in sich schlüssig, aber finanziell atemberaubend ist. Und es wird “dringender Handlungsbedarf” zum Herstellen einer “Anfangsbefähigung” reklamiert, glücklicherweise ohne Preisschild (S. 10):
    - Führungswaffen- und Einsatzsystem FÜWES,
    - Software-defined Radio (SDR),
    - Aufklärungssystem Spezialkräfte,
    - Lastengleitschirm, Festbrücken, Bergepanzer,
    - Wirkmittel zur abstandsfähigen, präzisen Aufklärung und Bekämpfung in der Tiefe,
    - Anpassung Flugabwehrsysteme,
    - Zielerkennung Freund/Feind (ZEFF),
    - Mörser-Kampfsystem,
    - Kampfwerterhöhung MARS,
    - mittleres Artilleriegeschütz (AGM),
    - nur verbal umschrieben ist SKYSHIELD/RANGER,
    - und in den “Ausblick” des Papiers hat man auch noch die Robotik eingepackt, die zur Unterstützung der Soldaten bei ihren “3-D-Aufgaben: Dangerous -Dirty - Dull” dienen soll.

Praktisch alle Forderungen des Heeres sind im “Bundeswehrplan 2007” des Generalinspekteurs enthalten, allerdings mit dem für die meisten Rüstungsvorhaben gültigen Merkmal, dass die Anfangsbefähigung irgendwann gegen 2010 - 2012 geplant ist, die Grundbefähigung vielleicht irgendwann nach 2015 eintreten könnte, und die Zielbefähigung am St. Nimmerleinstag.

Das fürs Vordrängeln gegenüber Luftwaffe und Marine gezielte Heeres-Papier trifft allerdings auf eine für uns ganze neue Wendung der öffentlichen Debatte, die tödliche Wirkung haben muss. Am 29. 8. 06 kann die für ZEIT-Online schreibende Journalistin Katharina Schuler mit ihrem Artikel “Zu viel des Guten” den erfahrenen Haushaltspolitiker der CDU (!), MdB Thomas Kossendey, mit der Aussage zitieren, dass die Erhöhung des Verteidigungshaushaltes um eine Milliarde EURO gar nichts erbringen könne, weil die Rüstungsindustrie  “nur Aufträge im Wert von 250 bis 300 Millionen EURO” pro Jahr im dementsprechenden Sektor erledigen könnte.

An und für sich ist diese Aussage natürlich richtig - allerdings auch nur ganz temporär; auf einer dem Gegenstand angemessenen Zeitschiene ist sie natürlich falsch. Aber bei DITTSCHE (WDR-TV, sonntags 22.30) bleibt das hängen. Mit welchem kurzen und bildhaften Argument will Ingo die ZEIT (nicht BILD) entkräften?

{Verteidigungspolitik kann (leider) nicht kabarettreif werden}

 

Rüstungsliste 2006: heult

29. August 2006

10 Rüstungsvorhaben will sich das Bundesverteidigungsministerium bis zum Jahresende 2006 vom Haushaltsausschuss des Bundestages noch genehmigen lassen (die Liste liefern wir noch). Genauso interessant ist, welche Projekte für 2006 vorgesehen waren, aber nicht auf der Liste verzeichnet sind:

  • Das Mobile Kommunikationssystem (MobKommSysBw) mit Kosten von 76 Mio. EUR wird auf 2007 verschoben;
     
  • Der neue Flugkörper für das Flugabwehr-Raketensystem PATRIOT (PAC3) wird wegen “erheblicher Mehrkosten” auf 2008 geschoben;
     
  • Die Artillerie-Lenkrakete MARS/GMRLS kann wegen Problemen am Raketenmotor geschoben werden;
     
  • Die Serienfertigung der Marine-Version des NH90-Hubschraubers (MH90) mit Kosten von 1,4 Mrd. EUR ist in die Gegend von 2009 verschoben;
     
  • Die Entwicklungskosten für die Integration des weitreichenden Luft/Luft-Flugkörpers METEOR in den EUROFIGHTER (118 Mio. EUR) werden auch nach 2007 geschoben;
     
  • Noch in 2006 sollte das Projekt “3D-Geländedaten (245 Mio. EUR) beschlossen werden - es muss sich verirrt haben;
     
  • Der Start für die Entwicklung des auf 500 Mio. EUR veranschlagten NATO-Projektes “Alliance Ground Surveillance” (AGS) sollte schon 2005 geschossen werden. Die Haushälter werden sich freuen, die geplanten Millionen anderweitig zu verwenden;
     
  • Für das rund 1,1 Mrd. EUR schwere FüInfoSysH (Führungs- und Informationssystem des Heeres) war auch der Start in 2006 vorgesehen. Man wird sehen, ob er 2007 gelingt;
     
  • Welche Informationen das BMVg auch immer zum mächtigen (zivilen) IT-Vorhaben HERKULES (6,6 Mrd. EUR über 10 Jahre) dem Haushaltsausschuss unterbreiten wird - im Verteidigungshaushalt 2007 ist das seit mehreren Jahren dümpelnde Vorhaben mit 0 (Null) EUR gelistet.

Zu einigen Rüstungsvorhaben (GTK, CH 53, RAM, EUROHAWK), die auf der Beschluss-Liste 2006 verzeichnet sind, muss man allerdings anmerken, dass sie eigentlich ins Jahr 2007 gehören, denn nach Darstellung der Haushälter des BMVg werden sie “lediglich als Wirkungsverträge zu Lasten des Haushaltes 2007 zur Beratung vorgelegt werden.”

Man sollte der Abteilung “Haushalt” des BMVg auch einmal ein dickes Lob aussprechen. Die dort werkelnden Mitarbeiter unter der Führung des Abteilungsleiters Wolf bringen Tag für Tag ein unglaubliches Kunststück fertig:
Unter Hunderten von einzelnen Haushaltstiteln schieben sie mit stetig steigender Hektik selbst kleinste Beträge hin und her, um wie Zauberlehrlinge die fällige Insolvenz noch um ein Jahr zu verschieben. Ein treffendes Beispiel ist das Rüstungsvorhaben GTK BOXER. Allein die Beschaffung der bisher projektierten 200 gepanzerten Transportpanzer edelster Bauart zwingt die Zauberlehrlinge dazu, im Jahre 2009 (!!) noch Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 58 Mio. EUR zu “erwirtschaften”. Da der Bundestag aber 72 zusätzliche Sanitäts-BOXER beschliessen soll, wird in 2009 von der Haushaltsabteilung noch einiges mehr zu entmächtigen sein. Man kann von Glück reden, dass keiner der “Wölfe” öffentlich heult.

{Wer heult, ist nur nicht richtig ausgebeult}

 

GFF: Langweile

17. August 2006

Gestern hat Verteidigungsminister Franz Josef Jung die “Wehrtechnische Dienststelle für Kraftfahrzeuge und Panzer” (WTD 41) in Trier besucht. Unterschätzen sollte man die sieben WTD’s und drei Wehrwissenschaftlichen Dienststellen (WWD) keinesfalls, denn sie sind die “Stiftung Waffentest” für alles Gerät der Bundeswehr (Land, Luft + See), ein Hort unglaublichen Wissens der gesamten Wehrtechnik. Bestes Beispiel für die Trierer WTD ist der “Belgische Block”, ein Teststrecke für Fahrzeuge; hat ein Testmobil nicht die entsprechende Fahrwerksgüte, verbleibt nach entsprechender Durchfahrt nur noch Schrottwert.

Anlässlich des Minister-Besuches ist - sozusagen heimlich - ein Rüstungsprojekt vorgestellt worden, welches im “Bundeswehrplan 2005” noch gar nicht, im “Bundeswehrplan 2007” aber mit rund 4 Mrd. EUR (3.944) zu Buche schlägt:
Die Nachfolge des legendären U.S.-Kettenfahrzeugs M113 mit seinen unendlichen Variationen als “Rüstsatzträger” sowie eine neue Generation von “geschützten Kleinfahrzeugen” für die “Beweglichmachung von Führungspersonal”: alles zusammengefasst unter dem Kürzel GFF (Geschütze Führungs- und Funktionsfahrzeuge). In die GFF-Kategorien 1 bis 3 unterteilt, geht es um Luftverladbarkeit:

  • Fahrzeugklasse 1:
    1 Fahrzeug mit min. 1 t Nutzlast im CH-53-Hubschrauber
     
  • Fahrzeugklasse 2:
    2 Fahrzeuge mit min. 1-2 t Nutzlast in der C 160 TRANSALL
     
  • Fahrzeugklasse 3:
    1 Fahrzeug mit mindestens 2 t Nutzlast und min. 9 m3 Nutzvolumen.

Der in Trier präsentierte Aufmarsch der GFF-Kandidaten (“Nachweisklasse” genannt) zeigt eine interessante industriepolitische Mischung:

  • Fahrzeugklasse 1:

    - Volkswagen ist mit dem auf Touareg-basierten FRETTCHEN dabei;
    - den von “ACS/Achleitner beigesteuerten SURVIVOR konnten wir nicht identifizieren;
    - RHEINMETALL leiht sich den in Frankreich unter dem Kürzel “A4 AVL” (von PANHARD) eingeführten GAVIAL aus;
    - und KRAUSS-MAFFEI/WEGMANN schickt seinen MUNGO in der Grossraum-Version ins Rennen;
     
  • Fahrzeugklasse 2:

    - RHEINMETALL stützt sich auf den IVECO-basierten CARACAL, von dem Italien, UK und Belgien bereits 2.000 Exemplare bestellt haben sollen;
    - einziger Konkurrent dagegen ist der EAGLE IV, der von der im schweizerischen Kreuzlingen (Bodenseee) beheimateten MOWAG produziert wird, die zum U.S.-Konzern GENERAL DYNAMICS gehört. Die MOWAG kann 85 Bestellungen ihres (DURO-basierten) Fahrzeuges durch die dänische Regierung als Referenz bieten;
     
  • Fahrzeugklasse 3:

    - Hier wirft KRAUSS-MAFFEI/WEGMANN mit dem DINGO 2 alles in die Waagschale: die Varianten kurzer und langer Radstand sowie die Grossraum-Version werden ins Rennen geschickt gegen den
    - DURO 3, von RHEINMETALL YAK genannt.

Irgendwann werden wir nachliefern, um wieviele Fahrzeuge es (in welchen Klassen) eigentlich geht - und wann deren Zulauf aufgrund der plattgewalzten Finanzerwartungen ahnbar sein könnte.

Für die Trierer WTD ist der Zeitplan klar:
“Wenn Fahrzeugtypenauswahl, HH-Mittelbereitstellung und Schlusszeichnung von funktionsvariantenspezifischen (das ist DUDEN) Phasendokumenten bis 30.06.07 gelingt, könnten erste Serien-GFF ab 2008 zulaufen”. Untergehen wird vielleicht die Klage der WTD 41, dass die dynamischen Kältetests in Norwegen/Schweden mangels Finanzierung unterbleiben mussten.

Gar nicht darf man das überragende Motto für GFF und die Gegenwart vergessen: Schutz der Soldaten gegen Minen und ballistische Angriffe in ihren Fahrzeugen. Zu gern wüssten wir, welchen Testwert diesem Thema im Vergleich zum längerfristigen Fahrwerks-Schrottwert beigemessen wird. Diese Daten werden aber - wie gewohnt - recht geheim sein. Im Gegensatz zur “Stiftung Warentest” wird der WTD-Stiftung Waffentest kaum erlaubt sein, ihre Ergebnisse einem sich erlaucht fühlenden Publikum zur Kenntnis geben zu dürfen.

Bei der abschliessenden Pressekonferenz des Verteidigungsministers durften wir die Frage stellen, ob den seine vor einiger Zeit erlassene “Weisung”, nur noch geschützt ausfahren zu dürfen, sich auch in dementsprechenden Folgeweisungen für die finanzielle Priorisierung geschützer Fahrzeuge niedergeschlagen hätte. Franz Josef Jung hat dies verneint.

Als erklärungsbedürftig haben wir ausserdem non-verbale, also körpersprachliche Signale empfunden, die Minister Jung während der Pressekonferenz mehrfach aussendete. Was hat es zu bedeuten, wenn er seine gefalteten Hände in ihre tiefstmögliche Absenkungsposition bringt und dann die Daumen in Drehung versetzt? (man muss zugeben, dass die Steh-Position die non-verbal anspruchsvollste ist - man weiss nicht, wohin man seine Hände bringen soll, ohne den Karteikarten-Trick zu benutzen).

{Die Nervosität ist der Todfeind der Langweile - oder umgekehrt?}

 

Flugabwehr: 2013

4. August 2006

Spätestens seit dem Hisb-Allah-Krieg darf man wissen, dass zu dem Waffenarsenal des asymetrischen Kriegers nicht nur Kalaschnikov, RPG-7 und Mörser-Granaten gehören, sondern potentiell auch diverse Raketenwerfer der Katyuscha-Klasse bis hoch zum FROG-Kaliber.

Folglich müsste sich auch für die Bundeswehr die Frage stellen, wie sie dieser Bedrohung begegnen könnte. Im aktuellen Referenz-Dokument, dem “Bundeswehrplan 2007”, von Generalinspekteur Wolfgang Schneiderhan am 31. März 2006 erlassen, lautet der entsprechende Terminus “System Flugabwehr”; dazu heisst es (S. 33):

  • “Mit dem System Flugabwehr soll ein Beitrag für den Nah-/Nächstbereichsschutz sowie zum unmittelbaren begleitenden Schutz von Kräften im Einsatz und - räumlich begrenzt - zum Schutz militärischer und ziviler Einrichtungen, Anlagen und Objekten gegen Angriffe aus der Luft aus niedrigen und mittleren Flughöhenbereichen geleistet werden. Die geplante Entwicklung ab 2008 ist Voraussetzung für die Beschaffung ab 2013.”

Auf S. 35 des Bundeswehrplans 2007 lernt man, dass das “System Flugabwehr” im Bundeswehrplan 2005 noch mit 803 Mio. EUR geplant war, im Bw-Plan 2007 aber auf 2,1 Mrd. EUR aufwächst.

Man muss nicht als ungeduldig gelten, wenn man die aktuelle Lageentwicklung sieht und das Beschaffungsjahr 2013 kennt. Auch wenn RHEINMETALL einer unserer Sponsoren ist, trauen wir uns, auf das System SKYRANGER hinzuweisen:
http://www.rheinmetall-defence.com/index.php?fid=3803&lang=2

Die Firmen-Videos, die wir von Erprobungsschiessen des Systems gesehen haben, waren alles andere als unbeeindruckend. Wären wir heute und morgen Soldat, würden wir nicht bis 2013 warten mögen. Haben die Israelis bei RHEINMETALL schon einen Erprobungsträger geordert? Hat die Bundesregierung dem Export schon zugestimmt?

Als sicher darf gelten, dass in diesem Bereich der “Flugabwehr” im Fähigkeitsbereich der Bundeswehr eine Lücke klafft, die man nicht auf das Jahr 2013 verschieben darf.

{Auch militärisches “Leben” ist ein “process of trial and error”}

 

A400M: Bettelmann

27. Juni 2006

Wenn man sich im Nebel schwierigster “Kriegs”-Ereignisse befindet, wird man äusserste Vorsicht walten lassen:

  • Offiziell hat uns die zuständige Pressesprecherin von Airbus/Military wissen lassen, dass Informationen über einen eventuellen Programm-Rückstand des A400M-Vorhabens “totally wrong” sind.

Trotzdem steht dagegen die Vermutung, dass andere Beteiligte diese Auffassung so nicht teilen:

  • Der im Verteidigungsministerium für Rüstung zuständige, beamtete Staatsekretär, Peter Eickenboom, hat augenscheinlich einen Brief an die Verantwortlichen von Airbus.Military geschrieben. Spätestens seit der EUROSATORY hat ihn das Problem gewälzt, dass - was die Insider seit längerem zu wissen vorgeben - es enorme Verzögerungen bei A400M gibt, die einen Anschein geben könnten, dass das Programm aus dem Ruder zu laufen beginnt.

{Der Kunde ist Bettelmann}

 

Fahrzeugschutz: Dresscode

27. Juni 2006

Das Magazin FOCUS hat zu recht in seiner jüngsten Ausgabe gemeldet, Verteidigungsminister Jung habe für Einsatzfahrten in Afghanistan angeordnet, dass nur noch geschützte Fahrzeuge auszurücken haben. Grund dafür ist ein Vorfall, bei dem feindliche Kräfte gezielt die ungeschützten Fahrzeuge eines Konvoys angegriffen hatten.

Praxis im afghanischen Einsatzgebiet war bisher, dass - entsprechend der Lage - der sog. “Dresscode” den “Mix der Panzerung” für alle ausrückenden Einheiten am Kasernentor befohlen hat. Minister Jung hat den Dresscode somit politisch überschrieben.

Man wird sehen, ob der Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt (IBuK) seinen Befehl aufrechterhalten kann. Am 1. Juni hat der Parlamentarische Staatssekretär im BMVg, Christian Schmidt, den Verteidigungsausschuss des Bundestages in einem 9-seitigen “Bericht über die geplanten Beschaffungen von Landfahrzeugen für die Streitkräfte” unterrichtet, in dem zu lesen ist (S. 3):

  • “Der Ausstattungsbedarf der Streitkräfte mit geschützten Landfahrzeugen wird aufgrund der begrenzten finanziellen Ressourcen auf absehbare Zeit trotz Prioritätensetzung nicht vollständig erfüllbar sein. Aus diesem Grunde werden auch weiterhin in Abhängigkeit von der Bedrohungslage ungeschützte Fahrzeuge eingesetzt werden.”

Man muss eingestehen, dass dem Heer mit seiner “Schutz”-Kampagne ein beachtlicher Einbruch in dem Priorisierungs-Gefecht der Bundeswehrplanung gelungen ist. Das ist allerdings nur der “erste Blick”. Der 2. Blick offenbart, dass von dem geplanten Beschaffungsumfang von fast 25.000 geschützten Fahrzeugen bis 2009 nur rund ein Zehntel realisiert werden kann und der Rest von 22.511 auf die lange Bank nach 2010 verschoben wird.

{Einem strammen Anfang folgt meist ein schwacher Abgang}

 

EUROSATORY: Splitter

19. Juni 2006

Wenn man sich drei Tage auf der grössten Heereswaffen-Messe in Paris aufhält, sollte man wenigstens einige der subjektiven Eindrücke festhalten:

  • 1060 Aussteller aus 46 Staaten haben sich für 45.000 erwartete Besucher und 650 Journalisten eingefunden. Besonders aufgefallen ist uns der Stand von KADDB (King Abdullah II Design and Development Bureau), der die Ambitionen der jordanischen Rüstungsindustrie zeigt. Das edelste Chalet hatte die “International Golden Group”, beheimatet in Abu Dhabi.
     
  • Die Gastgeber waren mit 131 Ausstellern vertreten, vor den U.S.A. mit 75 und Deutschland mit 65 Messe-Ständen (UK 29, Israel 24). Im Vergleich zu 2004 musste eine zusätzliche Halle geöffnet werden.
     
  • Unser Lieblingsstand war der von SATLINK Ltd. Sie bieten eine buch-grosse SAT-Antenne an, mit der man über inmarsat bald weltweit ins Internet einloggen kann; die Preisliste bedarf allerdings intensiven Studiums.
     
  • Die grossen deutschen Aussteller, Rheinmetall und Krauss-Maffei Wegmann, haben gemeinsam den neuen Schützenpanzer PUMA erstmals international präsentiert.
    - Erstling bei KMW war die Präsentation des Leopard-II-Panzers in der “Peace Support Operation” (PSO)-Konfiguration; der Panzer feiert sein Comeback. Erstmals gab es auch ein Pressekonferenz zur Kooperation mit dem französischen Konkurrenten GIAT hinsichtlich eines neuen gepanzerten Fahrzeuges der 20t-Klasse;
    - Rheinmetall enthüllte erstmals sein “Batman”-Auto: das Konzept GEFAS unterteilt in die anflanschbaren Module Rad, Motor und Nutzlast-Zelle und will somit die Fahrzeug-Revolution wagen.
     
  • Dem Bonner “Ingenieur-Büro Deisenroth” (IBD - search geopowers) scheint mit seinem sagenumwobenen reaktiven Schutz-System AAC (Active Armour Concept) ein Durchbruch gelungen zu sein. Europas grösster Rüstungskonzern, BAE Systems, hatte einen Schützenpanzer des Typs CV 90 mit der vom IBD entwickelten Gegenschuss-Anlage ausgestellt, wo allerdings die dänische Firma Akers Krutbruk als Integrator genannt wird.

Dem allerfreundlichsten Menschen, dem wir begegnet sind, wollen wir allerdings auch nennen: Fräulein Baumbach, eine “Hilfskraft” im “German Meeting Point”; hoffentlich klebt sie mir - wenn ich es schaffe - auch 2008 einen roten Aufkleber auf meinen Ausweis.

{Freundlichkeit ist (k)eine Schwäche}

 

MEADS: Sorgen

14. Juni 2006, EUROSATORY, Paris

Gut Jahr ein Jahr nach der wilden Debatte über die Beteiligung Deutschlands an dem Luftabwehr-Raketen-System MEADS (Medium Extended Air Defense System; >google auf der Startseite unter geopowers) erfährt man auf der vornehmlich mit Heereswaffen befassten Messe EUROSATORY auf einer Pressekonferenz, dass das US/D/I-System voll im Kosten- und Zeitrahmen ist; der deutsche Partner LFK arbeitet jetzt unter der Flagge des Raketen-Giganten MBDA.

Eher nebenbei haben wir aber gelernt, dass das Verteidigungsministerium am 20. Juni 06 eine ganz bedeutende Entscheidung treffen muss:

  • Bisher war festgeschrieben worden, dass der Flugkörper des Typs PAC 3 in der “alten” Version Teil des Flugabwehr-Systems werden soll; der Preis der Rakete wird mit grob 1. Mio. USD kalkuliert;
     
  • Im Auftrag des U.S.-Heeres hat Lockheed Martin aber unter dem Kürzel MSE (Missile Segment Enhancement) eine erhebliche Verbesserung des PAC-3-Flugkörpers vorgenommen; der Preis liegt jetzt allerdings über 3 Mio. USD.
     
  • Aus sachlichen Gründen kann sich das Verteidigungsministerium gar nicht gegen den PAC3-MSE entscheiden. Man wird das Thema aber sicherlich unter den Teppich kehren. Die erhebliche Verteuerung wird man im geheimen Rüstungsplan entweder aus formalen Gründen noch nicht aufführen oder die Folgen verbergen, die sich für andere Rüstungsprojekte ergeben; ausserdem geht es um den Zeitraum nach 2012.

Vielleicht interessiert dies aber auch niemanden.

{In Paris hat man andere Sorgen}

 

Kasseler Erklärung: kräftig

2. Juni 2006

Der Arbeitskreis “Wehrtechnik und Arbeitsplätze in der IG Metall”, der den 1. Entwurf seiner “Kasseler Erklärung zur Lage der heerestechnischen Industrie in Deutschland” am 27. April d.J. diskutiert hatte, legt nun
die
gültige Fassung des 34-seitigen Lesemusz vor (pdf)

Wenigstens das 4. Kapitel (“Handlungsmöglichkeiten der Bundesregierung”) sollte man gleich lesen, denn ab S. 27 wird z.B. zum Thema MTU, zur Technologie- und Bildungspolitik und zur Politik der EU-Kommission eine kräftige Sprache gepflegt.

Das Fazit der “Kasseler Erklärung” ist ein starker Apell an die Politik. Wenn man konkret herunterzubrechen hätte, wer eigentlich verantwortlich ist, dürfte der Verteidigungsminister zuerst herausgefordert sein. Ob er das auch so sieht, sei dahingestellt.

{Was so alles dahingestellt wird ...}

 

Luftwaffen-Rüstung: hessisch

29. Mai 2006

Ein XxL der Luftwaffenführung hat uns freundlicherweise auf einen Rundflug mitgenommen; gesehen haben wir einige Projekte, die zwei wichtige Argumente für sich in Anspruch nehmen: “Schlüsselprojekt der Transformation der Bw” und “Schliessen von Fähigkeitslücken”:

  • Das verwirrend anmutende Bild zum Thema strategischer Lufttransport wird schärfer:
    - Mit dem gerade abgeschlossenen Projekt SALIS (Strategic Airlift Interim Solution) verschaffen sich rund 18 Nationen Antonov-124-Kapazitäten für ihre nationalen Belange und decken vor allem ihren Bedarf für laufende Einsätze;
    - Die NATO-Ambition, nach dem AWACS-Vorbild fünf C-17-Transporter zu haben, zielt vor allem auf die Unterstützung der NATO-Response Force (NRF). Wenn die NRF tatsächlich in einen Einsatz befehligt würde, wäre der Anfangsbedarf einer Brigade und der der Luftmacht zu verlasten, die 200 Kampfeinsätze pro Tag fliegen will.

    Die Anforderungen für die NRF, die sich vorallem wegen der beschlossenen, schnellen Einsatzfähigkeit (5 days to go, nach 15 Tagen erste Einsatzbereitschaft) ergeben, muss man nicht unbedingt studieren: Die Deutschen würden sich der C-17-Forderung in der NATO zwar nicht verschliessen, aber sich auch nicht an dem Projekt beteiligen. 20 % Anteilsscheine wären nicht zu bezahlen;
     
  • Unbestritten ist die Nachfolge der vier Systeme Breguet 1150 “Atlantic”, die alle Signale des elektromagnetischen Spektrums aufsaugen können (SIGINT: Signal Intelligence). Wegen permanent abschmelzender Finanzerwartungen ist das “Global(EURO)Hawk-Projekt vom Bundeswehrplan 2005 zur 2006-Fortschreibung allerdings um ein Jahr auf 2010 verschoben worden;
     
  • Im Bereich der “Alliance Ground Surveillance” (AGS)hat das “AGS Industry Team” unter Führung von EADS zwar die NATO-Ausschreibung gewonnen, aber die NATO hat deren (über ?) 4 Mrd. USD lautendes Angebot für einen Mix aus bemannten (Airbus A 321 und unbemannten (Global Hawk) Bodenbeobachtern auf 3,3 Mrd. USD gedeckelt. Man wartet nun gespannt auf die Reaktion der Industrie. Ob der im Bundeswehrplan mit 500 Mio. EUR angegebene deutsche Anteil ausreicht, ist nach wie vor offen;
     
  • Auf der Wunschliste der Luftwaffe steht noch ein extra deutscher Beitrag zum AGS-Set in Form von unbemannten Radar-Aufklärern, allerdings erst für den Zeitraum ab 2014/15;
     
  • Die Situation hinsichtlich der Luftwaffen-Fähigkeit der “abbildenden Aufklärung in der Tiefe des Einsatzgebiets” (früher “taktische” Aufklärung) brennt allerdings sehr zeitnah. Die Tatsache, dass
    - die Nutzung der Aufklärungsdrohne CL 289 ausläuft,
    - keine “Marine”-Drohne beschafft wird,
    - und ein Ersatz für die Ausserdienststellung einer Tornado-Aufklärungsstaffel geschaffen werden muss,
    hat den Luftwaffen-Inspekteur zu einem Brand-Brief an den Generalinspekteur getrieben. Bereits im 1. Halbjahr 2007 solle man dem Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages eine Beschaffungsvorlage für eine Kauflösung von 4-5  U.S.-Drohnen des Musters PREDATOR B mit Infrarot-, elektro-optischen und Radar-Sensoren vorlegen (Lizenzhalter in D ist DIEHL); der auf 2010 verlegte Zulauf ist mit 250 Mio. EUR im Bundeswehrplan 2006 vermerkt.

    Der planerisch Verantwortliche, General Schneiderhan, hat auf den Brief allerdings recht kühl geantwortet. Ihm missfällt augenscheinlich die Vorfestlegung auf den PREDATOR, und er legt Wert darauf, dass der Beschaffungsentscheidung eine “Gesamtschau vorausgeht”; dazu hat er Gespräche mit den Betreibern des EADS-Projekts BARRACUDA legitimiert. Wer dazu wiederum sprachfähig werden will, sollte sich auf der “Internationale Luftfahrtausstellung” (ILA) in Berlin auf dem Stand des “Bundesamtes für Wehrtechnik und Beschaffung” (BWB) über den BARRACUDA sachkundig gemacht haben. Kann man die konzeptionellen Unterschiede der konkurrierenden Aufklärungs-Modelle ausreichend plastisch (und in kürzester Zeit) darlegen? Oder ist der Vorgang die dokumentierte Rückversicherung gegen allerlei denkbare Argumentationslinien, die in (möglicherweise verschwörungstheoretische) Vorwürfe ausarten könnte?

{Immer hilft die “hessische” Lebensweisheit: “Ma wässet nisch”}

 

ELROB: hin und wech

17. Mai 2006

Wenn Land-Roboter keine Minen finden, vor die Wand fahren, eine 180o-Grätsche vollführen oder schlicht die Treppe herunterfallen, und es Suppe nur auf Vorbestellung gibt, ist man auf der “1. European Land-Robot Trial 2006” in Hammelburg ( www.elrob2006.org ). Beachtlich ist, dass das deutsche Heer diese Initiative entwickelt hat, die teilweise putzigen Fahrmonster in den Wettbewerb zu schicken. Mehr als 20 Firmen, Universitäten und Instituten aus acht vorwiegend europäischen Staaten zeigen, dass dieser Markt - im Gegensatz zu den U.S.A. - stark fragmentiert ist.

Die meisten Exponate sind kleinere oder grössere Exemplare der Gattung Robot-”Panzer” (mehr Kette als Rad!), die ihre Tauglichkeit bei der Bergung gefährlicher Stoffe bereits unter Beweis stellen. Dagegen hebt sich deutlich eine uns bisher unbekannte Firma mit dem Namen “Base Ten Systems” ( www.btse.de ) ab. Sie erweckt mit ihren ausgestellten Fahrzeugen den Eindruck, als sei die militärische Verwendung nur noch eine Frage der Bezahlung.

Uns besonders fasziniert haben die fliegenden Mikro/Mini-Flieger der 1 kg-Klasse, die ihr eigenes Forum vielleicht noch suchen. www.airrobot.com zeigte seinen viermotorigen Hubschrauber im Flug, bei der Konkurrenz-Firma DIEHL war der SensoCopter im Gespräch zu erfahren; für das Bundesamt für Wehrtechnik (BWB) wird man bald - unter Schutz der Frequenzen - vorfliegen. Der Fancopter von www.emt-penzberg.de und das Modulare Mini-Missile der allmächtigen www.mbda.net wirken per Prospekt.

Da die nächste militärische ELROB erst wieder in zwei Jahren stattfindet (2007 die erste zivile), die derzeitige aber heute und morgen erst richtig loslegt, sollte man BONNLAND (Hammelburg) schnell noch buchen.

{weg und hin - und man ist hin und wech}

 

Heeresindustrie: Zeit

28. April 2006 (Göttingen)

Auf seiner Sitzung am 27. April 2006 hat sich der Arbeitskreis “Wehrtechnik und Arbeitsplätze in der IG Metall” in Kassel des Themas Heeresindustrie bemächtigt; Grundlage der Diskussion war der Entwurf der “Kasseler Erklärung - Zur Lage der deutschen Industrie für Landsysteme”.

Das 23-seitige Papier zeigt zunächst die “Bedeutung, Lage und Struktur der Branche” sowie die Entwicklung detailliert auf, um dann die “Zukunftsperspektiven” mit ihren Alternativen abzuhandeln. Das Fazit weist Handlungsbedarf auf:

  • “Grundlegende Voraussetzung für die Überlebensfähigkeit der deutschen Heeresindustrie in Europa ist in jedem Fall ein starker, attraktiver nationaler Standort, so dass auf gleicher Augenhöhe verhandelt werden kann. Dies bedeutet aber auch, selbstbewusster in Europa aufzutreten, die eigenen nationalen Interessen in diesem Prozess zu definieren, sie strategisch vorzubereiten, finanziell zu unterfüttern und diplomatisch durchzusetzen. Sollte es nicht schon bald gelingen, eine nationale wehrtechnische Industriepolitik auszuformulieren, wird sich Deutschland den Fakten ausgesetzt sehen, die andere Regierungen und internationale Rüstungsunternehmen geschaffen haben.”

Brigadegeneral Gert Wessels, in der Rüstungsabteilung des BMVg für Landsysteme verantwortlich, hat den Zuhörern seines Referates aber eine von uns zum Leitsatz stilisierte Versicherung gegeben: “Deutschland will die Führerschaft”; und diese Absicht werde man nicht aufgeben.

In einigen Wochen wird die bereinigte Fassung der “Kasseler Erklärung” bei uns als PDF verfügbar sein. Bis dahin wird das Thema doch wohl unberührt bleiben.

{Vor der Zeit ist nach Zeit}

 

U.S.-Auslandsrüstung: PIMPF

27. April 2006

Deutsche Rüstungs-Bedarfs-Träger und -produzenten sollten einen Blick auf die Liste werfen, die das U.S.-Comparative Testing Office veröffentlicht hat. Sie zeigt, welche U.S.-Firmen innovative Lösungen für 22 Ausrüstungsprojekte der amerikanischen Streitkräfte anbieten. Noch interessanter sind die 20 Rüstungsfelder, die das U.S.-Verteidigungsministerium in sein “Foreign Comparative Testing”-Programm aufnehmen will, für die das Ausland Angebote macht, die augenscheinlich von U.S.-Firmen technologisch nicht überboten werden:
http://www.defenselink.mil/news/Apr2006/d20060425CTOProject.pdf

Herausragende Beispiele sind:

  • Die deutsche Firma CORUS stellt die Aluminium-Legierung AA 5059 her, die für eingeführte und zukünftige Kampfwagen verbesserten Schutz bietet;
     
  • Bei der Suche nach Minenräum-Systemen dominieren die nordischen Staaten und eine Firma aus Kroatien;
     
  • Dänen und Niederländer liefern die beste Gefechtsführungs-Software;
     
  • Die programmierbare 30 mm-Airburst Munition, von NAMMO (Norwegen) und der Rheinmetall-Tochter OERLIKON entwickelt, wird getestet;
     
  • Die deutsche Firma Ernst Basler tritt mit der Wetter-Analyse-Software “Ninjo” gegen die Konkurrenz an.

Der hochpolitische Hit der Liste verbirgt sich auf S. 6 unter dem Titel “Void-Sensing Fuze”, zu dem zu bemerken ist:

  • Für den deutsch-schwedischen Luft/Boden-Flugkörper TAURUS (KEPD 350), dessen Serienfertigung bei EADS/MBDA/LFK, DIEHL und SAAB gerade angelaufen ist, hat die Firma TDW Gesellschaft für verteidigungstechnische Wirksysteme, Schrobenhausen (eine Tochtergesellschaft der MBDA/EADS) für den Gefechtskopf den Zündmechanismus entwickelt; die Abkürzung dieses Zünders erweckt Assoziationen: PIMPF (Programmable Intelligent Multi Purpose Fuze). Gegen verbunkerte Ziele zündet er nanosekunden-genau zwei hintereinandergeschaltete Hohl-Ladungen, die nach Darstellung des Experten Thomas A. Meuter (Behördenspiegel Jan. 06, S. 39) Stahlbetonkonstruktionen von mehr als 4 m Dicke durchschlagen. Gesichert ist, dass die PIMPF-Technologie von U.S.-Rüstungsfirmen bisher nicht erbracht werden konnte und sie deshalb auch auf der U.S.-Einkaufsliste erscheint.

Nun wird man beobachten müssen, ob PIMPF wirklich die amerikanische Earth-Penetrator-Szene als disruptive Innovation durchschlägt.

{Einige Pimpfe - kriegen manchmal richtig Schimpfe}

 

Bw-Betrieb/Invest: sollt

13. März 2006

Man darf von Glück reden, wieder einmal den Rede/Daten-Text eines hochrangigen Generals aus der Führungsstabs-Ebene der Bundeswehr erwischt zu haben. Beruhigend ist, dass an der Schnittstelle zwischen strategischen und operativen Fragen die Lage-Darstellung faktengetreu “to-down” abgehandelt wird; abgeleitet wird ausschliesslich von der Finanzlage und -planung.

Das beherrschende Thema ist die Gewichtung zwischen Betriebs- und Investionsausgaben angesichts real sinkender Finanzmittel im Haushalt 2006 sowie der Folge-Jahre:

  • Notizwürdig ist die Einordnung der strategischen Politik durch die Führungsstabs-Ebene:
    - Ex-Verteidigungsminister Scharping und sein Generalinspekteur Harald Kujat hätten die Prämisse “gesicherter Betrieb” bevorzugt;
    - unter VM Struck und General Schneiderhan sei ein Paradigmen-Wechsel erfolgt:
    “Stärken Invest”.

Die tabellarischen Übersichten des Rede-Textes zeigen deutlich:

  • Für den Zeitraum 2007 - 2011 sinken die Bw-Finanzen gegenüber vorherigen Ansätzen um 2,3 Mrd. EUR (Finanzvorgabe 2007 gegenüber 2006);
     
  • Wenn die Bedarfsträger eine “offene Bedarfsermittlung” der notwendigen Rüstung anstellen, ergibt sich gegenüber der aktuellen Finanzvorgabe des Bundeswehrplans 2007 ein Delta von 14,6 Mrd. EUR.
     
  • Das Heer musste bei der Planungsanpassung als notwendig erachtete Projekte bis 2019 im Wert von 1,34 Mrd. EUR streichen, bzw. auf die Planungsschiene nach 2014 verschieben.
     
  • Abschliessend heisst es:
    “Das verfügbare Finanzvolumen reicht insgesamt nicht aus, um kurz- und mittelfristig den Ausrüstungsbedarf der Bundeswehr zu decken: Im Zeitraum 2007 bis 2011 kann im Vergleich zur Erhebung ein Volumen von 6,18 Mrd. planerisch nicht abgedeckt werden.”

Wenn der Gesamt-Plafond des Verteidigungshaushaltes sinkt, stellt sich innerhalb der Schichtung des Einzelplanes Verteidigung die Frage nach den Verdrängungs-Effekten zwischen den Ausgabe-Blöcken “Betrieb” und “Investitionen”. Die Daten des 39. Finanzplans favorisieren eindeutig den investiven Teil des Verteidigungshaushaltes. Dagegen behaupten wir, dass der faktische Betrieb sein IST-Opfer fordern wird.

{Das IST ist - das SOLL sollt}

 

Rüstungsprojekte 2006: präemptiv

7. März 2006

Weil der Bundeshaushalt 2006 erst im Sommer dieses Jahres seinen parlamentarischen Segen erhält, wird erst danach zu sehen sein, welche Rüstungsprojekte dem Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages vom Bundesverteidigungsministerium vorgelegt werden (sog. 25 Mio. EUR-Vorlagen). Aufgrund der Daten des “Bundeswehrplan 2006” des Generalinspekteurs Wolfgang Schneiderhan vom 29. März 2005 und den Angaben im Fachinformationsdienst “Griephan Briefe” (Nr. 6, 6. Febr. 06), der den Parlamentarischen Staatssekretär Christian Schmidt ausführlich zitiert, kommen wir zu einem vorläufigen Ergebnis:
“Zur Beschlussfassung in 2006 anstehender Rüstungsentscheidungen” (.pdf)

Wir haben das ansonsten datenarme Feld ganz moderat taxiert und kommen für 2006 auf eine Neubelastung von 614 Mio. EUR (bei einem Soll-Rüstungs-Etat von 4.025 Mio.). Wenn aus Vorzeiten stammende Projekte entsprechend abschmelzen, wäre jede Aufregung umsonst. Im Sinne journalistischer Verschwörungstheorien aufgrund mangelnder Daten reklamieren wir aber fürsorglich für uns, als Erste auf den Untergang hingewiesen zu haben, sozusagen präemptiv.

{Die Ersten werden die Letzten sein}

 

Rüstung 2006: Reim

1. März 2006

Ein erster Blick auf das Thema “Militärische Beschaffungen” im Entwurf des Verteidigungshaushaltes (Einzelplan 14, Epl. 14) der Großen Koalition für 2006 zeigt, dass es doch einige Bewegungen gibt, die berichtenswert sind.

Vergleicht man die SOLL-Angaben 2006 mit den SOLL-Beträgen für 2005 in den einzelnen Kapiteln des Epl. 14 zum Thema Rüstung, dann ergibt sich (jeweils Mio. EUR):

  • Kapitel 1403, Kommandobehörden, Truppen:
    - “Militärische Beschaffungen zur Rationalisierung”: 243 in 2006 und 2005
    - “Mil. Beschaffungen für Internationale Einsätze: 2006 - 130,7; 2005 - 268,5.
     
  • Kapitel 1404, Bundeswehrverwaltung ...:
    - “Informationstechnik”: 2006 - 421,2; 2005 - 371,2.
     
  • Kapitel 1408, Sanitätswesen”:
    2006 - 59; 2005 - 43.
     
  • Kapitel 1414, Fernmeldewesen:
    2006 - 245; 2005 - 170;
    Für das Projekt SATCOM ist 2006 kein Betrag eingestellt, allerdings eine Verpflichtungsermächtigung von 470 Mio. “in zukünftigen Haushaltsjahren”.
     
  • Kapitel 1415, Feldzeugwesen:
    - Fahrzeuge 2006 - 90; 2005 - 37;
    - Kampffahrzeuge 2006 - 200; 2005 - 136;
    - Munition 2006 - 360; 2005 - 280;
    - Feldzeugmaterial 2006 - 243; 2005 - 183.
    Bilanz 2005/6 Heer: plus 257 Mio.
     
  • Kapitel 1418, Schiffe und Marinegerät:
    2006 - 470; 2005 - 575.
    Bilanz 2005/6 Marine: minus 105 Mio.
     
  • Kapitel 1419, Flugzeuge, Flugkörper:
    2006 - 450; 2005 - 365;
    - Unterstützungs-Hubschrauber TIGER: 2006 - 380; 2005 - 350;
    - NH 90: 2006 - 300; 2005 - 410;
    - EUROFIGHTER: 2006 - 977; 2005 - 1.250.
    Bilanz 2005/6 Luftwaffe: minus 268 Mio.
     
  • Kapitel 1420, Wehrtechnik, Entwicklung und Erprobung:
    - Forschung und Technologie: 2006 - 325; 2005 - 240; 2004 - 293;
    - Entwicklung und Erprobung: 2006 - 400; 2005 - 376;
    - Entwicklung MRCA TORNADO: 2006 - 49; 2005 - 55; 2004 - 81,6;
    - Entwicklung EUROFIGHTER: 2006 - 200; 2005 - 150, 2004 - 109.

Ein besonderer Punkt ist uns noch berichtenswert: Verteidigungsminister Jung hatte ja versprochen, dass die Spar-Praxis in 2005, weniger Wehrpflichtige einzuziehen, geändert werden solle. Die Daten des Haushaltsentwurfes 2006 sehen das augenscheinlich nicht vor:

  • Grundwehrdienstpflichtige 2005: 62.500;
  • Grundwehrdienstpflichtige 2006: 57.000!

{FJJ reimt heute in Villmar: IST + SOLL: allles toll - SOLL + IST: alles Mist}

 

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