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A f g h a n i s t a n

 

 

Kommunikation: lachen

11. Februar 2008

Angesichts der desaströsen Umfrage-Ergebnisse zur Meinung der Deutschen hinsichtlich des Engagements in Afghanistan hat Verteidigungsminister Jung auf der am Wochende abgelaufenen 44. Münchner Sicherheitskonferenz mehrfach die Schuld daran von sich geschoben: Wahlweise ist die bockige Öffentlichkeit nicht bereit, die “richtigen” Informationen zur Änderung ihres Standpunktes anzunehmen, oder die Medien berichten irgendwie falsch.

Allseits wird nach einer Kommunikationsstrategie gerufen, die den fatalen Trend umkehrt. Dass die dazu notwendigen Grundlagen und Konzepte angewandt werden, ist praktisch ausgeschlossen:

  • Unstrittig dürfte der oberste Grundsatz sein, dass Gefolgschaft nur dann stattfindet, wenn die Führung eine Öffentlichkeitsarbeit betreibt, die weitgehendste Transparenz beinhaltet:
    Alle Daten und Fakten des Problems müssen vorgelegt werden, eine sachliche und faire Beurteilung muss folgen, konditioniert und differenziert. Im Idealfall ist eine thesenhafte Verkürzung erwünscht, die aber immer noch Verstand haben sollte.

    Zu einer guten Öffentlichkeitsarbeit gehört konzeptionelle Sauberkeit, d.h. die strategischen Aussagen zu einem Problem müssen wirklich sein, nicht Wunsch oder Nebel.

Prüft man unter diesen Vorgaben die kommunikative Führung des deutschen Verteidigungsministers, darf man feststellen:

  • F. J. Jung betreibt keine Öffentlichkeitsarbeit, sondern reines Marketing (Motto: “Wir machen alles richtig; wenn etwas schiefgeht, sind die Anderen Schuld”). Herausgegeben werden nur Hurra-Meldungen, anderslautende Informationen werden verschwiegen, heruntergespielt, nicht beantwortet. Ergebnis soll sein, dass man allerorten den Kellermeister lobt, der solch reinen Wein ausschüttet:

    - Mit seiner Allerwelts-Phrase von der “vernetzten Sicherheit” (und “Gesamtkonzept”, und “Comprehensive Approach”) glaubt Jung, alten Wein in neuen Schläuchen verkaufen zu können (als wenn es das Petersberg-Abkommen und London nicht gegeben hätte);

    - Ungeschminkt führt Jung seine Kundschaft in das Delirium, dass der Norden Afghanistans nur deshalb so sicher sei, weil die Deutschen diese absolut kluge Politik von Sicherheit und Entwicklung betreiben. So kann der deutsche Michel schlussfolgern, dass Amis, Briten, Kanadier, Niederländer etc. wegen ihrer Ballerei die Schuld am Desaster tragen. Nachdem sich die These herumgesprochen hat, dass Entwicklung ohne Sicherheit nicht möglich ist, sollte man auf Erkenntnis hoffen, dass das nicht eine gegenseitige Bedingung ist, sondern das Entwicklung erst nach Herstellung von Sicherheit platzgreifen kann (Brunnenbau unter Beschuss betreiben die Deutschen auch nicht);

    Wie generös einige Zeitgenossen über unbestreitbare Tatsachen hinwegsehen, kann man nur mit der sensationellen Umdeutung erklären, dass die Taliban nur deshalb kämpfen, weil es keine Entwicklung gibt (dass sie diese gerade bekämpfen, müsste eigentlich verstören). Ist es vorstellbar, dass der Verteidigungsminister Informationen fördert, die die Wirklichkeit der Ruhe im deutschen Norden zeigen?
    http://acositrep.com/?p=25#more-25
     
  • Immerhin behauptet der U.S-Aussenamtssekretär Richard Boucher, dass die ballernden Amis von 2001 bis 2007 23 Milliarden USD nach Afghanistan gepumpt hätten. Wo ist die europäische und deutsche Listung von ziviler und militärischer Hilfe zu finden, wer macht eine Vergleichsrechnung?
     
  • Schon gar nicht wird sich der Verteidigungsminister trauen, die egomanen Deutschen anzusprechen, die vom Rest der Welt nichts wissen wollen.

Man kann davon ausgehen, dass Minister Jung sehr wohl weiss, dass er nur sein Macht-Marketing betreibt; Öffentlichkeitsarbeit würde ihm nur uneigennützige Arbeit bereiten. Es gibt aber noch eine wichtige Lehre der Kommunikationspraxis: Marketing gewinnt vielleicht ein Gefecht, aber nicht den Krieg.

{Zuletzt gelacht, aber es bleibt was im Halse stecken}

 

AFG-Debatte: einfach (+ Nachtrag 8.2.08)

7. Februar 2008

Man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass in Sachen Afghanistan das Gefecht immer heftiger wird. Unsereins erleidet schon Wahnvorstellungen: Man glaubt, auf SPIEGEL-Online die deutsch-regierungs-lancierte Spinversion gelesen zu haben, dass die U.S.-NATO-Botschafterin Victoria Nuland den Gates-Brief gefälscht hätte, und findet den Artikel nicht mehr!
(Nein, es war die FAZ; Danke M.:
http://www.faz.net/s/RubDDBDABB9457A437BAA85A49C26FB23A0/Doc~E9F58F3F78F934108B 9D9435C09D32F3C~ATpl~Ecommon~Scontent.html Nachtrag 8.2.08)

Man blickt kaum mehr durch, welchem Blogger (oder sonstigem lieben Kameraden) man den Hinweis auf AFG-Info-Tsunamis verdankt (immer dicken Dank). Nachtrag 8.2.: Und Thomas Wiegold hat noch mehr:
http://blog.focus.de/wiegold/archives/328

Kriterien für die “Öffentlichkeitsarbeit” solcher Herrschaften sind ja, dass sie
- die Wahrheit nicht ganz verbiegen können,
- mit gehörigem Understatement ihre Leistungen unterjubeln,
- möglichst geschickt die Journaille auf eine vielleicht ablenkende Fährte hetzen,
- Fragen hinterlassen, die Kreuzworträtsel-Enthusiasten begeistern.

In diesem Sinne lesen wir McNeill’s 8 Seiten:

  • Er ist seit einem Jahr Commander und in dieser Zeit hat sich ISAF um “8.000 and 9.000” verbessert;
     
  • Geschickt weist er darauf hin, dass nach dem U.S.-Handbuch für die Bekämpfung von “Aufständischen” in AFG eine Truppe von 400.000 Soldaten notwendig wäre (siehe auch seine Vergleiche mit Irak). Wohlwissend, was die CJSOR (Combined Joint Statement of Requirements) der NATO für AFG fordern, umschifft er relativ elegant die Fragen (unsereins erinnert sich an die Zahl 7.000+, weiss aber nicht mehr die Quelle). 3 “Maneuver Battalions” hat er, 4 braucht er (die Zahlen für die Ausbildung der afghanischen Sicherheitskräfte müssten natürlich addiert werden);
     
  • Für den die CJSOR eigentlich bestimmenden Taliban hat McNeill eine verstörende Form von Spott übrig:
    Die Taliban hätten zwar die Frühjahrsoffensive 2007 (und Sommer, Herbst und Winter) angekündigt, es sei aber nichts erfolgt (wir erinnern uns, dass das Thema “Frühjahrsoffensive” der Taliban eine Erfindung der NATO-Propaganda sei).
    Die Taliban hätten nur in den “Newspapern” gestanden (Kreuzworträtsel);
     
  • Während nach McNeill im amerikanisch befehligten Osten AFG alles bestens ist, bekommen die Briten im kritischen Süden das Fett so weg, dass nach der Übernahme der Befehlsgewalt durch die Amis gefragt wird! (siehe den Focus bei SENLIS auf den Süden). Ja, nach Infantristen schicken unsere britischen Freunde nun Fallschirmjäger.

Wir begrüssen immer, wenn Zeitgenossen angesichts solcher “mixed signals” die durchbrechende Stammtischlösung parat haben. Das ist aber eigentlich gelogen.

{Einfach ist gar nichts - aber es muss einfach sein!}

 

Techau/Skiba: 3D

5. Februar 2008

Weil Thomas Wiegold mit seinem mächtigen “Focus”-Blog die Augen auf Jan Techau und Alexander Skiba gerichtet hat, wird deren Appell für eine “redliche Debatte daheim” über ein “volles (deutsches) Engagement in Afghanistan” hoffentlich die Verbreitung finden, die er verdient:
http://www.dgap.org/midcom-serveattachmentguid-1dcd334b2f6e2f6d33411dcb70565afd31b4c 854c85/2008-03_stp_techau_skiba_afghan.pdf

Wenn unsereins dem nur lobenswerten Engagement, Mut und 99%iger Richtigkeit mit altersbedingter Klugschnackerei zur Seite tritt, bittet man um Nachsicht (wegen der Klug***):

  • Jan und Alexander empfehlen für die Durchbrechung der “innenpolitischen Logik der aussenpolitischen Lähmung”:
    “Die Bundesregierung, die politischen Parteien, die zuständigen Fachminister und die Fraktionen im Deutschen Bundestag müssen die aktuelle Afghanistan-Frage dringend zum Anlass nehmen, in der Öffentlichkeit offensiv die globalen Verantwortlichkeiten Deutschlands, seine Interessen und die daraus erwachsenden Notwendigkeiten zu benennen.”

Sorry, aber gegen die landläufige “Weisheit”, dass man den “Bock zum Gärtner” machen könnte, spricht alle Wirklichkeit:

  • Wer sich in die alltägliche Erfahrung gruppendynamischer Prozesse (z.B. eines x-beliebigen Vereins) hineindenkt, weiss, dass der generöse Spender, der sich fortgesetzt notwendigen “Drecksarbeiten” durch windige Entschuldigungen entzieht, irgendwann die “Rache” der Buckelnden erfährt. Gleichheit ist immerhin ein Meta-Prinzip;
     
  • Politiker sind nichts anderes als perfekte Kenner der Physik des Drucks (der Durchschnittsmensch im übrigen genauso). Nur der Blick auf das ins Rot wandernde Baro(Mano?)-Meter erzeugt (im Idealfall) Handlungsmotivation. Stammtisch-Strategen können nur deshalb so “laut” reden, weil der mächtige Gegenredner nicht anwesend ist (und die restlichen Zuhöhrer gefährlich beeindrucken würde).

Nach diesem Ausflug in seltsame Gefilde folgt:

{Das Heer kennt das unter 3D: “Druck, Dampf - und Donnerwetter”}
(P.S.: Willst Du allein leben? Bist Du vielleicht ein Trotzköpfchen?)

 

Gates-Brief: Spanner (+ Nachtrag 5. Febr.)

4. Februar 2008

In der Kommunikationslehre gilt, dass derjenige, dem irgend ein Bonbon ans Hemd geklebt wird, das nicht mehr los wird (kein Dementi holt die Falschmeldung ein). Im Fall “Gates-Brief an Jung” kann man das gut nachvollziehen. Die von den Medien verbreitete Darstellung, dass der Brief so etwas wie eine Unverschämtheit sei, wird haften bleiben. Die besten Stichworte dazu sind von Matthias Gebauer und Carsten Volkery gegeben worden:
http://www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,532587,00.html

Die Autoren nennen den Brief “recht forsch” und “förmlich und im Ton wenig freundlich”. Gegen die von ihnen zitierten Töne aus der Regierung ist das noch freundlich:

  • “Gerade in Berlin kam das nicht gut an. Spitzenbeamte aus Truppenführung, Verteidigungsministerium und Kanzleramt bezeichneten den Brief abwechselnd als ‘grosse Frechheit’ und ‘diplomatisches Unding’ ... ein Beamter sprach gar von einer Art ‘Psychofolter’ ...”

Gebauer und Volkery schreiben auch, das Robert Gates den Brief “lancierte”. Dank kollegialer Hilfe können wir den Inhalt jetzt auch lancieren:

  • Im ersten Absatz erläutert Gates die Entsendung von mehr als 3.000 U.S.-Soldaten;
     
  • Der zweite Absatz lautet:
    “Das fortgesetzte Versagen einiger Mitglieder der Allianz im Hinblick auf die Beseitigung der von COMISAF und SACEUR identifizierten kritischen Engpässe an voll ausgebildeten und ausgerüsteten Soldaten, insbesondere Einsatz- und Begleittruppen, zwang die Vereinigten Staaten dazu, diese Engpässe selbst zu beseitigen. Dies wirft ein schlechtes Licht auf die Allianz.”
     
  • Absatz 3:
    “Es kann nicht sein, dass die Allianz weiterhin in einer Art und Weise vorgeht, die ISAF und afghanische Soldaten einem höherem Risiko bei Bodenoperationen aussetzt und in ungerechter Weise die Lasten der gemeinsamen Verpflichtungen der Allianz einer Minderheit der ISAF-Nationen auferlegt. Die fortgesetzte Unfähigkeit der Allianz, selbst die minimalen Anforderungen im Hinblick auf die Truppenstellung zu erfüllen, hat auch ernste Konsequenzen für ihre Zukunft.”
     
  • Im vierten Absatz erinnert Gates an den NATO-Gipfel in Riga (Nov. 07), auf dem die Allianz noch heilige Schwüre abgelegt hatte (so wörtlich natürlich nicht).
     
  • Absatz 5:
    “Deutschland trägt in wesentlichem Masse zur ISAF-Mission bei. Die Entscheidung, 3.200 US-Marineinfantriesoldaten zu senden, fiel mir nicht leicht, und sie bedeutet eine weitere Belastung für die bereits stark beanspruchten amerikanischen Streitkräfte. Ich hoffe, dass diese Demonstration unserer Opferbereitschaft unsere Verbündeten dazu bringen wird, ihre Regierungen und Parlamente von der Bedeutung dieser NATO-Mission und der Notwendigkeit einer jeden Nation zur Erfüllung ihrer Verpflichtung gegenüber der Allianz in Afghanistan zu überzeugen. Ich möchte daher diese Entscheidung der Vereinigten Staaten auch zur Grundlage für spezifische Anfragen an einzelne Verbündete machen.”
     
  • Absatz 6 ist der entscheidende:
    “Die Entscheidung Ihrer Regierung, beide Afghanistan-Mandate trotz starker öffentlicher Kritik zu verlängern, beweist Deutschlands grosses Engagement für Afghanistan. Deshalb möchte ich Deutschland bitten, die Anpassung seines ISAF-Mandates in Betracht zu ziehen, um im Herbst die US-Marineinfantriesoldaten im Regional Command South durch Einsatztruppen zu ersetzen. Der Einsatz von Drehflügel-Luftfahrzeugen und einer Special Operations Task Group im Süden Afghanistans wird es anderen, militärisch weniger robusten Verbündeten ermöglichen, Truppen in den Norden zu verlegen. Dies würde auch die Zielsetzung unterstützen, auf die wie uns gemeinsam verständigt haben und wäre ein Beleg für die Solidarität, die unsere politischen Führer in Riga zum Ausdruck gebracht haben.”

Einen Gates-Brief (für die Diskussion beim NATO-Ministertreffen am 7.2.07 in Vilnius) mit  entsprechenden Versatzstücken für die jeweilige nationale “Betroffenheit” werden wahrscheinlich alle NATO-Verteidigungsminister erhalten haben.

Ob sich in den anderen europäischen NATO-Staaten ausgerechnet hochrangige Regierungsbeamte als Spin-Doktoren betätigt haben und “grosse Frechheit” und “Psychofolter” whistleblowen, überblicken wir leider nicht. Falls man das nur für Deutschland feststellen würde, ergäben sich doch recht interessante Fragen (und Stoff für Verschwörungstheoretiker?).

{Spanner sind passiv - Büchsenspanner aktiv}

(Nachtrag 5. 2. 07: Sorry, gestern hat uns ein lieber User aufgeweckt - BILD hat bereits am 3.2.07 den Gates-Brief vollständig abgedruckt:
http://www.bild.de/BILD/news/politik/2008/02/02/bundeswehr/hg-wutbief,geo=3661760.html

 

Meinung: Okay?

1. Februar 2008

Während so mancher noch an der QRF-Frage rumknabbert, tut sich gerade der Blick in den Schlund auf: U.S.-Verteidigungsminister Gates hat den Brief geschrieben, den er öffentlich angekündigt hat: Deutschland soll zu der Kontingent-Lücke (im Süden) beitragen, die nach dem Abzug der einmalig gestellten Marines (in 2009) entsteht.

Schon die mediale Öffnung dieses Briefes lässt erahnen, welche Meinungs-Kaskaden im deutschen Michel absprudeln werden:

  • Stefan Kornelius von der “Süddeutschen” untertitelt, dass die amerikanische Regierung “in ungewöhnlich scharfem Ton” die Deutschen gefordert hätte:
    http://www.sueddeutsche.de/,tt2m1/deutschland/artikel/7/155600/
    (Im Artikel selbst zerschmilzt die “ungewöhnliche Schärfe” auf wundersame Weise:
    Der Gates-Brief wird bereits im 2. Absatz des Beitrages als in “förmlichen und bestimmten Ton verfasst” runtergeschrieben; im 5. Absatz heisst es, dass Gates seinen deutschen Kollegen “wörtlich” nur noch bittet, “ein neues Mandat in Erwägung zu ziehen”.

    Andererseits kann man nicht über den Kommentar meckern, den Kornelius anheftet:
    http://www.sueddeutsche.de/deutschland/artikel/990/155584/
     
  • Dazu muss man unbedingt lesen, was Susanne Koelbl und Alexander Szandar zu berichten wissen:
    http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,532442,00.html
    Sie vermelden, dass der Gates-Brief im deutschen Verteidigungsministerium als “Unverschämtheit” aufgefasst werde (das bezieht sich aber auf die innenpolitische Befindlichkeit, nicht auf die Sache, Lage). Besondere Beachtung sollte man dem letzten Hinweis des Beitrages widmen, indem es um die deutsche Definition der “Rules of Engagement” (ROE) geht; er eignet sich für Oberseminare.
     
  • Bei bundeswehr.de sollte man sich abladen, was Verteidigungsminister Jung während seines derzeitigen Afghanistan-Besuches beizutragen hat:
    http://www.bmvg.de/portal/a/bmvg/ministerium/der_minister?yw_contentURL=/C1256F 1200608B1B/W27BCJ9Y037INFODE/content.jsp
    Das wörtliche Zitat (“In erster Linie ...”) zeigt mit nur zwei Buchstaben (un), dass des Ministers Wunsch, dass “dies stärker in der deutschen Öffentlichkeit wahrgenommen” wird, nicht in Erfüllung gehen kann. Er behauptet, die “unmittelbare” Wirkung für Afghanistan sei mittelbar für Deutschland relevant. Genau dies ist vielen Michels angesichts der Fülle von Gegenargumenten nicht plausibel zu machen.

Der deutsche Michael müsste dagegen sagen:

  • Seit etwa einem Jahr stellen die Dummies der Militär-Professionellen der NATO fest, dass die Käfte der ISAF in Raum und Zeit der Bedrohung nicht gewachsen sein können;
     
  • Seit einem Jahr erlahmt der politische Wille zahlreicher NATO-Regierungen zunehmend, militärische Beiträge zu leisten. Der wahnsinnige innenpolitische Druck durch auf vox populi aufsattelnde Oppositionelle zwingt überall zum “Schwarzen Peter”.
     
  • In Wüsten stapfen einsame Rufer herum, die die Bedeutungslosigkeit der NATO prophezeien, wenn die AFG-Mission den Bach abfliesst.

Es ist ein Elend: Wer den “hier und jetzt”-Junkies verzählen will, dass ihr jetziges Verhalten zwangsläufig zu späterem Kollaps führen muss, hat kein gutes Blatt; die verdammten Analysten haben keine Ahnung. Fein raus sind die “rheinländischen” Strategen. Sie verweisen auf praktisch alle “Lehren” (Nr. 1 bis 11), und sehen das aus der 5. Dimension(!). Und müssen einfach feststellen: es stimmt!

{Okay? Genau so gehen wir die Tage bis 6.2. an!}

 

Kanada/Manley-Report: wirklich

24. Januar 2008

Der ein Minderheitskabinett führende kanadische Ministerpräsident Stephen Harper steht unter ganz massivem Druck sehr zahlreicher Oppositionspolitiker, dass 2.500 starke kanadische ISAF-Kontingent bis Februar 2009 abzuziehen; der Tod von 77 Kameraden wird beklagt.

Jetzt hat der ehemalige Spitzenpolitiker der Liberalen Kanadas, John Manley, zusammen mit 4 weiteren prominenten Ehemaligen den Report über “Kanadas zukünftige Rolle in Afghanistan” Premier Harper übergeben:
http://independent-panel-independant.ca/pdf/Afghan_Report_web_e.pdf

Wer in Deutschland dazulernen möchte, sollte den Bericht unbedingt lesen. Und vielleicht wäre das Vorbild für die Kanzlerin, ähnliches anzuweisen. Wenn z.B. Hans-Dietrich Genscher eine Elder-Statesmen-Truppe (bitte ohne Helmut Schmidt, siehe sein letztes SPIEGEL-Interview) anführen würde, könnte das “freundliche Desinteresse” (Präsident Köhler) der Deutschen in Sachen Sicherheitspolitik vielleicht etwas aufgelockert werden.

Aber wer überbringt die Botschaft Angela Merkel? Der Bundespräsident (!??), oder vielleicht der Verteidigungsminister?? Aussenminister Steinmeier könnte das auch machen!!

{Ja, das Desinteresse ist nur beim Bürger zu finden ... wirklich??}

 

Gates at all: widersprechen?

18. Januar 2008

U.S.-Verteidigungsminister Robert M. Gates hatte in der letzten Woche ein subopitmales Medienecho, auch in Deutschland. Deshalb hat er sich beeilt, in einer Pressekonferenz nachzujustieren:
http://www.defenselink.mil/transcripts/transcript.aspx?transcriptid=4121

Man kann lernen, dass er seine Kritik zu den Fähigkeiten der Militärs hinsichtlich Counter-Insurgency von den U.S.-Militärs selbst vernommen hat, aber nicht nur auf die U.S.-Streitkräfte bezieht, sondern auch auf das NATO-Bündnis. Will dem jemand ersthaft widersprechen?

Einmalig, und auf die “fighting season” (General Cartwright) für 7 Monate terminiert, werden 2.200 Marines und 1.000 Marines als Ausbilder in den am heftigsten umkämpften Süden abkommandiert. Den Forderungen des Oberkommandierenden, General Mc Neill, nach drei zusätzlichen Kampf-Batailionen und 3.500 Trainern für den Aufbau der afghanischen Streitkräfte wird damit nicht vollständig entsprochen.

Für den deutschen Verteidigungsminister wird dabei relevant: Minister Gates will für die 2009-Kriegssaison die 2008-Marines-Stationierung von der NATO fortgesetzt sehen und Briefe an “some of my counterparts” senden, damit sie einspringen. Man müsste einen Informaten im Posteingang des BMVg haben, um zu wissen, ob Minister Jung zu den “some” gehört (wir unterstellen: mit Sicherheit). Somit wäre ein Thema für die Bundestagswahl 2009 aktuell passend.

Dazu sollte man sich anschauen, was U.S.-Heeresgeneral James M. Dubik dem Verteidigungsausschuss des U.S. House unterbreitet hat:
http://www.defenselink.mil/news/newsarticle.aspx?id=48701 :

  • Im Irak werden die irakischen Sicherheitskräfte die volle Verantwortung im gesamten Staatsgebiet “sometime between 2009 and 2012” übernehmen;
     
  • Die Verantwortung für die Sicherheit nach Aussen soll “in the 2018, 2020 period” übernommen werden.

Überträgt man diese Fragestellung auf Afghanistan, um Daten für die Exit-Strategie für deutsche Soldaten zu schätzen, müsste man unruhig werden, vor allem wenn man an einen wichtigen sicherheitspolitischen Lehrsatz denkt:
Die vorzeitige und/oder unvollständige Erfüllung einer einmal gegebenen Hilfsverpflichtung (Committment) gegenüber einer beliebigen Regierung führt dazu, dass nicht nur dieselbe für den Westen nachteilige Schlüsse zieht, sondern die Glaubwürdigkeit des “Westens”, also incl. unsereiner, bei sehr viel mehr das “Spiel” beobachtenden Staaten verrissen wird, mit ungeahnten, gewiss negativen Folgen.

{Für das Wochenende kann man sich aber noch Ruhe gönnen}

 

AFG/Bw-Erfahrung II: nicht (und Nachtrag 24.1.)

15. Januar 2008 (sorry: 17 Uhr (%-)

Nach unserem ersten Schrieb über die Erfahrungsberichte der Bw-Kommandeure aus Afghanistan (Zeitraum hauptsächlich Sommer 2007) hat unsereins wieder “Schwein” gehabt:
42 Seiten Erfahrungsbericht des 14. deutschen Einsatzkontingents (EinsKtgt) ISAF über den Zeitraum August bis November 2007 - spannend, professionell.

Den Kern des 14. EinsatzKtgt (Heer) stellte die “Luftlande-Brigade 31” (LLBrig 31) der “Division Spezielle Operationen” (DSO). Es ist sicher kein Eigenlob, wenn der Berichterstatter, Brigadegeneral Dieter Warnecke, feststellt:
“Die Angehörigen des 14. DEU EinsKtgt ISAF waren insgesamt gut ausgebildet, hoch motiviert und zeichneten sich durch Homogenität, Gelassenheit, Tatkraft und den Willen, sich positiv auszuwirken, aus.”

Die kritischen Passagen des Warnecke-Berichts zeigen aber, dass es weitreichenden und dringlichen Handlungsbedarf für die Verantwortlichen in der sicheren Heimat-Etappe gibt, z.B:

  • Das Heeresamt muss seinen OrgBefehl vom April 2007 umschreiben, damit die Unterstellungsverhältnisse nicht mehr “in der praktischen Umsetzung weiten Raum für Interpretationen lassen, der regelmässig zu Unklarheiten führt und umständliche, gerade in einer ggf. zeitkritischen Vorbereitung von Operationen kritische und zum Teil langwierige Abstimmungsprozesse erforderte.”

    Auch die Zuständigkeiten zwischen dem Regional-Kommando Nord (RC N) müssen unmissverständlich geregelt werden.
     
  • Der für die Dienstpostenliste (DPL) Verantwortliche sollte sich ein Prozedere überlegen, damit die Truppenstellerkonferenz nicht innerhalb von 5 Monaten 4-5mal verschoben wird. Die “genehmigte Stellenbesetzungsliste” (SBL) muss 4 Wochen vor Beginn des Kontingentwechsel-Zeitraums feststehen.
     
  • Führungsfähigkeit ist die zentrale, entscheidende Vorbedingung nicht nur für militärische Operationen. Voraussetzung dafür ist Kommunikation. Während auf der strategischen Ebene (D zu AFG) gute Anbindung besteht, fehlt für Operationen auf der taktischen Ebene fast alles: “Derzeit beschränken sich die abgebildeten Fähigkeiten auf den stationären Betrieb ... Fm(Fernmelde)-Mittel zur taktischen Anbindung ... stehen ... nicht zur Verfügung”.
    “Insgesamt war die Führungsfähigkeit im 14. Kontingent gerade noch sichergestellt.”
     
  • Im Bereich der äusserst wichtigen Kategorie “Nachrichtengewinnung & Aufklärung” bestehen nicht unerhebliche Defizite:

    - Im deutschen Stab ist eine “tiefergehende Analyse der Bedrohungslage ... nicht möglich”. Deshalb greift man auf den entsprechenden Stab (J2) im RC North zurück. Dort gibt es aber ein Fehl von 10 (zehn) Dienstposten und sonstige qualitative Probleme.

    - Die für Aufklärung zuständigen Soldaten “müssen vorwiegend für Sicherungs- und Überwachungsaufgaben eingesetzt werden”.

    - Das Kapitel HUMINT (Human Intelligence) sieht ganz böse aus: “... nicht umgesetzt” / “... nicht umgesetzt”.
     
  • “Wirksamkeit im Einsatz”

    Der IED-Anschlag in Kunduz am 5. 10. 2007 hat gezeigt, “dass z.B. zum Thema ‘Ballistische Schutzbrille’ und ‘Gehörschutz’ unaufschiebbarer Handlungsbedarf besteht.

    Zum persönlichen Ausstattungssystem des Soldaten, “Infantrist der Zukunft” (IdZ), heisst es, dass die Leistungen “über weite Strecken nicht den Einsatzerfordernissen entsprechen oder nicht vorhanden sind”.
     
  • Fahrzeuge

    Wer im RC North das Camp verlässt, braucht wegen der extremen Gelände-Eigenschaften das dazu geignete Auto. Vom 14. EinsKtgt wurde deshalb der MOWAG EAGLE IV “gezielt” angefordert. Das wurde “zunächst abschlägig beschieden, da im ersten Ansatz der ENOK beschafft werden soll”. Weiter heisst es:
    “Das Kontingent hat mehrfach aufgezeigt, dass dieses Fahrzeug keine wirkliche Verbesserung darstellt. Zudem ist keine sofortige Lieferung möglich.”

    Von einem lieben Kollegen haben wir dazu gelernt:

    - Der deutsche “Sonderfahrzeug”-Bauer ACS (Armoured Car Systems) baut das von Daimler angebotene “G”-Modell zu einem gepanzerten Jeep namens ENOK um; es geht zunächst um 25 - 30 Fahrzeuge.

    - Eine zügige Beschaffung des EAGLE IV ist deshalb nicht zu realisieren, weil die deutschen Beschaffer in aufwendigen Test (die eigentlich schon abgeschlossen sein müssten) das herausfinden wollen, was x Benutzer des EAGLE schon lange wissen.

    Ausserdem scheinen sich die Konzeptionäre in den Haaren zu liegen. In der Vorhand sind die Heimat-Experten, die unbedingt noch eine Waffenstation auf den EAGLE wollen, die noch von KMW integriert werden muss, was auch nicht von heute auf morgen geht. Das EinsKtgt will aber (zu recht) das Auto jetzt haben; auf die Waffenstation könne man verzichten.

    - Auch ein einsatztaugliches Berge-Fahrzeug hat man als Sofort-Bedarf angemeldet; der dringliche Abhilferuf wurde daheim allerdings abgelehnt.

    - Von den 265 “Jeeps” des Typs WOLF (Daimler G-Modell) sind nur die 80 Fahrzeuge der Modifikation “SSA” tauglich, weil sicher. Demnächst sollen 26 WOLF SSA nachgeschoben werden; die nötige Stückzahl ist damit natürlich nicht vorhanden;

    - Obwohl der WOLF SSA gelobt wird, wird schon das aufkommende Problem vorgezeichnet: Werden dringend notwendige Zusatz-Apperaturen eingebaut, wird dadurch die bisherige Überlebensfähigkeit konterkarriert:
    Teilweise unzureichende bzw. nicht vorhandene Stau- oder Verzurrmöglichkeiten wirken sich sogar im Falle einer Explosion gefährdend aus.”
     
  • Vergessenes FEY

    Die Kameraden in Feyzabad (FEY) dienen in unwirtlicher und entlegener Gegend. Da die deutsche C-160 (TRANSALL) technisch nicht hinkommt, übernehmen die Amis mit der C-130 (HERCULES) den Job, lt. Plan 2x die Woche, aber:
    “Die Ausfallrate dieser Flugverbindung ist jedoch extrem hoch”.
    Wegen der Gesamtlage (A 400 M etc.) war die Luftwaffe schon seit längerem bestrebt, einige C-130 zu leasen oder zu beschaffen; dafür ist jedoch kein Geld vorhanden.
     
  • Counter-IED

    Obwohl IED’s (Improvised Explosive Devices) die zentrale Bedrohung darstellen, gibt es nur im Stab des RC North eine Counter-IED-Zelle:
    DEU Kräfte unterliegen daher einer ungenügenden Aufklärung, Führung und Beratung in diesem Bereich.”
    Bei vom ISAF-Hauptquartier und der C-IED/RC N durchgeführten Ausbildungen zeigte sich, dass “grundlegende überlebensichernde Verfahren ... der Masse der Soldaten nicht bekannt sind. Hier ist die Vorausbildung im Heimatland beim Minenlehrpfad stehen geblieben.” Ausgenommen von dieser Kritik werden die Fallschirmjäger in Kunduz (KDZ) und FEY.

    Bei den “Kampfmittelräumkräften” der Heeres-Pioniere klaffen richtige Lücken. Zu den in KDZ und FEY eingesetzten Soldaten heisst es:
    “Keine dieser Teileinheiten ist spezialisiert als Kampfmittelräumtrupp ausgewiesen.”
    Weiter heisst es:
    “Material, welches eine höhere Befähigung als Kampfmittelerkundung ermöglicht hätte, z.B. Sonden, war nicht in der MatStan (Stärke- und Ausrüstungsnachweis für Material) des 14. DEU Einsktgt vorgesehen. Teilweise wurde dieses Material angefordert, es ist aber bis heute nicht im Einsatzland.”
     
  • CH-53

    Mit der Operation HAREKATE YOLO II hat das RC North erstmals eine umfangreiche Operation in den westlichen Distrikten Almar, Qaysar und Ghormach begonnen; 600 afghanische Soldaten und 400 Polizisten sowie deutsche und norwegische Soldaten (insgesamt 1.500!) sind seit Ende September 2007 im Einsatz:
    “Diese Operation bedeutet(e) operatives Neuland u.a. deshalb, weil für derart abgesetzte Operationen im notwendigen grossen Stil ISAF im Verantwortungsbereich RC N nicht ausgestattet ist.

    Dies wird am Beispiel des für medizinische Rettungsaktionen umgebauten Hubschraubers vom Typ CH-53 (MEDEVAC-CH-53) abgehandelt, von dem 1 Stück vorhanden ist und eine weitere Maschine behelfsweise (ohne eigene ärztliche Besatzung) umgebaut werden kann:

    - Der sog. “operationelle Flugbetrieb” kann nur von Deutschland authorisiert werden, und zwar nach den Regeln der Friedensflugbestimmungen (!). Ob ein Kommandeur im Notstand anders befehlen dürfte, ist augenscheinlich unklar.

    - “Im Gegensatz zu allen anderen vorhandenen Waffensystemen ist die CH-53 zudem mittlerweile das einzige wichtige Mittel, welches nicht nachtkampffähig ist.”

    - “Die Abdeckung des Verantwortungsbereiches RC N mit 6 CH-53 mit einer technischen Verfügbarkeit von 60% ist im Mandatsrahmen zudem unzureichend. Mit CH-53 zu rechnen, ähnelt immer mehr einem Glücksspiel.”
     
  • BMI

    Bezüglich der “ressortübergreifenden Auftragserfüllung” werden die Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes und des Ministeriums für wirtschaftliche Zusammen gelobt:
    “Die Vertreter des AA und des BMZ zeichnen sich hierbei durch Offenheit, Kameradschaft und unkomplizierte Zusammenarbeit aus.”

    Innenminister Schäuble wird dagegen gar nicht gerne lesen:
    “Einzig die Vertreter des BMI fallen, aufgrund der mängelbehafteten EUPOL-Mission, deutlich ab. Hier besteht für die Bundesrepublik Deutschland dringender Handlungsbedarf!”

Kann man nicht der Meinung sein, dass der amtierende Verteidigungsminister solche Berichte eigentlich selbst lesen sollte? Nach Lektüre bräuchte er für den nächsten Tag nur eine Befehlsausgabe terminieren - BASTA!

Wer sich zu http://www.einsatz.bundeswehr.de/C1256F1D0022A5C2/CurrentBaseLink/W27AQDKW575INFO DE
begibt, wird allerdings meinen, dass die Welt eigentlich in Ordnung ist.

{Mit dem Übergeben ist das so eine Sache}

Nachtrag 24.1.:
Ein kundiger Leser hat dankenswerterweise unseren Fehler angezeigt:
Ihre Aussage suggeriert, dass es bereits mehrere Nutzer des Eagle IV
gibt. In diesem Fall sind die x-Benutzer des Eagle IV seit KURZEM genau
EIN Land, Dänemark.”

 

AFG-Diversifikation: dabei

17. Dezember 2007

Eine beachtliche “Veränderung” bringen unsere amerikanischen Freunde in die Afghanistan-Strategie:

  • Beachtlich ist, dass U.S.-Verteidigungsminister Robert Gates ins nicht so nahe Schottland fliegt, um nur einen sehr speziellen Kreis der in AFG kämpfenden NATO-ISAF zu treffen: die Jungs vom RC South (Regional Command);
     
  • Für eine “Führungsnation” adäquat offeriert er, dass die U.S.-Administration (also er) einen Plan vorlegen wird, wie es in den nächsten 3 - 5 Jahren in AFG weiterzugehen hat;
     
  • Aus dem Text des ganz üblichen “American Forces Press Service” ist für deutsche Verhältnisse ablesbar, was auf uns zukommt:

    - “more provincial reconstruction teams in secure areas” (wegen “secure” also D),
    - “guarding facilities”,
    - “or paying for helicopters that can operate at the high altitudes in southern Afghanistan” (mehr oder wenige alle EU-NATO-Freunde können mit ihren Helis nicht so richtig in den “high altitudes” operieren
    http://www.defenselink.mil/news/newsarticle.aspx?id=48418

Man stelle sich nur vor, wie alle nicht zum schottischen RC-South-Club Gehörenden über diese News schäumen.

{Verstosse nie gegen das “Dabeisein ist alles”-Prinzip - oder doch absichtlich?}

 

OEF-Outlook: bröckeln

19. November 2007

Am 15. Nov. 2007 haben im Deutschen Bundestag 414 Abgeordnete der von der Bundesregierung vorgeschlagenen Mandatsverlängerung für die deutsche Beteiligung an der “Operation Enduring Freedom” (OEF) zugestimmt; dagegen stimmten 2 MdB’s der CDU/CSU, 42 der SPD, 2 der FDP und alle Abgeordneten der Grünen- und Links-Fraktion.

“Nach dem Spiel ist vor dem Spiel”: Das mentale Hinterzimmer vieler Pro’s sah dabei etwas unordentlich aus, weil kraftvolle Kritiker reichlich Argumente gegen OEF ins Feld bringen, denen der immer mit allgemeinen Floskeln bramabasierende Regierungsapparat aufgrund zitternder Zustimmungsangst, und deshalb eiskalter Taktiererei, nichts entgegenzusetzen hat.

Zu den einflussreichsten Kritikern rechnen wir den Grünen-Abgeordneten Winfried Nachtwei. Ihm muss man gehörigen Respekt zollen, weil er als einer der ganz wenigen, wenn nicht der einzige (sicherheitspolitische) MdB ist, der

  • seinen erheblichen Fleiss in eine mit “tausend” Sacheinzelheiten begründete Position umsetzt, die er der Öffentlichkeit ungeschminkt präsentiert und sich damit frau/mann-haft zum “Abschuss” von jeder anderen Meinung freigibt;
     
  • versichert, dass er für “jeden Widerspruch immer dankbar sei”; das glauben wir genau so.

In diesem Lichte betrachten wir Winfrieds 11-seitige OEF-Bilanz, die man hier findet:
http://www.nachtwei.de/index.php/articles/615 :

  • Unendlich diskussionsbedürftig stellt MdB Nachtwei die völkerrechtliche Legitimation von OEF in Frage. Käme man hier zu einem “kurzen” Urteil”, ergäbe sich der Rest; zusätzlich, weil OEF in Hinsicht auf die AFG-Regierung einen “extra-legalen Status” habe;
     
  • Der operative Teil der OEF-Kritik enthällt Psychoanalytisches: Winfried beklagt “eine krasse Asymetrie der Stärke” (zugunsten der OEF);
     
  • Sicherlich kann man irgendwo und -wie eine grenzwertige Unterscheidung zwischen “Aufstands- und Terrorbekämpfung” (S.7, unten) treffen. Wenn MdB Nachtwei aber nicht beurteilen kann, welche “Fähigkeiten für welche Aufgaben überhaupt noch notwendig sind”, danach aber eine Lösung offeriert, wird das schon schwierig;
     
  • Bei der Präsenz vieler weiterer Diskussionsfelder ist eines u.E. ganz augenfällig:

    - Im “Anhang” präsentiert unser “Vorzeige”-Abgeordneter zwei lange Listungen von Wirklichkeit, die für sich sprechen: Taliban-Tötungslisten und Luft-Boden-Einsätze der OEF.

    Wenn man gemein wäre (das sind wir gerade), sind sie der ungewollte (?) Gegen-Beweis für viele Inhalte des gerade abgehandelten Themas. Deswegen sollte man z.B. diesem Volksvertreter äusserst dankbar sein. Die Wirklichkeit ist leider eine ganz uninteressierende, damit langweilende Dokumentation.

Im Hintergrund verzeichnen wir die “ehrliche” Stimme eines einflussreichen (XXL) Politikers einer “grossen” Volkspartei zum gleichen Thema:

  • Er räumt eine gewisse “Unehrlichkeit” ein: Man traut sich nicht laut zu sagen, dass man sich im “Kriegseinsatz” befinde;
     
  • Er sieht bei wichtigen Verbündeten, die der Normalsterbliche gar nicht auf dem Schirm hat, strategische Entwicklungen, die bei deutscher Untätigkeit fatale Wirkungen haben können. Wer die Begrifflichkeit des “Bröckelns” realisieren kann, hat einen entscheidenden Zukunftsparameter verstanden; die Konsequenzen sind horribel.

{Das “Bröckeln” muss man als Normalzustand begreifen}

 

Bw-Erfahrungen AFG: Mut

8. November 2007

Wenn man die Erfahrungsberichte liest, die die deutschen Kommandeure aus den verschiedenen Stützpunkten in Afghanistan zur Jahresmitte 2007 “nach oben” abgegeben haben, findet man nicht nur eine insgesamt ordentliche Auftragserfüllung, sondern auch ein durchgehendes Klagebild:

  • Besonders die wichtige Fähigkeitskategorie “Nachrichtengewinnung und Aufklärung” ist mit erheblichen Lücken und Schwächen behaftet;
     
  • Die Logistik wird durchgängig übelst beurteilt (mit Ausnahmen hinsichtlich bestimmter Nachschubwege);
     
  • Ab und an werden die verschiedenen eingesetzten Fahrzeugtypen etwas unterschiedlich beurteilt. Letztlich finden sich aber genügend vernichtende Urteile für selbst die neuesten Fahrzeugtypen - mit einer Ausnahme: der alte “Fuchs” wird durchgängig gelobt (sein Konzept hinsichtlich Fahrwerksauslegung, Schwerpunkt, Abmasse etc. scheint die Blaupause zu sein). Wer das Super-Auto der Zukunft bauen will, muss sich nur diese Erfahrungen zunutze machen;
     
  • Obwohl die einsatzvorbereitende Ausbildung daheim schon ziemlich gut ist, gibt es doch teilweise deutlichen Nachsteuerungsbedarf. Wenn DINGO-Fahrer mangels Masse zu Hause nicht fahrlernen konnten, in AFG aber Fluchtgeschwindigkeit fahren, ist das Ergebnis abzusehen;
     
  • Das Kürzel DPL (Dienstpostenliste) ist überall Reizwort. Relativ nachsichtig ist man noch, wenn wichtige Dienstposten wiederholt nicht besetzt werden. Richtig genervt sind die Kommandeure aber, wenn der “Heldenklau” durch die Etappe per Dienstposten-Streichung stattfindet, der absolut keine Ahnung der wirklichen Situation der “höheren Führung” vermuten lässt;
     
  • Besonders sympathisch ist der Bericht des Kommandeurs, der für einen Bereich von der Grösse Dänemarks zuständig ist, aber weit abgelegen in ganz unwirtlichem Gelände operiert. Er schaut etwas neidisch auf einen “wichtigen” Stützpunkt, für den alle Wunder vollbracht werden;
     
  • Dass die Zusammenarbeit mit den internationalen Kameraden überall gelobt wird, ist erfreulich (von den Rumänen werden löbliche Arbeitszeiten -9.00 bis 11.30 Uhr - erwähnt). Durchgängige Klage sind aber die englischen Sprachkenntnisse. Angesichts dessen denken wir an die Lehnstuhl-Strategen, die von (jedem?) Soldaten mehr oder weniger perfekte Kenntnisse der Diplomatie, Ethnologie, Krisenkommunikation und was sonst noch verlangen. Ohne das die armen Kameraden je gelernt haben, wie ein Gewehr anzufassen ist oder wie man sich über den Rinnstein bewegt, werden sie 10 Jahre auf zivilen Lehrgängen verbringen, um auch die richtige Sprache zu lernen, die für das zukünftige Interventionsland noch passt (das kann man gut durch einen Zufalls-Generator ermitteln, der mit allen “failed states” gefüttert ist);
     
  • Aber auch in jedem Bericht wird ganz überschwenglich die Leistung der Soldaten ganz kräftig betont. Für das Geld allein kann das nicht sein.

Entgegen mancher Vorurteilsvermutung ist es keinesfalls so, dass Vorgesetzte nicht “nach oben” sehr klare “Erfahrungsberichte” melden. Würde man sie dort richtig “ernstnehmen”, entstünde eine ganz drahtige Weisungswut. Dazu gehörte aber eine ausreichende “Empathie” mit den Kameraden, die vor Ort in der ****** sitzen; dann müsste der Mut folgen, die entsprechenden Beschlüsse auch durchzusetzen - was immer es kostet.

{Jede Kosten/Nutzen-Rechnung ist in sich schon recht fragwürdig (??)}

(P.S.: Fast hätten wir den Kritik-Punkt “Besuchergruppen” vergessen; den müssen die Kommandeure fast am meisten “hassen”. Jeder “Vip” sollte auf sich halten, nicht nach AFG zu fliegen. Der Aufwand bringt die Kameraden um jeden Verstand und hält sie nur von sinnstiftender Arbeit ab. Sorry - das wird sich - unter dem Stichwort “Mediengeilheit” - nicht verwirklichen lassen).

 

Susanne Koelbl’s AFG: gut

23. Oktober 2007

Vor “Jahren” hat unsereins Susanne Koelbl bei einem Empfang im BMVg sehr kurz kennengelernt. Eingewiesen von einem lieben Freund lernten wir, dass sie des SPIEGEL Frontfrau in Afghanistan sei. Bei ihrem Charme konnte man sich schon damals ausmalen, dass Frau Koelbl bei anhaltender Präsenz vor Ort jeden “Militär” (oder sonstigen) Macho vor Ort um den Finger wickelt.

Das Produkt dieser Frauen-Power ist ein absolutes Lese-Muss:

Man kann sich die 22,95 EUR für das entsprechende Buch (“Geliebtes, dunkles Land”) ersparen, nur um dem von uns nicht so geschätzten (wundersam erscheinenden) Co-Autor Olaf Ihlau ein Schnippchen zu schlagen (das ist etwas “hässlich”).

Irgendwann und irgendwie wird S. Koelbl u. E. für ihre Arbeit irgendeinen AWARD bekommen (müssen).

{Franz sagt: “Nur gute Arbeit muss ordentlich entlohnt werden”}

 

AFG-Bilanz: ***egal

8. Oktober 2007

Wieder auf den letzten Drücker (diesmal geben wir der Nestpflege die Schuld) haben wir Daten zur Afghanistan-Zwischenbilanz gefunden, die nach Hofberichterstattung klingen, aber doch irgendwie etwas mit der hellen Seite der Wirklichkeit in AFG zu tun haben müssen. Entnommen sind sie der in Finnland am 14. September 07 von Kurt Volker, Staatssekretär im U.S.-Aussenministerium, gehaltenen Rede (S. 3):
http://www.state.gov/p/eur/rls/rm/92096.htm

Kann es sein, dass alles ein “Marschbefehl in die Sackgasse” ist, wie SPIEGEL-Online heute titelt?:

  • Die U.S.A und Europa haben seit 2001 für die jetzt 31 Millionen Afghanen 26,8 Milliarden USD aufgebracht (steht so im USINFO-Bericht von Phillip Kurata vom 27. Sept. über die Volker-Rede);
     
  • Seit 2002 sind laut UNHCR von den 6 Millionen Flüchtlingen 4 Millionen nach AFG zurückgekehrt (!);
     
  • Vor 2001 hatten 8 % der Afghanen Zugang zu medizinischer Versorgung, jetzt werden 80 % gemeldet, 670 Kliniken sind gebaut und ausgestattet worden;
     
  • Zum Zeitpunkt der Befreiung von den Taliban waren 900.000 Kinder in der Schule angemeldet, jetzt sind von den 5 Mio. Schulkindern 1,5 Mio. Mädchen, von denen 2001 ZERO zur Schule gingen;
     
  • Durch die Absenkung der Kinder-Sterblichkeitsrate leben 85.000 Buzzies mehr (!);
     
  • 2001 waren ganze 50 km aller Strassen geteert; Ende 2007 werden es 9.000 km sein;
     
  • Das Wirtschaftswachstum in AFG liegt mit 12 - 14 % in der Weltspitze;
     
  • Innerhalb der letzten 3 Jahre hat sich das Pro-Kopf-Einkommen von 180 auf 355 USD vervielfacht (das kann nicht alles der gestiegenen Drogen-Produktion geschuldet sein).

Andere Zahlen kann man sich zusammenreimen, z.B:

  • Wieviel der 31 Mio. Afghanen haben (sorry) die verdammte Scheiße des “30”-jährigen Krieges gestrichen satt und hoffen und bangen um Hilfe?
     
  • Sollen 2.000 - 16.000 Hardcore-Taliban diesen (sehnlichen) “Mehrheitswunsch” töten dürfen?

{legal? >> illegal? >> scheiss-egal? >>}

 

CRS-Report: besser

27. Sept. 2007

Da wir uns gerade in einem etwas holprigen Wohnungswechsel befinden, ist das Arbeitsergebnis etwas mager, nicht aber das Papier des “Congressional Research Service” (CRS) zu Afghanistan:
http://www.fas.org/sgp/crs/row/RL30588.pdf

Sorry, wir mühen uns noch.

{Was nicht gut ist, wird besser - vielleicht}

 

Scholl-Latour: Poker

4. September 2007

Man kann gar nicht anders, als von Peter Scholl-Latour fasziniert zu sein. Wenn er doch der Lenker der Sicherheitspolitik wäre, könnte es um diese Welt nur gut gestellt sein.

Letzter Beweis ist sein Beitrag “Raus aus Afghanistan” im “Magazin für politische Kultur”, im CICERO (115 Kommentare):
http://www.focus.de/politik/cicero-exklusiv/tid-7271/cicero-exklusiv_aid_130985.html

Wenn man unsere Klassifizierung von Peter Scholl-Latour übernimmt (kriegserprobt, kampfbereit, geschichtsbelesen, nationalistisch (D/F?), traumatisch U.S.-kritisch, quadratisch praktisch), findet man in seiner neuesten Kampfschrift nichts neues:

  • Geschichte ist nichts anderes als Wiederholung:

    Die Briten anno 1840, die Sowjets im Laufen von 10 Jahren, und der Leo II taugt nichts in AFG;
     
  • “vox Rindvieh”:

    Die Mehrheit plädiert für einen Rückzug, also hat die Merheit recht? Ist Scholl-Latour ein Verfechter des Irak-Krieges? Er nennt die damaligen Kriegsgegner “jene früheren Wortführer eines utopischen Ultra-Pazifismus”, die “sich heute als “Bellizisten in die Brust werfen”;
     
  • “hinterster Winkel”:

    Afghanistan ist eben der “hinterste Winkel Zentralasiens” und deshalb gehört die Geschichte versenkt;
     
  • “Desinformation”:

    Man muss nur dem “hoch angesehenen Prinzen Mohammed el Faisal” (Saudi) das Handwerk legen. Merke: Saudis = Al Qaida. Und im übrigen ist die CIA schuld;
     
  • “Sinnloser Einsatz”:

    Würde der deutsche Einsatz “Sinn machen”, wenn die Deutschen die Ein-Igelung aufgäben? Kommt der “kämpferische” Scholl-Latour hier durch?
     
  • “Feigheit vor dem Freund”:

    Die Krauts sollen die Amis fragen, wie die sich die “mission impossible” vorstellen. Wenn die Mission unmöglich ist, wie soll dann die Frage sinnstiftend sein? Peter hat natürlich den Schwarzen zur Hand: U.S.-Geschichte (Somalia).

Unser lieber Peter hat ein Argumentations-Set zur Hand wie ein Poker-Spieler; niemand glaubt, dass er blufft.

{Kein Poker ohne Joker}

 

OEF/CJTF 82: Rückzug?

3. September 2007

Es scheint bei einer ganzen Reihe von Politikern ausgemacht, dass Deutschland sich, zur Rettung seines eigentlich ungemochten ISAF-Engagements, von seiner Beteiligung an der U.S. - geführten “Operation Enduring Freedom” (OEF) in Afghanistan verabschieden sollte.

Dummerweise haben wir Stunden mit einer Internet-Recherche verbracht, von was man sich eigentlich verabschieden will. Was ist die OEF (in AFG), wieviel Soldaten wo, Flugzeuge etc. Irgendwann haben wir auch den Suchbegriff CJTF 82 eingegeben, denn das ist das Kürzel für die “Combined Joined Tactical Force” in AFG.

Nicht bei Google, sondern in Erinnerung an das Ass Anthony Cordesman haben wir dessen Vortrags-Show vom 15. 2. 07 gefunden, die vollgepfropft mit allerbesten Infos ist:
http://www.csis.org/media/csis/pubs/070215_afghanbrief.pdf

Man lernt, dass die U.S. Air Force in den ersten 11 Monaten in 2006 (S. 50) 2.527 Luftschläge ausgeführt hat (im Irak 188). Dass ein nicht unwesentlicher Teil den ISAF-Truppen “geholfen” hat, darf man unterstellen, natürlich auch den als “unkontrollierbar” geltenden SOF (Special Operation Forces; Ranger, CIA etc.).

Stratege Cordesman vermerkt, dass die reine OEF/U.S.-Stärke in Afghanistan 8.000 beträgt. Besucht man www.bagram.afnews.af.mil , findet man, dass davon allein auf die 3.500 Luftwaffen-Soldaten der 455th Air Expeditionary Wing in Bagram entfallen.

Bei der Internet-Adresse der dem AFG-OEF übergeordneten Kommando-Behörde
www.centcom.mil findet man neben Link-Pleiten auch unendliche Bildergalerien:
http://oneteam.centcom.mil/admin/CSTC-A%20Pictures.aspx

Die eigentliche Website für den OEF/AFG-Einsatz ist aber
http://cjtf82.com/
Sie ist zwar äusserst informationsarm, gibt aber die Liste der OEF-Mitglieder bekannt (wähle “Member Nations” in der Navigator-Leiste). Man findet zwar die Tschechische Republik, Frankreich, Polen, Rumänien, die Türkei und das Vereinigte Königreich, z.B. auch Jordanien, aber die deutsche Flagge fehlt. Demnach wäre die Frage berechtigt, ob die Bundesrepublik Deutschland offiziell überhaupt noch Mitglied bei OEF ist (im Kommando müsste ein deutscher Verbindungsoffizier sitzen). Wird bei uns ganz heftig diskutiert, was längst völlig irrelevant ist?

Alle OEF-Spiegelfechtereien können allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine Reduzierung des deutschen AFG-Engagements angebracht sein könnte.

{Schöne Rückzüge sieht man nicht so oft}

 

AFG-Poppy: irritierend

8. August 2007

Schon vor langer Zeit hat uns der Vorschlag fasziniert, den afghanischen Schlafmohn-Anbau staatlich zu lizensieren und die Verwendung des Rohopiums auf den medizinischen Markt der Morphine umzuleiten. Die beachtenswerte Adresse “Senlis Council” hat dazu einen konkreten Vorschlag veröffentlicht:
http://www.senliscouncil.net/documents/poppy_medicine_technical_dossier

Irritierend ist allerdings, dass Thomas Schweich, U.S.-Koordinator für “Counternarcotics” für Afghanistan, das Senlis-Konzept mit Zahlen bekämpft, die komische Relationen ergeben und trotzdem Senlis-kompatibel sind, siehe
http://usinfo.state.gov/xarchives/display.html?p=washfile-english&y=2007&m=June&x=200706 01154201x1eneerg0.3702509

Zum Thema gehören folgende Daten:

  • Lt. Bericht von www.msnbc.com vom 4. Aug. 07 (“Afghan poppy crop sets record” - wir haben den Link über die msnbc-Suchmaschine nicht gefunden) ist in Afghanistan im Jahr 2006 die Rekordsumme von 7.286 Tonnen Rohopium geerntet worden (43 % mehr als 2005); das seien 92 % der globalen Opium-Produktion;
     
  • Nach Schweich, der ausdrücklich gegen die Senlis-Vorschläge argumentiert, kostet das “poppy” auf dem legalen Markt 16 - 49 USD/kg, auf dem illegalen Markt dagegen 138 USD/kg. Errechnet man den Aufkauf des gesamten Rohopiums nach dem illegalen Preis, wären dies (nach unserer Rechnung) rund 1 Milliarde USD; der Betrag ist nicht ganz so weit entfernt von den knapp 500 Millionen USD, die die U.S.A. für ihr Counter-Narcotics-Programm in Afghanistan ausgeben;
     
  • Der “illegale” Schweich-Preis liegt andererseits nicht weit von dem Senlis-Preis (“Farm gate price of raw poppy materials”) entfernt, der für 2006 mit 94 USD/kg angegeben wird;
     
  • Bei Senlis lernt man allerdings, dass der illegale Farm-Preis in AFG im Vergleich zum “Einzelhandelspreis” von Morphinen in Latein-Amerika um 4.000 % (viertausend) auf knapp über 4.000 USD steigt (S. 43). Daraus leitet Senlis ab, dass ihr “Poppy for Medicine”-Projekt dem “lokal-pruduzierten Morphin” beim Verkauf an die afghanische Regierung einen Preis von 3.100 USD pro kg beschert, was, gerechnet nach der Jahres-Produktion von 7.286 Tonnen, erkleckliche 22,586 Milliarden USD ausmachen würde. Diese Summe wird nur noch von der Angabe des msnbc-Artikels getoppt, die von einem “street value” der AFG-Produktion von 38 Mrd. USD berichtet;
     
  • Gänzlich verwirrend ist die Tatsache, dass einzig Indien und die Türkei (durch vor vielen Jahren vergleichbare Probleme wie AFG) von der Weltgemeinschaft (U.N.) authorisiert und lizensiert sind, per Mohnanbau den weltweiten Bedarf an Morphinen zum Zwecke der medizinischen Schmerzstillung abzudecken. Senlis meint, das AFG-Potential (90 % der Welternte!?!, 80 % davon allein in der Provinz Helmand??) würde durch die weltweite Nachfrage abgedeckt werden.

Sorry, wenn wir den Gesamtzusammenhang nicht aufhellen können. Hat jemand eine Idee (bitte keine Verschwörungstheorie)??

{Auch General Ramms ruft: “Ich will einen anständigen Lagebericht”)

 

Bw-Aufwuchs/ISAF: elegant

2. August 2007

Man staunt nicht schlecht über die Forderungen von Spitzenpolitikern wie z.B. Beck, Kauder oder Bütigkofer: Deutschland solle sein Engagement bei ISAF verstärken. Noch überraschender ist, dass Medien berichten, das Verteidigungsministerium sei dagegen (der “Kölner Stadtanzeiger” vom 29.7.07 zitiert so einen anonymen, hochrangigen Sprecher des BMVg).

Unsere Recherche ergibt dagegen:

  • Zu Zahlen mag man sich natürlich überhaupt nicht äussern;
     
  • Gegen eine Aufstockung des deutschen ISAF-Kontingents sei man keineswegs, sondern man hat klare Vorstellungen über deren konkrete Ausgestaltung:

    - Der Aufwuchs soll im Bereich der Ausbildung für die afghanischen Streitkräfte (ANA) und der Polizei stattfinden;

    - Gleichzeitig will man aber festlegen, dass ein späterer Einsatz dieser von der Bundeswehr ausgebildeten ANA-Einheiten nur in der Region stattfinden soll, in der sie ausgebildet worden sind.

Man kann einsehen, dass eine solche Lösung für die deutsche politische Befindlichkeit allseits passen würde (smooth).

{Nicht zu glauben: Deutsche militärische Eleganz}

 

AFG-Bilder: Fritz

8. Juni 2007

Wenn Verteidigungsminister Jung die Truppe in Afghanistan besucht, besteht die Chance, wieder einmal Bilder zu sehen. Die Informationen sind in jeder Hinsicht bedeutend:

  • Die Soldatin Anna Holthoff ist unmissverständlich: “Nicht nachgeben”;
     
  • Die Deutschen hätten seit Monaten Informationen bezüglich drohender Anschläge gehabt;
     
  • Die Kooperation der afghanischen Behörden hinsichtlich der Aufklärung des Kunduz-Anschlages “lasse zu wünschen übrig”; Verteidigungsminister Jung wolle “Druck” machen. Angesichts der Lage wäre ein ultimatives Wort angebrachter gewesen;
     
  • “Berlin will keine Opfer” (wer will die schon) - deshalb hat man “Igelstellung” bezogen. Wie lange will man diese Position halten? Ziehen sich die Dänen, Niederländer, Kanadier, Briten und Amerikaner auch für unbestimmte Zeit in ihre Stützpunkte zurück, nach dem sie Opfer in Kämpfen mit den Taliban zu beklagen hatten? Gilt die “hearts and minds”-Strategie nur bei Sonnenschein?
     
  • Die vermittelten Umfrage-Daten sprechen für sich:
    - 54 % der Deutschen sind für einen Abzug,
    - 44 % votieren für einen Verbleib in Afghanistan;
    - 57 % meinen, dass sich die Bundeswehr mit ihren Auslandseinsätzen übernommen hat, 38 % sind gegensätzlicher Meinung (die Fragestellung ist schon mal doof - Auftraggeber ist die Politik).

In Farbe ist das hier zu finden:
http://www.tagesschau.de/videoueberblick/0,,OID6890832_VID_RESflash256_PLYinternal_NAV _,00.html

{Einer kommt rein - dreitausend gehen raus}

 

Kronzeuge/AFG: retten (+ Nachtrag 4. Juni)

1. Juni 2007

Mit dem gestrigen “Monitor”-Bericht (ARD, 21.45 Uhr) ist bezüglich der deutschen Debatte über den Bundeswehr-Einsatz in Afghanistan ein einschneidender Bruch eingetreten. Ein Generalstabsoffizier (Dienstgrad Oberstleutnant, OTL), in der Funktion als “militärpolitischer Berater der Bundesregierung in Kabul” (sprich Militär-Attaché an der Botschaft), hat einen “internen” Brief an Aussenminister Steinmeier geschrieben, in dem Vorwürfe erhoben werden, die jeder Beschreibung spotten:
http://www.wdr.de/tv/monitor/beitragsuebersicht.phtml
(auf dieser Internet-Seite ist links die Pressemitteilung zu erreichen; in der Mitte der Seite - etwas scrollen - wird darauf hingewiesen, dass heute gegen 16 Uhr der Wortlaut der Monitor-Sendung als pdf vorliegen wird; der Podcast ist bereits vorhanden).

Einen besseren Kronzeugen werden die Kritiker des Bw-Einsatzes in Afghanistan kaum finden. Seine Kompetenz wird noch erhöht, weil er vor Antritt seines jetzigen Amtes (Juli 2006) der Leiter der Abteilung “Aufklärung und Sicherheit der ‘Kabul Multinational Brigade’ der ISAF war.

Es kann überhaupt kein Zweifel daran bestehen, dass die Luft/Boden-Einsätze, die ganz überwiegend von der U.S.-Luftwaffe geflogen werden (ca. 40-50/Tag), eine relativ hohe Zahl an Opfern unter der Zivilbevölkerung hervorrufen. In dem aus ganz gegensätzlichen Gründen lesenswerten SPIEGEL-Interview mit dem pakistanischen Experten Ahmed Rashid ist die Zahl von 1.000 getöteten Zivilisten zu finden:
http://www.spiegel.de/international/world/0,1518,485299,00.html

Wer sich makaber “kriegswissenschaftlich” mit dem Thema beschäftigt, weiss:

  • Im Krieg gegen die Taliban wird die “Unterbesetzung” der ISAF (ca. 35.000 statt der notwendigen ca. 0,5 Millionen Soldaten) durch Luftmacht per “Fingerschnipsen” ersetzt. Im SPIEGEL dieser Woche ist deshalb auch die Stimme eines hochrangigen NATO-Generals zu finden, der darauf hinweist, dass die NATO ohne die OEF (sprich U.S.-Luftwaffe) verloren wäre (dieser Aussage ist eine strategische Bedeutung beizumessen).
     
  • Aus verschiedenen Gesprächen wissen wir, dass es wohl deutliche Anstrengungen der Führung der U.S.-Luftwaffe gibt, zivile Opfer bei Luft/Boden-Angriffen zu vermeiden. In Deutschland würde es u.E. aber jeder Journalist vermeiden, dies zum Thema einer Recherche zu machen (das ist wiederum auch verständlich).

Umso leichter geht deshalb der Vorwurf des Kronzeugen durch, “dass unsere Koalitionstruppen und ISAF inzwischen bewusst Teile der Zivilbevölkerung ...bekämpfen.”

Damit sollte aber alle Nachsicht aufhören: Wenn der Vorwurf der Nichteinhaltung des Kriegsvölkerrechts (hier: Zusatzprotokoll zu den Genfer Abkommen vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte, insbesondere Teil IV) erhoben wird, muss der Kronzeuge den Beweis seiner Behauptung öffentlich antreten.

Von der Leitung des Bundesverteidigungsministeriums ist nicht zu erwarten, dass sie den Vorfall entsprechend ernst nimmt. Krisen-Kommunikatoren empfehlen bei solchen Szenarien immer, abzuwiegeln, ja keine Märtyrer schaffen. In die Ahnengalerie von Admiral Elmar Schmähling, OTL Alfred Mechtersheimer, General Bastian, Major Pfaff, OTL Jürgen Rose (sorry, wenn wir jemanden vergessen haben) wird auch OTL Kronzeuge eingehen.

Sie kennen das Profil der sog. “self-empowered people”? Beispiel: Der (die) Erfinder(in) der “Anti-Landminen”-Kampagne, “Greenpeace”, “attac” oder Al Gore, vielleicht noch Bono?

Man sollte niemanden geringschätzen, der die Welt retten will. Ob die Retter alllerdings etwas “überheblich” erscheinen, steht auf einem anderem Blatt.

{Mensch - Du kannst die Welt retten!}

Nachtrag 4.6.07: Wir haben den “Kronzeugen”-Brief des OTL (nicht “i.G”) auch bekommen mit dem Hinweis, auch unter dem genannten Namen zu googlen; hier ist der Brief (als pdf).

 

AFG-Kriegsdaten: Trauma

24. Mai 2007

Während es über den Krieg im Irak eine Fülle von Kriegsdaten gibt, suchen wir bezüglich des Krieges in Afghanistan noch nach entsprechenden Übersichten (Hilfeschrei). Einige Daten zum aktuellen Lagebild haben wir allerdings aufgeschnappt:

  • ISAF soll verlautbart haben:
    Diesen Monat (also Mai 07) haben Selbstmord-Anschläge und andere Explosionen 85 Menschen getötet, davon 15 ausländische Soldaten und Zivilisten;
     
  • In 2007 hat es bis zum Ende des Monats Mai 58 Selbstmord-Attentate gegeben. In 2006 waren es insgesamt 119;
     
  • Im Zeitraum der drei Tage, vom 18. bis 20. Mai 2007, notierte ISAF in ganz Afghanistan 61 sog. Sicherheitsvorfälle (der Tod und die Verwundung der deutschen Kameraden ist in diesem “Bild” enthalten):

    - 2 im Norden,
    - 21 im Osten,
    - 38 im Süden (davon 27 in der Provinz Helmand).

    Von diesen 61 Vorfällen (Zahl ist Durchschnittswert) waren

    - 40 Schusswechsel/Gefechte,
    - 14 Sprengstoff-Anschläge, darunter drei Selbstmord-Anschläge in den Provinzen Kandahar, Kunduz und Paktia;
    - 7 Vorfälle von indirektem Beschluss.
    Insgesamt wurden drei (deutsche) ISAF-Soldaten getötet und 20 verletzt (davon 5 Deutsche).

Hierzulande schwappt die egomane Friedens-Welle schon hoch:

  • Lt. Infratest/Dimap (für WDR) plädieren 55% der Deutschen für einen sofortigen Abzug;
    Lt. Forsa (für “stern”) sind es gar 63 % (siehe SPIEGEL-Online);
     
  • Begnadete Brunnenvergifter wie Oskar Lafontaine (uns als solcher bekannt seit den Zeiten des NATO-Doppelbeschlusses) warten auf ihr “Todesurteil” vom Bundesverfassungsgericht;
     
  • Hilflose Verteidigungsminister sind noch nicht einmal in der Lage, ihre Trauerrede als Wortlaut oder Video auf www.bundeswehr.de zu podcasten. Uns ist nicht erkennbar, dass Minister Jung non-verbal vermitteln kann, dass ihn die emotionale/intellektuelle  Tiefe der Situation wirklich erreicht.

{“Endsieger” müssen endlich posttraumatisch behandelt werden}

 

Kunduz-Anschlag: fällen (+ Korrektur, 22.5. - Sorry)

21. Mai 2007

Ein “Gotteskrieger” (überall werden sie in deutschen Medien so liebevoll genannt) hat am 19.5. 07 in Kunduz ein Blutbad angerichtet:

  • Ulrich Tilgner weiss direkt für das ZDF aus Teheran zu berichten, dass die Bundeswehr wegen der TORNADO-Einsäzte jetzt zum Ziel geworden sei (19.5., 19.00 Uhr, haben wir auf www.zdf.de leider nicht mehr gefunden; das dürfte kein ernstzunehmender Kommentator verzählen wollen);
     
  • Meldet SPIEGEL-Online, dass die sicherheitspolitische Erklärungssäule Oberst Gertz, Vorsitzender des quasi gewerkschaftlichen Bundeswehrverbandes, der “Mitteldeutschen Zeitung” erklärt hat:
    “Der Vorfall ist geeignet, auch in Deutschland eine Diskussion darüber zu führen, ob die Sinnhaftigkeit dieses Vorgehens den eigenen Soldaten noch vermittelt werden kann und ob man es weiter verantworten kann, dass sie für eine Sache, deren Ausgang zweifelhaft ist, ihr Leben risikieren.”
    (Gertz fordert eine “radikale Änderung der Gesamtstrategie”. Man weiss, dass es die nicht gibt und landet logisch beim Abzug);
     
  • Sabine Christiansen hat sich gezwungenermassen des Themas angenommen. Demnach ist das Kürzel OEF deutscherseits sowieso schon tot, was generell als sehr verfrüht angesehen werden muss (näheres wird bald die Oberfläche erreichen). Populist Lafontaine konnte gegen Verteidigungsminister Jung (leider) gut punkten.

Im Oktober 2007 steht eine erneute Befassung des Deutschen Parlaments hinsichtlich des deutschen Engagements in Afghanistan an. Der Taliban-Strategie muss man keinen Nachhilfe-Unterricht erteilen:

  • Wer bei
    http://www.nato.int/isaf/media/pdf/placemat_isaf.pdf
    auf Seite 2 des pdf. nachschaut, wird im Gegensatz zu der Stärke-Meldung der Kanadier vom Okt. 06 (nicht dokumentiert) finden, dass das kanadische Kontingent um minus 1.800 Soldaten auf 250, bzw. 0 heruntergeschrieben wird (im Jan. 07 noch 2.500);
    (die “kanadische” Debatte hatten wir noch nicht einmal im Ansatz!);
    (Korrektur: streiche diesen Absatz. Ein kluger User bemerkt zu recht, dass die Null nach unten gerutscht ist. Richtig ist, dass die Kanadier im Vergleich zum Okt. 06 ihr Kontingent trotz hoher Verluste um 700 Mann erhöht haben).
     
  • Wenn der neue französische Premier Sarkozy sein Wahlversprechen wahr macht, werden die 1.000 französischen Soldaten in Afghanistan ihre Fahnen streichen.
     
  • Die vermaledeiten Amis haben ihr Kontingent seit Okt. 06 um 3.750 Soldaten erhöht.

Wer die innerdeutsche, “ideologische” Debatte auf die Spitze treiben will und mit den Taliban in direkte Konkurrenz treten will, wird auf Mahntafeln für die Gefallenen des 1. Weltkrieges, vorzugweise in ostdeutschen Dörfern, den Hinweis auf das Neue Testament, Joh. 15.13 finden, der heutzutage ganz ungewohnt ist und reichlich Raum für hässliche Kommentierung bietet:

  • “Niemand hat grössere Liebe als ein Mensch, der sein Leben für seine Freunde gibt.”

{Das Urteil möchten wir doch selbst nicht fällen}

 

AI/Afghanistan: Mist

20. April 2007

Der Bericht “All who are not friends, are enemies: Taleban abuses against civilians” von “Amnesty International” (AI) ist zwar erst gestern erschienen, aber gerade deshalb ist eine mikroskopische Betrachtung möglich, ob und welche Wirkung er in der deutschen Medienlandschaft haben wird:
http://web.amnesty.org/library/Index/ENGASA110012007

Man muss AI Tribut zollen. Für leicht ideologisierte Parteigänger der “westlichen” Kultur bereiten die Burschen von AI oft genug ärgerliche Spiegelungen des eigenen Versagens, die deutliche Medienwellen verursachen. Angesichts solcher Beweise der Überparteilichkeit muss AI aber wieder eindeutig versöhnen.

Es fehlt nur noch, dass nicht nur die westliche Kultur (incl. Kurt Beck) den 25-seitigen AI-Bericht hinreichend zur Kenntnis nimmt, sondern auch die islamische Kultur, speziell die afghanische. Aber man kann schon heute vorhersagen, dass der AI-Bericht über die Scheusslichkeiten der Taliban in der westlichen Kultur nur ganz am Rande ankommt, in der islamischen Welt noch marginaler (arabische Medien?), und in Afghanistan weiss man das sowieso.

Natürlich gilt der Grundsatz, dass der Hinweis auf einen anderen Misthaufen nicht die Entschuldigung für den eigenen ist. Andererseits bleibt ein Misthaufen immer noch ein Misthaufen.

{Der Hahn kräht auf dem Mist - und man ändert sich (nicht), weil man so ist}

 

Taliban: befremdlich

27. Februar 2007

Sorry, wir haben ein Problem: Findet im Osten und Süden Afghanistans tatsächlich ein Krieg statt? BBC-TV hat gestern einen Film-Streifen gesendet, der surreal war, weil vor einer malerischen Landschaftskulisse britische Soldaten herumranten und heftig auf einen “imaginären” Feind ballerten.

Ein Gespräch mit einem deutschen Stabsoffizier, den man im Verteidigungsministerium als “embedded” (im erweiterten Sinne) bezeichnen kann, hat uns tief getroffen. Seine “situational awareness” bezüglich des Gegners (Taliban) tendierte gegen Null. Deshalb suchen wir krampfhaft nach Einschätzungen, Mutmassungen über die Stärke der Taliban.

Zuletzt haben wir beim neuesten AFG-Bericht nachgeschaut und nichts konkretes gefunden:
http://www.csis.org/media/csis/pubs/070223_breakingpoint.pdf

Stärke-Meldungen über die Taliban haben wir vom Gegner genügend: Grössen-Ordnung 15.000. Irgendwo hat ein NATO-General von 8.000 geredet.

Wenn Afghanistan schon der NATO-Test sein soll, hätten wir zugerne gewusst:

  • Wie gross ist das Kampfgebiet genau?
  • Wieviel weiss die NATO über die “Sicker-Gebiete” aus Pakistan?
  • Welche Aufklärungs-Ergebnisse hat ISAF über das “order of battle”?
  • Wieviel Truppen sind für den “Stabilisierungseinsatz” nötig?

Dieser Katalog ist beileibe nicht vollständig. U.E. ist die Datenlage über den Krieg in Afghanistan so erbärmlich, dass Hilfe von “Innen” angesagt ist.

{Sun Tsu sagt: “Der Krieg ohne einen Feind ist befremdlich”}

 

Afghanistan-Reports: KISS

15. Februar 2007

Man muss den Abgeordneten des Verteidigungsausschusses des kanadischen Senats ein dickes Lob aussprechen: Auf nur 15 Kernseiten haben sie in einem Zwischenbericht zum kanadischen Beitrag in Afghanistan die Fragestellungen und Empfehlungen untergebracht, die in ihrer Offenheit und Sachkunde ihresgleichen suchen. Und konsequent sind sie auch: Die Bedingungen für den Rückzug (S. 24 ff.) sind klar genannt:
http://www.parl.gc.ca/39/1/parlbus/commbus/senate/com-e/defe-e/rep-e/repFeb07-e.pdf
(P.S.: Die kanadischen Streitkräfte sind derzeit mit 2.500 Soldaten bei ISAF vertreten; seit Okt. 06 haben sie ihr Kontingent um 700 Soldaten aufgestockt!)

Ähnlich mustergültig ist der neue SENLIS-Report (insg. 200 S.). In Teil 1 wird zunächst Nachhilfe-Unterricht in Sachen “Insurgency” incl. Counter-Insurgency erteilt, in Teil 2 zentrale Fragen behandelt:
http://www.senliscouncil.net/documents/Full_CI_Report (für DSL kein Problem: 9,4 MB)

Für die (zutreffende) SENLIS-These, die ideologisch-getriebenen Taliban-Krieger von den geld-getriebenen zu unterscheiden (nach Taliban-Angaben 40 %), ist die Tabelle (pdf.-Seite 84) selbsterklärend: Während Lehrer, Doktoren, Ladenbesitzer, Soldaten und Polizisten rund 60 USD pro Monat verdienen, werden Taliban-Söldner mit 400 USD belohnt.

Eine noch bessere Qualität haben Berichte, die wir von einem guten Bekannten aus Afghanistan erhalten. In seinem wenige Tage alten 11-Seiten-Bericht schreibt er, dass viele, selbst “besser ausgebildete” Afghanen für die Rückkehr der Taliban plädieren: “It ist better to live without music, films and some kind of personal freedom, but to enjoy security for my family”.

Wahrscheinlich wird zum Ende dieses Jahres klarer werden, ob der derzeitige sicherheitspolitische Ansatz des Westens (stand/clear/hold) richtig ist. Danach kann eigentlich nur noch die Strategie des “bomb and fly away” oder “cut and run” folgen.

{KISS: Keep it simpel, stupid}

 

F. J. Jung: ******** (und Nachtrag 9.2.07)

8. Februar 2007

Zunächst muss man das Verteidigungsministerium ausdrücklich loben: Gegen jede Erwartung bietet es den kompletten Schriftsatz zur Kabinettsentscheidung über den zu beschliessenden TORNADO-Einsatz im Internet an:
http://www.bmvg.de/portal/PA_1_0_LT/PortalFiles/C1256EF40036B05B/W26Y7L6Z673INFODE/0 70202_Kabinettsvorlage.pdf?yw_repository=youatweb
(bitte schnell abladen, bevor es dort verschwindet - keine Sorge, wir übernehmen dann).

Nachtrag 9.2.07: Der o.a. Link ist tatsächlich tot - der neue enthällt nur noch den Text des Antrages der Bundesregierung an den Bundestag. Wie versprochen: Wir übernehmen das verschwundene BMVg-pdf.

Auch die Luftwaffe darf man loben: Sie veröffentlicht ein hinreichendes Fact-Sheet über den TORNADO RECCE:
http://www.bundeswehr.de/portal/PA_1_0_LT/PortalFiles/C1256EF40036B05B/W26XXJEJ973INF ODE/12-2006_Internet+Fact+Sheet+RECCE.pdf?yw_repository=youatweb
(verdunkelt wird, dass der TELELENS-Pod der gebräuchliche ist; wichtig ist ausserdem, dass der Infrarot-”Line-Scanner” bei Tag und Nacht einsetzbar ist, seine “Bilder” magnetisch aufgezeichnet werden und direkt nach der Landung ausgelesen werden können (gefunden auf
http://treff.bundeswehr.de ).

Gar nicht lobenswert ist, dass Verteidigungsminister Jung auf seiner gestrigen Pressekonferenz stocksteif darauf beharrte: “Aufklärung ist nicht Kampfeinsatz”. Zunächst muss man dem Minister etwas rechtgeben: Aufklärung ist nach der militärischen Nomenklatura Kampfunterstützung. Aber diese Unterscheidung hat Minister Jung sicher nicht gemeint, denn sonst hätte er diese Spitzfindigkeit deutlich gemacht.

Dieses Blitzlicht auf die sicherheitspolitische “Kultur” auf Minister-Ebene verlangt eine Rückbesinnung:

  • Ist in irgendeiner Weise bestreitbar, dass sich die NATO (in Form der ISAF) im Osten und Süden Afghanistans (und eigentlich nicht nur dort) mit den (Neo)-Taliban im Kampf, richtig gesagt, im Krieg befindet? Ist jemand, der in Uniform an solchen Handlungen in irgendeiner Funktion teilnimmt, etwa Nicht-Kombattant?
     
  • Weil der Verteidigungsminister, bzw. das Verteidigungsministerium, noch nicht einmal der Minimal-Forderung in einer modernen Demokratie nachkommt, den Wortlaut seiner Pressekonferenz via Internet der Öffentlichkeit zur Verfügung zustellen, kann man noch nicht einmal nachverfolgen, ob F.J. Jung denn erklärt hat, was der Einsatz denn letztlich sei.
     
  • Wenig wahrscheinlich ist, dass Minister Jung seinen Standpunkt revidiert. Wenn es so ist, wird man feststellen müssen, dass der Verteidigungsminister der Bundesrepublik Deutschland, aus welchen Gründen auch immer, nicht bereit ist, Tatsachen als solche auch so zu benennen, wie sie es vom Inhalt sind.

- Ist das Lüge? - schwer nachzuweisen.
- Die Un-Wahrheit kann es auch nicht ganz sein, weil - so die Behauptung vieler Intellektueller - es die Wahrheit gar nicht gibt.
- Unwissenheit kann es nur sein, wenn keiner der Militärs es sich traut, den Minister auf seine irrige Auffassung aufmerksam zu machen und er danach auch einsichtig ist.

Eine so differentierte Motivsuche wird wahrscheinlich nicht helfen. “Dittsche” als Verschwörungstheoretiker hätte die Erklärung.

{Mächtige können jeden ******* erzählen}

 

Kabinettsbeschluss: gescheiter

7. Februar 2007

In seiner heutigen Sitzung wird das Bundeskabinett “die Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an ISAF mit Fähigkeiten zur Aufklärung und Überwachung aus der Luft” beschliessen; der Bundestag soll in der 9. und 10. Kalenderwoche (26.2 - 10.3) seine konstitutive Zustimmung geben.

Der dreiseitige “Antrag der Bundesregierung” an das Parlament enthält folgende Merkpunkte:

  • Bis zu “500 Soldaten und Soldatinnen (sollen) mit entsprechenderAusrüstung eingesetzt” werden. Ein “Einsatzmodul” Aufklärungsflugzeuge (wahrscheinlich 6 - 8) vom Typ TORNADO RECCE wird für 6 Monate, bis zum 13. Oktober 2007, “zeitlich befristet” nach Afghanistan (wahrscheinlich Mazar-i-Sharif) verlegt.
     
  • In der Begründung des Antrages beurteilt die Regierung den Einsatz als “wesentlichen Beitrag zur Feststellung der Gesamtlage in Afghanistan zum Nutzen von ISAF”. Aber es gelten folgende Einschränkungen:

    - “Der ISAF-Operationsplan sieht eine restritive Übermittlung von Aufklärungsergebnissen an OEF vor. Die Übermittlung erfolgt nur, wenn dies zur erfolgreichen Durchführung der ISAF-Operation oder für die Sicherheit von ISAF-Kräften erforderlich ist”;
    (hoffentlich verfährt OEF umgekehrt nicht genau so)

    - Die RECCE “werden nicht zur Luftnah-Unterstützung (“Close Air Support”) eingesetzt. Die Aufklärungsflugzeuge verfügen über Eigen- und Selbstschutzeinrichtungen.”
    (die zarte Andeutung soll wohl heissen, dass die 27mm-Kanone des TORNADO bei gegnerischem Beschuss zur Notwehr eingesetzt werden darf);

    - “Die Verantwortung für die Drogenbekämpfung liegt bei der afghanischen Regierung”;
    (es gibt also keine Poppy-Fotos).

Der erweiterte Blick auf die Afghanistan-Politik ergibt:

  • U.S.-Präsident Bush hat nach dem NATO-Ministertreffen am 26. Januar im Parlament für die nächsten zwei Jahre zusätzlich

    - 8,6 Mrd. USD für die Ausrüstung der afghanischen Streitkräfte und
    - 2 Mrd. USD für zivile Aufbauhilfe beantragt.

    Die U.S.-Regierung beziffert ihre AFG-Hilfe seit 2001 auf 14,2 Mrd. USD:
    - 9 Mrd. USD für “security assistance”,
    - 5,2 Mrd. USD für Rekonstruktion, humanitäre und Regierungshilfe;
    - Die 3.200 Soldaten der “10th Mountain Division” müssen 3 Monate länger in AFG dienen;
     
  • Die EU und die EU-Staaten haben seit 2001 insgesamt 3,1 Mrd. EUR geleistet
    (lt. EU-Kommissarin Ferrero-Waldner, “Tagesspiegel”, 30. 1. 07);

    Für die nächsten vier Jahre will die EU 600 Mio. EUR bereitstellen, hauptsächlich für den Aufbau der Justiz;.
     
  • Der kalifornische Kongress-Abgeordnete (D) Tom Lantos, Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, ist etwas undiplomatisch:
    “... NATO has don so in a half-hearted, unsatisfactory, shabby fashion ...
    It is an outrage that this gigantic military alliance cannot provide the troops necessary to win this battle, which is an eminently winnable battle”:
    http://usinfo.state.gov/xarchives/display.html?p=washfile-english&y=2007&m=February &x=20070201132939idybeekcm0.5066797
     
  • Eher zufällig haben wir eine kleine Meldung der Nachrichtenagentur AFP vom 6. 2. 07 gefunden:

    Unter Führung des britischen Botschafters haben er und seine Kollegen aus den U.S.A., Kanada, Rumänien, den Niederlanden und Australien einen offenen Brief in “La Republica” plaziert: Die Botschafter bitten darin die Regierung Prodi, ihre Truppen (derzeit 1.950) nicht aus Afghanistan zurückzuziehen.

{Wird der Blick erweitert, ist man schon gescheiter(t)}

 

Kriegsbild AFG: Meinung

6. Februar 2007

Man könnte den Eindruck bekommen, dass dem post-modernen Deutschen die Bilder fehlen, um sich der Bedrohung zu stellen, die er allerdings nur bei internationalistischer Empathie wahrnehmen könnte. Die Frage eines Einsatzes von deutschen Aufklärungs-Tornados findet in einem Umfeld statt, in dem die NATO entweder einen “falschen” Krieg in Afghanistan führt oder man sich aus Angst lieber den Kragen weiss halten möchte.

Unumstössliche Grunddaten sind:

  • Am 31. Mai 2006 warnt Taliban-Führer Mullah Dadallah über “Al-Jazeera” alle Staaten, ihre Truppen aus Afghanistan zurückzuziehen. In vier Provinzen seien 12.000 Taliban-Krieger aktiv (Quelle hier);

    - Im November 2006 beziffert Taliban-Führer Mullah Sabir in einem Interview mit der Schweizer “Weltwoche” die Stärke der Taliban auf rund 15.000 Mann, von denen 40 % Jugendliche seien, “die sich uns aus Sympathie anschliessen”
    (Quelle hier);

    - Am 4. Januar 2007 meldet SPIEGEL Online, dass Mullah Omar der pakistanischen Zeitung “DAWN” gesagt habe, dass die ausländischen Truppen das land zu verlassen hätten;

    - SPIEGEL TV bringt auf RTL am 4. Februar 2007 den Terror-Propagandisten Musab ins Bild: “Deutschland muss sich aus Afghanistan zurückziehen”.
     
  • Im Pashtunen-freien Norden leisten 3.000 Bundeswehr-Soldaten einen guten Job. In der Toten-Statistik von www.icasualties.org/oef/ werden sie mit 18 Opfern beklagt. Von einigen der 26 Bündnispartner (und 10 weiteren Staaten), die (mehrheitlich) im Süden und Osten AFG stationiert sind, ist zu vermerken:
    - Kanada: 2.500 Soldaten, 44 Tote;
    - Frankreich: 1.000 Soldaten, 9 Tote;
    - Italien: 1.950 Soldaten, 9 Tote;
    - Niederlande: 2.200 Soldaten (!), 4 Tote;
    - Gross-Britannien: 5.200 Soldaten, 46 Tote;
    - U.S.A. (nur ISAF): 14.000 Soldaten, 357 Tote (OEF und ISAF).
     
  • Im Januar 2007 flog, hauptsächlich die U.S.-Luftwaffe, aber auch die britische RAF; Dänen fliegen die F-16 von Kandahar):
    - 870 Luft-Boden-Einsätze (durchschnittlich 28/Tag);
    - 248 Aufklärungs-/Überwachungs-Flüge (durchschnittlich 8/Tag) (eigene Auswertung von “Air Power Summary CENTAF auf
    www.af.mil ).
     
  • Aus den Nachrichten des vergangenen Wochenendes ist zu entnehmen:
    - Entgegen einer Absprache zwischen den örtlichen Bewohnern, den Taliban und den Briten besetzen die Taliban den Ort Mussa Qala (Helmand);
    - Der Taliban-Führer Mullah Ghafur wird durch einen Luftangriff auf sein Fahrzeug getötet;
    - U.S.-General McNeill übernimmt in Doppel-Funktion die Führung von OEF und ISAF.
     
  • Mehr als 4.000 Menschen fanden in 2006 den Tod.

Die Art, wie in Deutschland über den RECCE-Einsatz diskutiert wird, zeigt den “deutschen Weg” auf:

  • Während sich die NATO in Afghanistan im Krieg mit einem entschlossenen Gegner befindet, veranstaltet man hierzulande einen akrobatischen Eiertanz, um den Tornado-Einsatz doch noch in eine allseits beglückende Friedensmassnahme umzudeuten. Was wäre, wenn die NATO Deutschland aufgefordert hätte, einen Luftwaffenbeitrag für Luft/Boden-Einsätze zu leisten (den sie materiel gar nicht darstellen könnte)?
     
  • Man mag diese Debatte noch als einen quoten-bedingten Schlingerkurs entschuldigen. Verlängert man den Trend, schleicht sich die Einsicht in den Bündnis-Zerfall zu immer deutlicherer Klarheit. Für den Einen wird das verhängnisvoll erscheinen, der Andere beklatscht dies als willkommen.

{Watt den Eenen sin Uhl (Eule), is den Anderen sin Nachtigall}

 

Tornado-Debatte: 1 GERTZ

22. Januar 2007

Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Bernhard Gertz, hat sich mit einer beachtenswerten Argumentationskette zum Thema “Tornado/RECCE-Einsatz in Afghanistan” gemeldet, die den Nachvollzug lohnt. In seinem Interview mit “Deutschlandradio”
(
http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/583970/ )
plädiert er dafür, den Aufklärungsbeitrag deutscher TORNADOS davon abhängig zu machen, ob die ISAF-Alliierten die Führung ihrer Luftangriffs-Operationen in Afghanistan ändern. Gertz unterstellt dabei relativ unverhüllt, dass die NATO/ISAF-Luftnah-Unterstützung eben nicht “dreihundertprozentig” überprüft, ob eine “Hochzeitsgesellschaft” getroffen wird, und deshalb Deutschland mit einem RECCE-Beitrag in Mithaftung genommen und “bestraft” werden würde.

Wir unterstellen, dass nicht nur Oberst Gertz vom Kampfgeschehen im Osten und Süden Afghanistans hinreichende Ahnung hat:

  • Ein rares “Audio”-Zeugnis ist http://www.youtube.com/watch?v=qhjP-VQcyoU :
    Sean Langan zeigt als quasi “embedded journalist” den Einsatz des “Royal Irish Regiment” in der Region Garmser in der der Helmand Provinz. In 5x10 min erscheint die Wirklichkeit, die nach 5 bitteren Kampftagen in der Aufgabe endet;
     
  • Immerhin kann man von www.af.mil die täglichen “airpower summary” über Afghanistan (Süd und Ost) einsehen, die folgendes Bild ergeben:

    Anzahl der Luft/Nah-Unterstützungs-Flüge der NATO in Afghanistan:

    - Sept. 06: 1,294 (durchschnittlich 43/Tag)
    - Okt. 06:  1.213 (durchschnittlich 39/Tag)
    - Nov. 06: 1.213 (durchschnittlich 39/Tag)
    - Dez. 06: 1.118 (durchschnittlich 36/Tag)

    Geht man davon aus, das pro “mission” mehr als eine ungelenkte oder gelenkte Bombe abgeworfen wird, potenziert sich die Gertz’sche Wahrscheinlichkeit, dass eine “Hochzeitsgesellschaft” getroffen wird. Daraus logisch abzuleiten wäre, dass ein deutscher RECCE-Einsatz abzulehnen sei.

Sollte man empfehlen, dem Wortlaut des 1. Genfer Zusatzprotokolls von 1977 zu folgen, welches in “Teil IV, Zivilbevölkerung” in Artikel 50, Abs. 1 diktiert:
“Im Zweifelsfall gilt die betroffene Person als Zivilperson”.

Kein normal-bemittelter Mensch wird den “westlichen” Streitkräften auch nur einen Moment glauben, dass sie (in aller Regel) im Kampfeinsatz den Vorschriften des Kriegsvölkerrechts gemäss handeln (wollen), geschweige denn, dafür ausgemachte Vorschriften haben. Ein einziger “Fehler” reicht für den Beweis des Gegenteils. Die Streitkräfte sind allerdings zu blöd, ihre Kriegführung entsprechend zu dokumentieren.

{1 Gertz = 1 (heimlicher) Stammtisch}

 

ISAF: Kraft? (mit Nachtrag 9.12.06)

8. Dezember 2006

Während bezüglich Irak eine intensive Debatte darüber stattfindet, ob denn die U.S.-Truppenstärke angemessen sei, fehlen uns die entsprechenden Streit-Indikatoren hinsichtlich des NATO-Einsatzes in Afghanistan.

James T. Quinlivan, Mathematiker und Militär-Analyst der RAND Corp., hat 1995 erstmals in der Zeitschrift “Parameters” seine Berechnungen darüber veröffentlicht, welchen Umfang Stabilisierungs-Streitkräfte haben müssten; seine Aktualisierung findet man hier:
http://www.rand.org/publications/randreview/issues/summer2003/burden.html

Die Quinlivan-Formel für “erfolgreiche” Stabilisierungs-Einsätze ist einfach zu merken:
Pro 1.000 Einwohner benötigt man 20 Soldaten.

Mit dieser Formel haben die “konservativen” Militärs für den Irak 500.000 U.S.-Soldaten gefordert - und sind am Einspruch des zu dieser Zeit amtierenden Verteidigungsministers Donald Rumsfeld gescheitert (sicher nur, weil das U.S.-Militär diese Grössenordnung schlicht nicht darstellen konnte; mit dem Level von grob 130.000 U.S.-Soldaten im Irak waren die U.S.A. seit 2003 immer am äussersten Rand ihres gesamten Leistungsvermögens).

In Afghanistan mit seiner Bevölkerung von knapp 28 Mio. Einwohnern wären gemäss der Quinlivan-Rechnung rund 560.000 Stabilisierungs-Soldaten vonnöten - das ISAF-Kontingent verfügt derzeit aber nur über rund 32.000 Soldaten, 5,7 % der akademisch geforderten Summe ( falsch - statt 1 : 20 nur 1 : 1,14; richtig: statt der geforderten 20 Soldaten pro 1.000 Einwohner sind in Afghanistan nur 1,14 Soldaten pro 1.000 Bewohner verfügbar; Nachtrag 9.12.2006)

Selbst wenn man einen erheblichen Toleranz-Faktor einrechnen und eine spezifizierte Rechnung auf den Süden und Osten Afghanistans vornehmen würde, wäre mit Sicherheit immer noch ein erhebliches Missverhältnis festzustellen.

Würde man mit dieser Rechnung ein Untergangs-Szenar reklamieren wollen, wäre man wahrscheinlich blamiert. Andererseits steht mit dem ISAF-Einsatz ein konzeptionelles Konstrukt zur Debatte. Fehlende Truppenstärke wird durch Luftmacht (nein: subsummiert) kompensiert, die in ihrer Wirkung einen überdurchschnittlichen Anteil an “unterschiedslos wirksamer Tötung” hat, mit überproportionalem Durchschlag auf die (negative) Akzeptanz.

Was wäre, wenn am Ende die Erkenntnis stehen würde, dass die - in der klassischen militärischen Lage-Beurteilung - geforderten Grund-Parameter von “Raum - Zeit - und Kräften” angesichts der Erfordernisse noch nicht einmal annähernd erfüllt werden könnten?

{Raum und Zeit geht ja noch - aber was ist Kraft?}

 

Afghanistan-Krieg: Ahnung

24. November 2006

Leider haben wir bisher keine Quelle gefunden, die über den im Osten und Süden Afghanistans tobenden Kampf der NATO-Truppen (ISAF) gegen die (Neo-)Taliban genauer berichtet. Wenn man die ISAF-Site der NATO-Web-Adresse nutzt und die Pressemeldungen durcharbeitet, bekommt man einen annähernden Eindruck:
http://www2.hq.nato.int/ISAF/Update/media_press.htm

Den 15.000 Taliban (Mullah Sabir in “Weltwoche” 46.06), hauptsächlich Pashtunen, stehen im Osten und Süden rund 20.000 ISAF-Soldaten gegenüber (in Afghanistan insgesamt gibt es:
ca. 32.000 ISAF-Soldaten, 37.000 der Afghanischen Armee, 42.000 AFG-Polizisten, 8.000 vorwiegende amerikanische Soldaten (OEF): zusammen 119.000). Wichtiger Einzelaspekt ist, dass die NATO-Staaten ihre festen Zusagen der Streitkräfte-Gestellung für AFG erst zu 85 % erfüllt haben.

Aus den ISAF-Pressemeldungen entnehmen wir:

  • 22.11.: Die Zahl der täglichen Angriffe ist auf 10 gefallen;
    22.11.: 11 Gegner getötet (verwendet wird der Begriff “insurgents”);
    9.11.: 18 Gegner getötet;
    8. 11.: Die Niederländische Luftwaffe verlegt 6 F-16 wieder nach Kandahar;
    7.11.: 1 ISAF-Soldat getötet, 2 verletzt, durch Strassen-Bombe;
    30.10.: 1 ISAF-Soldat getötet;
    28.10.: Angriff von 100-150 Gegnern in Uruzgan;
    27.10.: 57 Gegner getötet;
    25.10.: 48 Gegner getötet, Kandahar;
    22.10.: 15 Gegner getötet, Zabul;
    20.10.: 5 Gegner durch Luftangriff getötet, Paktika;
    17.10.: 15-20 Gegner getötet, Paktika;
    17.10.: 10-15 Gegner getötet, Uruzgan;
    16.10.: 4 Gegner getötet;
    14.10.: 2 ISAF-Soldaten tot, 3 verwundet;
    13.10.: 8 Afghanen getötet, 1 ISAF-Soldat, Suizid-Anschlag;
    12.10.: 25 Gegener getötet, Uruzgan;
    9.10.: 52 Gegner getötet;
    7.10.: 1 ISAF-Soldat getötet;
    5.10.: ISAF übernimmt die östliche Region;
    3.10.: 1 ISAF-Soldat getötet, wahrscheinlich ein Zweiter, 8 verwundet, Kandahar.

Dazu sind die Meldungen zu vergleichen, die auf http://www.af.mil/news/ zu finden sind unter dem Stichwort: “CENTAF releases airpower summary for” (Datum). Diese fast täglichen Meldungen zeigen, dass vor allem die U.S. und die UK-Luftwaffe derzeit 42 bis 50 Luft-Boden-Einsätze pro Tag für ISAF und OEF fliegt (zum Vergleich: für die NATO Response Force (NRF) sind täglich 200 Luftwaffen-Einsätze für einen symetrischen Krieg geplant).

Übersetzt man die täglich rund 50 Luft-Boden-Einsätze in Bordmunition, Raketen, ungelenkte Bomben und Präzisions-Munition, ergibt sich eine wesentlich heftigere Kriegsführung, als die täglichen ISAF-Pressemitteilungen der NATO-Website erahnen lassen. Wenn diese intensive Luftkriegführung der direkten “Not”-Hilfe für die ISAF-Bodentruppen entspringt, lässt das den Rückschluss auf einen erheblichen Mangel an Bodentruppen zu. Andererseits ist die Schlussfolgerung naheliegend, ein wie auch immer zu bezifferndes Mass an sog. “zivilen Nebenschäden” zu rechnen. Die Zahl dieser zivilen Opfer wird aber sicherlich von den Afghanen vor Ort wegen des schnellen (und wirksamen) Mundfunks verbreitet.

{Nein, das wird in Riga nicht diskutiert}

 

Meinung: Töten lernen?

20. November 2006

Mit dem SPIEGEL-Titel von heute - “Die Deutschen müssen das Töten lernen” - ist ein Zwischenhoch erreicht, welches Gefühlswendungen in der sicherheitspolitischen Seele der Deutschen noch verstärken könnte. Die Gefechtslage im Meinungskrieg ist ziemlich klar:

  • Die deutsche Meinung ist mit mehr als 80 % (siehe SPIEGEL) dagegen, deutsche Soldaten in das östliche und südliche Kampfgebiet Afghanistans zu entsenden. Die “besten” Argumente lieferte der ehemalige Verteidigungsminister und jetzige Fraktionsvorsitzende der SPD, Peter Struck in einem Interview mit “Deutschlandradio” am 16. 11. 2006 ( www.dradio.de ):
    - “Der Süden (AFG) ist aber vom Bundestagsmandat insgesamt ausgenommen”
    (Diese “kühne” Behauptung mögen wir erst gar nicht nachprüfen);
    - “Ich glaube die jetzige Situation, das heißt die Gefährdungssituation im Süden und die relative ruhige Lage im Norden, wird schon viele veranlassen, über dieses Konzept der Amerikaner neu nachzudenken.”
    (entcodiert heisst das: Wenn diese ***-schiesswütigen Amis nur das kluge und friedensstiftende Konzept der Deutschen übernehmen würden ... selber schuld; wie heissen die Kerle - Pashtunen???; wer ist Mahmud?);
     
  • Eine deutliche Gegenposition vertritt Gero von Randow auf ZEIT-Online; Überschrift: “Deutsche Weicheier?”:
    http://www.zeit.de/online/2006/47/Afghanistan-Bundeswehr

Als unbestritten sollte gelten, dass das Votum, die eigenen Soldaten in Tod und Verwundung zu schicken, die ernsthafteste Angelegenheit ist; sie findet statt an der Nahtstelle zwischen nationalem Wesen und persönlicher Getroffenheit.

Wenigstens sollte dabei ein hinreichendes Mass an Ehrlichkeit gegeben sein: Die Bundesregierung fürchtet rein innenpolitische Umfragedämpfer, ignoriert die Folgen aussenpolitischer Gesetze. Schaut man auf die Meta-Ebene, dann ist die Litanei leicht hergesagt: Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität. Wenn man an Herbert Wehners Bemerkung zum Thema Solidarität denkt (Solidarität ist nicht, eine Hand wäscht die andere), dann wäre schon klar, in welche Richtung der Vorgang steuert.

Geradezu abenteuerlich wäre es in dieser Lage, in Deutschland die Frage nach der “Seele” der Streitkräfte zu stellen. Hilflos und brav schaut sie auf das politische Primat und sieht ihre Werte von Kameradschaft und Solidarität in der Regel verratzt. Nichts ist schmerzhafter als der Blick in die Augen des sterbenden Kameraden.

Jetzt ist aber genug mit der “Frontberichterstattung”; das Leben in der Etappe war schon immer ganz angenehm.

{Wer sich der Seele nähert, wird einfach abgemähert}

 

Taliban-Kodex: sollte

20. November 2006

Die schweizerische “Weltwoche” bietet ein 5-seitiges Interview mit dem Taliban-Führer Mullah Sabir, das man ganz bestimmt gelesen haben muss:
http://www.weltwoche.ch/artikel/?AssetID=15361&CategoryID=66

Als Dreingabe erhält man dort noch das 10-seitige Regelbuch der Taliban-Krieger, dass vor allem das Bemühen zeigt, die eigene Truppe zu disziplinieren und für die NGO’s nichts gutes bedeutet:
http://www.weltwoche.ch/artikel/default.asp?AssetID=15351&CategoryID=91

Wer schwarzen Humor mag, wird nur die Ziff. 18 schätzen.

{Etwas ist immer gut}

 

Afghanistan Compact: unknown

15. November 2006

Zeitweise sollte man die Internet-Adresse www.ands.gov.af aufsuchen. Dort ist gerade eine offizielle Report-Serie über die im letzten Halbjahr erreichten Ziele des “Afghanistan Compact” (Londoner Afghanistan-Konferenz vom 31.1/1.2. 2006) veröffentlicht worden.

Das interessanteste Dokument ist der 176seitige “Benchmark Status Report”:
http://www.ands.gov.af/ands/jcmb/src/jcmb3/eng/3%20-%20Benchmark%20Status%20Report %20-%20English.pdf

Würden die Staats- und Regierungschefs zum NATO-Gipfel in Riga Ende diesen Monats ihren Verteidigungsministern nur die Lektüre der Seiten 1 - 8 befehlen, könnte das Rigaer Zentral-Thema Afghanistan nützlich bearbeitet werden:

  • Die “Afghanistan National Army” (ANA) ist hinsichtlich ihrer Ausrüstung quantitativ und qualitativ “unterminiert”.
    (Hat denn die Bundeswehr in ihren grossen Vorratslagern gar nichts mehr? Wahrscheinlich schon, nur ist für den Transport kein Geld vorhanden);
     
  • Zum Jahresende 2006 wird die ANA rund 43.000 Soldaten haben. Die End-Stärke von 70.000 soll im März 2011 erreicht werden.
    (D.H., dass der Aufbau dieser Armee rund 10 Jahre gedauert hat - für die Herstellung von Sicherheit als Voraussetzung von “Nation-Building” viel zu lang);
     
  • Die finanziellen Ressourcen, um die ANA zu trainieren, bewaffnen und durchhaltefähig zu gestalten, sind “unknown”;
     
  • Das afghanische Innenministerium hat über den Sachstand bei der “Afghan National- and Border Police” (ANP, ANB; Ziel: 62.000) keinen Bericht abgeliefert. Auch hier ist das notwendige Budget “unknown”.
    (Dazu muss man auf
    www.bmi.bund.de vom 23. Okt. 06 lesen, wie sehr sich Innenminister Schäuble mit den 40 (!) PolizistenInnen aus Deutschland feiert, als Führungsnation in Sachen Polizeiaufbau seit März 2002 “einen entscheidenden Beitrag” ausgerichtet zu haben);

Lt. London-”Compact” sollen bis zum 20. März 2008 alle illegal bewaffneten Gruppen in allen Provinzen aufgelöst werden; am 30. September 2006 bestanden noch 5.557 (!) davon. Zwischen Januar und August 06 hat man 46 Angriffe gegen Regierungsmitarbeiter und 118 gegen Zivilpersonen ge(ver)zählt.

Immerhin ist der Benchmark Report besser als garnichts. Zu gern wüssten wir, ob es vergleichbares über das Nation-Building im Kosovo gibt (wir gratulieren ARTE zu ihrem vor einigen Tagen gezeigten Film über die “Nation-Building”-Fähigkeiten der U.N. und der Europäer dort. Wer dies als grosse Kunst feiert, müsste ... Andererseits sollte man an unser “Nation-Building” denken, die Wiedervereinigung. Wieviel Milliarden sind in ganz friedlichen 16 Jahren geflossen - und welche Zufriedenheits-Werte hat alles erzeugt?

{Gewaltbereitschaft ist ein Fun-Arbeitsplatz für junge Wilde incl. Paradies}

 

ISAF OPLAN: prekär

17. Oktober 2006

Wenn man sich mit dem NATO-Einsatz in Afghanistan beschäftigt, sollte die Lektüre des
“Operationsplan SACEUR 10302 ISAF” vom Dezember 2005 dazugehören, denn der vom “Supreme Headquarters Allied Powers Europe” (SHAPE) verfasste OPLAN (9 S. plus 7 Anlagen mit 16 S.) ist die zentrale Weisung für die Streitkräfte der NATO in Afghanistan. Aus dem absolut “politisch korrekt” geschriebenen Dokument entnehmen wir unsere Markierungen:

  • Im ersten Abschnitt, der Feststellung der “Lage”, wird für die “International Security Assistance Force” (ISAF) unter dem Stichwort “Politische Auflagen” festgestellt:
    “Von den Kräften der ISAF oder unter dem Kommando der ISAF werden keine Aktionen zur Bekämpfung des Terrorismus durchgeführt.”
    (Wer ist eigentlich Terrorist?)
     
  • “Der JFC (Joint Force Coammander) ist nicht befugt, gemeinsame Operationen mit den Koalitionskräften durchzuführen. Allerdings darf der JFC im Notfall solche Operationen der Koalitionskräfte unterstützen, die unter gesondertem Mandat der afghanischen Regierung durchgeführt werden. Dazu können Einsätze gehören, durch die Tod, Verwundung oder Gefangennahme von Soldaten der Koalition oder von sie unterstützenden Angehörigen der ANA/ANP (Afgh. Streitkräfte/Polizei) verhindert oder diese Soldaten aus Gefahrensituationen gerettet werden.”
    (Bei entsprechenden Vorkommnissen sollten die Medien immer beim JFC in Brunssum anrufen; der deutsche Presseoffizier dort hat die Tel.-Nr. 0031 45-526-2840).
     
  • “Die Kette der militärischen Hierarchie verläuft vom SACEUR (Supreme Allied Commander Europe) über den COMJFC Brunssum in seiner Funktion als JFC bis hin zum COMISAF. Der JFC als Oberbefehlshaber ist verantwortlich für Leitung und Kontinuität der Einsätze.”
     
  • Im Anhang C (“Militärische Kernaufgaben und zentrale Unterstützungsaufgaben”) ist die “Unterstützung von Programmen der afghanischen Regierung zur Entwaffnung illegal bewaffneter Gruppen” als Kernaufgabe genannt.
    (Sind das die Terroristen?)

    Zu den den ”Zentrale(n) Unterstützungsaufgaben” zählt:
    “Unterstützung der afghanischen Regierung bei der Drogenbekämpfung”;
    “Auf Anforderung im absoluten Notfall Unterstützung von Operationen zur Terrorismusbekämpfung, die von den Koalitionskräften in Unterstützung der afghanischen Regierung durchgeführt werden”.

Dem ISAF-OPLAN ist auch die Anlage “Hinweise zur Drogenbekämpfung” beigefügt, die zitatwürdig ist:

  • “”Auf die Abriegelung und Zerstörung der Anbauflächen spezialisierte afghanische Einheiten und die dem Innenministerium unterstehende Drogenpolizei erfüllen Aufgaben im direkten Einsatz zur Drogenbekämpfung. Die Erfahrung zeigt jedoch, dass der Erfolg der Drogenbekämpfung insgesamt ebenso von der Schaffung einer soliden Regierungsführung auf lokaler Ebene, einem sicheren Umfeld, in dem Recht und Ordnung herrschen, sowie einem nachweislichen Engagement der internationalen Gemeinschaft abhängt.”
    “Es ist nicht Aufgabe der ISAF, die Mohn-Anbauflächen zu vernichten.”

Den wahrscheinlich zu mehr als 90 % im Prekariat lebenden Afghanen wird der ISAF-Auftrag sicher schwer zu vermitteln sein. Wenn nur 1 Prozent des 28-Millionen-Volkes die subtilen Differenzierungen der hehren Assistenz-Bemühungen der ISAF zur inneren Sicherheitspolitik der afghanischen Regierung missversteht und Gewaltbereitschaft entwickelt, hat man es gleich mit 280.000 “Widerstandskämpfern” zu tun. Wenn dann tatsächlich “nur” 10.000 Taliban (oder auch 50.000) in den Krieg gegen die ISAF ziehen, ist die Lage in Afghanistan “etwas unruhig, aber eigentlich stabil”.

{Die Lage ist besch*****, aber die Beurteilung ist besser}

 

Waziristan: Hoffnung

11. Oktober 2006

Wer sich für die Gründe der Entwicklung im Süden und Osten Afghanistans in den letzten Monaten interessiert, darf die Lektüre der 7-Seiten-Studie “Frieden in Waziristan” von Christian Wagner und Citha D. Maaß von der “Stiftung Wissenschaft und Politik” nicht unterlassen:
http://www.swp-berlin.org/de/common/get_document.php?id=1843

Aus dem “Ausblick” (S. 7) picken wir uns die “Kirsche” heraus:
“Der internationalen Gemeinschaft bleibt angesichts dieser Entwicklung wenig mehr als das Prinzip Hoffnung.”

{Hoffnung ist eines der drei wichtigsten Prinzipien}

 

SENLIS/AFG: Weckruf

6. Oktober 2006

Wenn die Afghanistan-Expertin der “Stiftung Wissenschaft und Politik”, Citha D. Maaß, den westlichen Regierungen nur noch ein Jahr Zeit gibt für die Stabilisierung Afghanistans, und die NATO mit der gerade übernommenen Verantwortung für ganz Afghanistan eine Niederlage als Todesstoss für ihr Image fürchtet, sollten sich die Verantwortlichen beeilen, die Studie des Think Tanks SENLIS nicht nur zu lesen:
http://www.senliscouncil.net/modules/publications/014_publication (Vorsicht, reichlich MB)

Als Stoff zum Nachdenken reicht die Lektüre der drei Empfehlungen von SENLIS (S. xxi f.):

  1. “Make emergency poverty relief a top priority”;
  2. “A complete overhaul of failed counter-narcotics strategies”;
  3. “Military strategies must take a back-seat and provide support to development interventions”.

Dass die NATO via ISAF die Hungerhilfe vor allem im Süden des Landes drastisch verstärkt, sollte eigentlich selbstverständlich sein.

Zur Frage des puren Abflämmens von Mohnfeldern sollten die NATO-Regierungen unverzüglich eine politische Einigung herbeiführen, die diesem Unsinn ein Ende bereitet (die Deutschen fanden den Morgenthau-Plan auch nicht lustig). Den SENLIS-Vorschlag, den Mohnanbau staatlich zu lizensieren, sollte man durchdenken und -rechnen (was würde das “Vorkaufsrecht” der afghanischen Regierung kosten?). Ansonsten sollte man argumentieren, dass die Mohn-Nutzer-Staaten das Problem gefälligst bei sich zu Hause lösen müssen. Wer noch drastischeren Nachhilfe-Unterricht braucht, sollte zu einem “Body-Count”-Vergleich zwischen “westlichen” Drogen- und AFG-Toten angehalten werden. Und/oder man befiehlt Militär-Einsätze an den bekannten(?) “Choke-Points” der Handelswege.

Ob die politische NATO-Bürokratie den Weckruf hört und auch zügig aufsteht, mag bezweifelt werden. Bei der Marine gilt:

{Ein Jeder weckt den Nebenmann, der Letzte stösst sich selber an}

 

Kriegsbericht: GEOmetrie

29. September 2006

Wenn der deutsche Botschafter in Afghanistan, Hans-Ulrich Seidt, in der BILD zitiert wird, dass der Süden von Afghanistan von den NATO-Soldaten militärisch nicht zu gewinnen sei, sollte man das zumindest mit einem Fragezeichen versehen. Dies gilt auch, wenn man die Berichte über die Aussagen des britischen Majors James Loden liest.

Sicher ist, dass die NATO-Staaten ihre Zusagen für die Truppen-Gestellung in Afghanistan erst zu 85 % erfüllt haben, und dass die Kämpfe gegen die Taliban sich massiv verstärkt haben. Ob die Pashtunen-Krieger dabei gewinnen, muss hinterfragt werden. Wenn man die Berichte über die Luftwaffen-Einsätze der U.S. Air Force (USAF) und der Royal Air Force (RAF), die täglich auf www.af.mil veröffentlicht werden, lernt man: In den südlichen Provinzen Helmand, Orugan, Ghazni und Paktika fliegen sie täglich rund 40 Luft-Boden-Einsätze (close airsupport). Dabei wird auch die Kritik von Major Loden an der RAF verständlich. Während die USAF hauptsächlich Präzisionsmunition verschiesst, ist bei der RAF (Harrier) überwiegend von 500 Pfund schweren “general purpose bombs” die Rede.

Aus den Einzelheiten ergibt sich, dass die Taliban ihren Kampfesvorteil, nicht massiert aufzutreten, augenscheinlich aufgeben und ihre Kräfte massieren. Wenn sie also symetrisch gegen die ISAF und die U.S-Streitkräfte antreten, müssen sie aufgrund der absoluten Luftherrschaft des Gegners massive Verlust erleiden (wir haben die gestrigen Berichte über Aussagen des neuen AlQaida-Chefs im Irak im Kopf, der die Zahl 4.000 genannt hat. (Nachtrag 6.10.2006: Nein, mit den 4.000 waren AlQaida-Tote gemeint. Zur Frage der Taliban-Toten haben wir zuletzt die Zahl 2.000 für das erste Halbjahr 2006 gelesen). Zu fragen ist, ob es bei den Taliban eine unendliche Leidensfähigkeit gibt.

Zum Thema ist vor allem die Meldung der Nachrichtenagentur AP vom 27. September 06 zu addieren (“Afghan Attacks Triple Since Truce”). AP berichtet von dem am 25. Juni abgeschlossenen Waffenstillstand zwischen den paktistanischen Streitkräften und den Taliban; seitdem hätten sich die Angriffe in Afghanistan verdreifacht. Leider wissen wir nicht, wer diesen Waffenstillstand nach dem 25. Juni wann mitbekommen hat.

{Asymetrie ist auch GEOmetrie}

 

ISAF (D): Augenblick

22. September 2006

Zur “Erhöhung des Schutzes, der Durchhaltefähigkeit sowie der Effektivität” des deutschen Einsatzkontingentes der “International Security Assistance Force” (ISAF) in Afghanistan hat der Führungsstab Streitkräfte (Fü S) des Verteidigungsministeriums am 15. Sept. 06 eine Weisung erlassen, die einer kleinen Mobilmachung entspricht.

Der Schutz und die “Handlungsmöglichkeiten der verantwortlichen Führer im ISAF-Einsatz” ist “weiter zu verbessern”:

  • “Zuführung zusätzlicher geschützter Fahrzeuge ...”;
     
  • “Verstärkung der Aufklärungs-, Auswerte- und Planungskapazitäten ...”;
     
  • schnellstmögliche Erzielung von C-RAM Fähigkeiten für den Nächstbereichsschutz” (C-RAM = Counter Rockets, Artillery, Mortars);
     
  • “Anpassung der militärischen Fähigkeiten in der PRT-Struktur”;
     
  • “rasche Auswertung und Umsetzung aller C-IED-Massnahmen” (Counter Improvised Explosive Devices);
     
  • Erhöhung des verfügbaren .. Flugstundenkontingentes CH-53 GS”;
     
  • “weitere Massnahmen zur stabileren Versorgbarkeit des PRT (Stützpunktes) Feyzabat”;
     
  • “Bereitstellung einer ‘gepanzerten Reserve’ (Schützenpanzer MARDER 1A5) in Mazar-e-Sharif”;
     
  • “Erhöhung der Handlungsfreiheit der Führer vor Ort”. (Sie sollen aktiv gegen “gewaltbereite Kräfte” vorgehen; in Ziff. 7 des Fü S-Erlasses wird unter dem Titel “Rechtliche Rahmenbedingungen” daran erinnert, dass der Einsatz militärischer Gewalt durch das U.N.-Mandat bereits dann abgedeckt ist, “wenn ein Angriff unmittelbar bevorsteht”.

Der Fü S-Erlass weist danach alle verantwortlichen Bereiche der Streitkräfte mit konkreten Massnahmen an. Sie werden mit zusätzlichen Kosten von 4 Mio. EUR in 2006 und 22 Mio. EUR in 2007 veranschlagt und sind natürlich im laufenden Haushalt “zu erwirtschaften”.

Der “Weckruf” des Verteidigungsministerium hat allein deshalb grossen Wert, weil er die Kräfte im militärischen Apparat stärkt, die seit langem eine ernsthaftere Befassung des  Eskalationspotenzials anraten, dem die deutschen ISAF-Kräfte ausgesetzt sein könnten. Einige Fü S-Empfehlungen, wie z.B. die Zuführung gepanzerter Fahrzeuge, die C-RAM- und C-IED-Massnahmen, würden u.E. bei genauerer Betrachtung aber zeigen, dass die ISAF-Truppe viel Geduld (mindestens bis 2008) haben muss, bevor eine deutlich sichtbare Umsetzung erfolgt.

Dass Massnahmen auch witzig sein können, zeigt die “Marder”-Stationierung. Die Schützenpanzer sollen nur aus dem Inneren des Lagers eingesetzt werden dürfen. Hinderlich dabei ist allerdings die drei Meter hohe Schutzmauer, die das Lager umgibt. Abhilfe könnte eine wenigstens drei Meter hohe Aufschüttung ergeben, von der die Marder-Schützen wieder über den eigenen Zaun blicken können.

{Blicke sind immer Augenblicke}

 

Afghanistan: Bewährung

7. Juli 2006

Am 31. Mai 2006 hat der so designierte “Befehlshaber” der Taliban in Afghanistan, Mullah Dadallah, dem arabischen TV-Sender “Al-Jazeera” ein Interview gegeben, welches u.E. wegweisend ist:
http://www.memri.de/uebersetzungen_analysen/2006_02_AMJ/taliban_02_06_06.html

Es mag sein, dass seine Angabe, dass in vier Provinzen Afghanistans 12.000 Taliban-Kämpfer den Krieg suchen, etwas übertrieben ist. Wesentlich für die Beurteilung der Lage dürfte allerdings sein, dass das Kriegsgeschehen etwa in diesen Grössenordnungen stattfindet. Und der zweite strategische Orientierungspunkt ist, dass Mullah Dadallah allen in Afghanistan stationierten Truppen den Abzug rät.

In Deutschland haben die sensitiven Beobachter den Wandel längst bemerkt. Ein Beispiel ist der Bundestags-Abgeordnete der GRÜNEN, Winfried Nachtwei. Er hat gerade ein 4-seitiges Papier mit dem Titel “Dringende Fragen - Afghanistan auf der Kippe” verfasst, welches sicher bald auf seiner Website www.nachtwei.de abgeladen werden kann.

Wie diffizil MdB Winfried Nachtwei (als Referenz-Modell) zu argumentieren vermag, zeigt sich im Vergleich:

  • In seinem “Kippe-Papier” keilt er gegen den Populisten Oskar Lafontaine, der für den Abzug plädiert (der hält das Ganze sowieso für völkerrechtswidrig).
     
  • Andererseits ist auf Nachtwei’s Internet-Site sein Interview mit der HNA (Hessisch/Niedersächsische Allgemeine) zu finden, die naheliegend titelt: “Rückzug ist eine Option”:
    http://www.hna.de/politikstart/00_20060704182200_Rueckzug_ist_eine_Option.html

Wenn im Krieg der “Rückzug als Option” bejaht wird, ist der Anreiz beim Gegner geradezu herausgefordert, ihn herbeizuführen. Das “gegnerische” Modell wäre, zu signalisieren, dass man gegen die 12.000 Taliban-Kämpfer “tapfer” antreten will (jenseits allen Geschwätzes über die “Hearts and Minds”-Strategie, die die Zahlen-Relationen schlicht ignoriert).

Wer sich in diese Niederungen der Wirklichkeit des Krieges herablassen mag, wird sich die (vorläufige) 241-seitige Heeresdienstvorschrift der U.S.-Streitkräfte für die “Counterinsurgency”-Kriegsführung abladen, die dank Steven Aftergood’s phänomenaler “Secrecy News” bei der “Federation of American Scientists” zu finden ist:
http://www.fas.org/irp/doddir/army/fm3-24fd.pdf

Der fahneschwenkenden Republik steht noch bevor, ob sie sich mann(frau)haft gegen die 12.000-starke Taliban-Krieger stellt - trotz allen (berechtigten) Gemähres über die marode Gesamt-Situation in Afghanistan.

{Fersengeld ist eine besondere (Be)Währung}

 

Nation-Building: PRTs

18. November 2005

Das deutsche Denkpanzer-Flaggschiff “Stiftung Wissenschaft und Politik” ( www.swp-berlin.org ) hat sich wieder einmal um die Sicherheits-Bildung verdient gemacht: Michael Schmunk, in Diensten des Auswärtigen Amtes, hat nach seiner 2-jährigen “Residence” an der SWP die 38-Seiten-Studie
“Die deutschen Provincial Reconstruction Teams - Ein neues Instrument zum Nation-Building”
vorgelegt.

Zunächst erfährt man alles notwendige über die Entstehung, den Auftrag, die Struktur und Funktionsweise der deutschen Rekonstuktions-Teams (PRT) im Norden Afghanistans. Wesentlich dabei sind die “technischen” Einzelheiten:

  • Der deutsche Verantwortungsbereich erstreckt auf Provinzen, die so gross sind wie Bayern und Schleswig-Holstein zusammengenommen;
     
  • Während andere Nationen ihre PRTs mit Umfängen von 100 bis 200 Soldaten bestücken, sind die Deutschen im PRT Kunduz mit 300 deutschen und 120 Soldaten aus 10 Partnerstaaten vertreten. Der Unterschied ergibt sich u.a. aus dem fürsorglichen Soldaten-Gesetz: Sanität, Logistik und TÜV-Vorschriften wie im Heimatland;
     
  • Die zivile Komponente ist mit 15 Beamten aus dem Auswärtigen Amt, dem Innenministerium und Partner-Regierungen auf dem PRT-Campus vertreten. Der Vertreter des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit ist in einer “gesonderten Liegenschaft” untergebracht - auf eigenen Wunsch;
     
  • Die Soldaten sollen für ein “sicheres Umfeld” sorgen, “nicht jedoch an Kampfhandlungen (mitwirken), und auch keine Präsenz zeigen, die an militärische Besatzung erinnern würde”.
    “Eigene Polizeibefugnisse haben die PRT-Soldaten ausdrücklich nicht. Hoheitlich dürfen nur die einheimischen Sciherheitskräfte handeln - die PRT-Kräfte können sich deren Aktionen nur anschliessen, wie das mit Erfolg in Kabul praktiziert wird”.

Mit diesen Daten im Hinterkopf liest sich das Kapitel “PRTs in der Kritik” voller Wonne, vor allem hinsichtlich des Stichwortes “Schlafmohn”. Wer auf die Idee kommt, den Drogenanbau in der Fläche mit dem PRT-Kräfteansatz angehen zu wollen, beherrscht sicher nicht die vier Grundrechenarten.

Man sollte sich fragen, ob es einen mit Daten und Fakten versehenen, und priorisierten Nation-Building-Katalog gibt. U.E. ist es trivial, den Aufbau von Sicherheitskräften an die 1. Stelle zu setzen. Je mehr man gegen diesen strategischen Grundsatz verstösst, desto länger wird man in dem jeweiligen Land schlechter, und vor allem teuerer Soldat und Polizist sein.

Gerade in Hinsicht auf die Führungsrolle Deutschland beim Aufbau der afghanischen Polizei findet man in der Schmunk-Studie wenig berückendes. Der Autor

  • fordert, die Aufstockung der 12,5 Mio. EUR zu überlegen,
  • thematisiert in der Anmerkung 106 amerikanische Kritik am deutschen Beitrag für den Aufbau der afghanischen Polizei,
  • weist in Anmerkung 55 u.a. daraufhin, dass für den Auslandseinsatz der Bundespolizei eine gesetzliche Grundlage geschaffen werden müsste.

Wir suchen noch immer nach dem Patentrezept, wie man mit top-down und bottom-up ordentliche Soße rührt.

{Kräfte in Raum und Zeit - sind meinem Willen breit}

 

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