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Aussenpolitische Konzepte

 

 

D/Aussen-Strategie: allein

11. November 2009

Muss man über die aussen/sicherheitspolitische Strategie der deutschen Bundesregierung diskutieren? U.E. JA, denn seit längerem wird von den Experten vermutet, dass nach unserer Bundestagswahl die von den U.S.-Strategen gewährte “Schonfrist” ablaufe. Es gibt genügend sachkundige deutsche Insider, die berichten, dass die U.S.-Community parteiübergreifend von den Deutschen mindestens gelangweilt ist, eher **** ** ist.

Von den sog. Transatlantikern wird eine relativ massive Kehrtwende gefordert. Bezeichnendes Beispiel ist der Aufsatz von Josef Braml zum Thema “Share of Global Responsibility”:
http://atlantic-community.org/index/articles/view/Germany%27s_Grace_Period_is_Over

Man muss zunächst fragen, welches aussen/sicherheitspolitische Gewicht Deutschland derzeit hat, und woraus es sich speist. Gemessen an den nationalen Kenngrössen (BIP, Nucs, EU) ist, bei entsprechend anderseitiger Relativierung (BRIC), die Bedeutung Deutschland erstaunlich gross (53 % der Deutschen wollen von Aussen/Sicherheitspolitik sowieso nichts wissen).

Nur bei konkreten Fragen wie Afghanistan sacken wir z.B. im Vergleich zu den Niederlanden, Kanada und UK massiv ab. Wir sind zwar 3.grösster Truppensteller und verantwortlich für den Norden AFG, sind aber nicht in der Lage, wenigstens im Umkreis von 10 km um Kunduz Sicherheit herzustellen, und nun die U.S.-Streitkräfte diese “Drecksarbeit” übernehmen.

Ist zu empfehlen, dass das Trio Merkel, Westerwelle und Guttenberg in diesem (einzigen?) kritischen Punkt die Lasten so schultert, wie es rechnerisch geboten ist? Ist angesichts der Resourcenlage zu erwarten, dass das eine realistische Handlungsmöglichkeit wäre?
(alles spricht dagegen).

Einzig die (auch wankenden) Briten stehen in AFG noch halbwegs zur Sache. Alle anderen Tapferen haben ihre Abzugspläne oder schlagen sich sonstwie in die Büsche; es wird an den Amis hängen bleiben.

Der so nette U.S.-Präsident Obama wird sein Image gar nicht wechseln wollen. Wieso sollte er plötzlich auf der im Febr. (?) 2010 stattfindenden AFG-Konferenz als der markige Befehlshaber auftreten, der seine willigen Koalitionäre zu haushalterisch unmöglichen Kraftanstrengungen verdonnert?

{Amis - allein zu Haus}

 

Lesen/Schreiben: bitte

6. November 2009

Zum (wahrscheinlich) wohlverdienten Wochenende sollte man sich leichte Literatur mitnehmen, um sie ordentlich einzuspeisen:

Zu einem ganz anderen Thema habe wir eine Bitte um Hilfe:

  • Der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung spricht davon, dass die Kernfähigkeit für unbemannte Flugzeuge (UAV) geschaffen werden muss;
     
  • Die EADS wird zu Beginn 2010 mit ihrem Projekt TALARION die Vertragsunterschrift dazu einfordern;
     
  • Zum kommenden Montag (9.11.) wollen wir eine Einschätzung über TALARION schreiben. Über einen Vergleich der Grunddaten (Länge, Spannweite, Schub/Gewichtsverhältnis, Payload etc.) zum U.S.-Modell PREDATOR C (AVENGER) wollen wir ermitteln, ob TALARION auf der Höhe der Zeit sein kann.

    Helfen Sie uns ?! Zauberwort?:

{bitte}

 

EU/U.S.-Beziehungen: näher?

3. November 2009

Wenn es einen Dauerbrenner der sicherheitspolitischen Debatte gibt, dann ist es der über die transatlantischen Beziehungen. Was Jeremy Shapiro und Nick Witney für das “European Council on Foreign Relations” aufgeschrieben haben - passend zum heutigen EU/US-Gipfel -, ist ganz sicher die volle Aufmerksamkeit und gebührende Anerkennung wert:
http://www.ecfr.eu/content/entry/towards_a_post-american_europe_a_power_audit_of_eu-us _relations_shapiro_whi

Liebend gern unterschreiben wir die Forderungen der Autoren, aber ihre Voraussetzung, dass dazu ein “cultural shift” in Europa stattfinden muss, macht uns skeptisch:

  • “Die” Europäer fühlen sich gegenüber “den” “Amis” eher “haushoch” überlegen;
     
  • Wie verbreitet ist die Meinung in Europa, dass die U.S.-Politik die grössten Katastrophen generiert (z.B. sicherheits-, finanz-, umweltpolitisch)?
     
  • Wieviel Demut und Selbstkritik verlangen Shapiro/Witney von den Europäern mit ihren u.E. richtigen Beschreibung europäischer Schwächen?
     
  • Wieviele der grob 500 Millionen EU-Bürger merken eigentlich, dass ihre 27 Nationen immer nationalistischer, statt intra-europäischer werden? Und kämpfen dagegen?
     
  • Der Blick auf die “grossen” Player in der EU stimmt auch nicht hoffnungsfroher. Sind Merkel, Sarkozy, Brown oder Berlusconi Visionäre der europäischen Kraftentfaltung? Würde nicht jeder von ihnen krabitzig, sollte sich jemand dazu aufschwingen wollen?
     
  • U.S.-Amerikaner sind sich in der Verpflichtung einig, eine Welt-Ordnungsrolle spielen zu wollen (müssen). Den Europäern geht diese Einsicht weitgehend ab.

Politik ist ja überwiegend Dorf politik. Aber unser Dorf befindet sich irgendwie auch auf dem Globus (eben das “globale Dorf”).

{Kommen die “Nächsten” immer näher?}

 

Lern-Flut: redense nich

14. Oktober 2005

Was den Lernstoff für angehende Lehnstuhl-Strategen angeht, waren wir nachlässig. Deshalb heute “Druckbetankung”:

  • Die ehrwürdige “Stiftung Wissenschaft und Politik” glänzt mit zwei tollen Arbeiten:

    - Margarete Klein dampft auf 34 S. den militärischen Grossmachtanspruch Russlands in die Wirklichkeit zusammen:
    http://swp-berlin.org/common/get_document.php?asset_id=6394

    - Volker Heise bietet 40 S. demjenigen, der zur ESVP (Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik) alles, was er schon immer wissen wollte, aber sich nie zu fragen getraut hat:
    http://www.swp-berlin.org/common/get_document.php?asset_id=6396
     
  • Wer sich dem Hype-Thema “Cyberwar” noch nicht so recht nähern wollte, sollte sich die 238-seitige RAND-Studie von Martin C. Libicki unbedingt ins Regal stellen:
    http://www.rand.org/pubs/monographs/2009/RAND_MG877.pdf
     
  • Wer immer noch nicht so genau weiss, welche “Guiding Principles for Stabilization and Reconstruction” angewandt werden sollten, wird vielleicht in den 244 Seiten des “United Institute of Peace” und dem “United States Army Peacekeeping and Stability Operations Institute” etwas finden:
    http://www.usip.org/files/resources/guiding_principles_full.pdf
     
  • Wenn die AFG-geplagte Bundesregierung nur ein Fünkchen Verstand hätte, würde sie den scheidenden Bundestagsabgeordneten der GRÜNEN, den verehrten Winfried Nachtweih, zum AFG-Beauftragten der Bundesregierung berufen. Der Rest der Republik sollte ihm ein Denkmal setzen, denn er hat es mit seinem AFG-Engagement ganz verdient. Hoffentlich findet er einen Platz, an dem er seine höchst verdienstvolle Arbeit fortsetzen kann. Sein (hoffentlich nicht) letztes Stück über AFG verdient Lese-Zwang:
    http://www.nachtwei.de/downloads/bericht/reise_afghanistan_sept-2009.pdf

{Redense nich - steck Deine Nase ins Buch}

 

Strategie-Beiträge: sehen

3. September 2009

Es ist wohl wieder Zeit, ordentliche und wichtige Beiträge zu strategischen Fragen, Konzepten und Umsetzungsproblemen zu lesen. Wir empfehlen:

Morgen möchten wir schon wieder wohlgemeinte Wochenend-Wünsche aussprechen. Wie wäre es mit “Lerne schneller lesen” oder “Lesen dauert so lange - und hilft nicht wirklich” oder “Lesen bildet wenigstens - und das ungemein”?

{Lies einfach mal - Du wirst schon sehen}

 

Geopolitik: träumerisch

4. August 2009

Wenn man nicht in Sonne oder Regen urlauben kann, sollte man sich wenigstens Entspannung im Kopf leisten. Der 7-seitige Ausflug von Robert D. Blackwill zum Thema “The Geopolitical Consequences of the World Economic Recession - A Caution” bietet genau die richtige Erholung:
http://www.rand.org/pubs/occasional_papers/2009/RAND_OP275.pdf

Blackwill, ein alter Haudegen in der U.S.-Szene, nutzt die Weisheit, durch gute Fragen Argumentationsdominanz herzustellen, massiv. Am Ende fühlt man sich gedrängt, den vielen “pundits” nicht zu glauben, die den Untergang des U.S.-Imperiums ganz voreilig datieren.

Wenn man allein die Strichpunkt-Aufzählung der entscheidenden “geopolitschen Elemente” (S. 7) ausschneidet, hat man schon ein gutes Versatzstück für die eigene Vorstellung von der gewaltigen Welt der Geopolitik. Nur wer hier mitspielt, kann in einem Strandschaukelstuhl der obersten Strategen-Liga sein Handtuch auslegen.

Allerdings ist die Geopolitik von Blackwill fast ausschliesslich säkular (ausser “religions” und “cultural determinants”). U.E. hat es in der neuesten Geschichte drei “Brüche” in der Geopolitik gegeben:

  1. Das Ende der europäischen Monarchen-Rivalität nach dem 1. Weltkrieg;
  2. Das Ende der (deutschen) faschistoiden Welteroberung;
  3. Das Ende der stalinistischen Schreckensperspektive.

Unter Hinzunahme einiger Phantasie könnte man meinen, dass die “List der Geschichte” - als ausser-säkulare Macht sozusagen - irgendwie im Spiel war. Gehört zur Lehre der Geopolitik, die “List” der Geschichtsmacht (oder darüber Hinausgehendes) einzudenken? Was wäre gewesen, wenn es diese “List” nicht gegeben hätte?

{In Urlaubszeiten ist träumerisches Denken erlaubt}

 

Impulse 2020: Bogen?

8. Mai 2009

Gestern hat CDU-MdB Eckart von Klaeden in der Konrad-Adenauer-Stiftung, Berlin, die 46-seitige Studie “Impulse 2020 - Akzente zukünftiger deutscher Aussenpolitik” vorgestellt, die von 22 Mitgliedern des “Arbeitskreis Junge Aussenpolitiker der Konrad-Adenauer-Stiftung” erarbeitet worden ist:
http://www.kas.de/wf/de/33.16424/

Zunächst muss man beglückt feststellen, dass es überhaupt noch ein paar junge Leute gibt, die sich mit dem Thema Aussenpolitik beschäftigen. Dafür allein muss man eine gehörige Portion Anerkennung zollen.

Kritisch fragen wir, ob denn die eigene Lobpreisung mit solcher Dickbramsigkeit einhergehen muss:

  • “Mit der neuen Studie ... sei es nun aber gelungen, einen ‘Bogen zu schlagen und die grosse Sprachlosigkeit zwischen Politik und Wissenschaft zu beheben’, so Eckart von Klaeden in Berlin.”

Demnach muss “Impulse 2020” ein wahres Wunderwerk sein, dass man also unbedingt lesen muss. Falls jemand danach doch noch eine kleine Sprachlosigkeit verspürt, hat er das Problem der Entsorgung derselben.

{Ist “Problem-Dekontamination” ein erlaubter Begriff?}

 

Solana’s lessons: ausgelernt

22. Januar 2009

Javier Solana ist seit Jahren der Hohe Repräsentant der EU für ihre Gemeinsame Aussen- und Sicherheitspolitik; vorher war er x Jahre der Generalsekretär der NATO. Wenn ein Mensch mit derartiger Erfahrung in der “Financial Times” seine “Five lessons in global diplomacy” bietet, muss man sich die ausdrucken:
http://www.ft.com/cms/s/693bbb6a-e6fb-11dd-8407-0000779fd2ac,dwp_uuid=3fc493e4-e3f2- 11dd-8274-0000779fd2ac,print=yes.html

Trotz dieser hohen Authorität erlauben wir uns einige triviale Fragen:

  • Zur 1. Lektion:

    Allgemeinplatz ist, dass die Interessen aller Beteiligten berücksichtigt werden müssen. Ist es aber nicht manchmal so, dass eine Seite bestimmte Interessen der anderen Seite auf gar keinen Fall akzeptieren will? Was dann?

    Legitimität hat mit Rechtmässigkeit zu tun, vor allem aber auch mit humanitärer Sittlichkeit. Was soll der Satz bedeuten, dass die Rechte der Palistinänser berücksichtigt werden müssen? Sind die politischen Grundsätze der Hamas legitim? Für die Hamas ist es legitim, den Juden den nichtendenden Krieg zu erklären. Ist Europa bereit, diesen “Rechtsanspruch” zu akzeptieren?
     
  • Zur 2. Lektion:

    Natürlich ist Aussenpolitik die Innenpolitik der Anderen. Und die Souveränität des Staates ist höchstes völkerrechtliches Gut. Im Normalfall ist völlig klar, dass man die innenpolitischen Parameter zu achten hat. Hilfreich wäre, Konzepte für den Umgang mit Regierungscliquen zu hören, die sich nicht auf innenpolitische Schranken berufen können, sondern eine Machtausübung pflegen, die jeglicher Legitimität entbehrt.
     
  • Zur 3. Lektion:

    Solana stellt hier das Vertrauen (trust) in den Mittelpunkt, nennt das beiderseitige Misstrauen als Grund für die Schwierigkeiten in der Iran-Frage. Vertrauen/Misstrauen ist ein schwergewichtiges Phänomen, welches aus Erfahrungen, aktuellem Verhalten und Mutmassungen in die Zukunft gespeist wird. Muss man erläutern, welches Verhalten vertrauensbildend ist und welches nicht?
     
  • Zur 5. Lektion:

    “Agreed rules make states secure and people free”.

    Das ist nur die halbe Wahrheit, denn der Aber-Satz müsste folgen:
    aber nur, wenn die Regeln auch Strafen für die Regel-Verletzung vorsehen, die den Regel-Verletzer mit Sicherheit wieder zur Einhaltung der Regeln bewegen.

Solana schreibt, dass seine Lektionen “key ingredients for tackling international problems” enthalten. Dem kann man auch nicht widersprechen, wenn man davon ausgeht, dass er die leichten gemeint hat.

Ob die Physik-Lektion von Javier Solana so zutrifft, möge man uns bitte erklären:
“As in physics, the act ob observation modifies the behaviour of particles...” (??).

{Man lernt auch aus}

 

Helmut Schmidt: kein Respekt

31. Oktober 2008

Es gibt TV-Produktionen, die Helmut Schmidt als “armen” Kanzler porträtieren, der in seiner Amtszeit leider keine weltgeschichtliche Aufgabe zu glorioler Grösse zu schultern hatte. Völliger Unsinn:

  • 1977 hält der Bundeskanzler der Bonner Republik am “Internationalen Institut für Strategische Studien” in London (ISS, damals die Top-Adresse) eine Rede zur “Grauzonen”-Problematik. Damit stürzt er die gesamte Welt in eine Debatte, die nur Schmidt’s deutscher Denke folgt: Die Amis zwingt er (gegen ihren urspringlichen Willen), gegen die abkoppelnde Wirkung der SS-20-Rüstung ganz neue und fixe Nuklearwaffen in Deutschland (und sonstwo) zu stationieren, die (neu) sowjetisches Heimat-Territorium erreichen! (ein “nukleares” Glasperlenspiel nach Hermann Hesse).
     
  • Es gibt eine wohlbegründete historische Interpretation, dass genau diese Schmidt’sche Initiative letztlich zum Untergang der Sowjetunion geführt hat.

Dieser “globale” (besser nationale) Helmut Schmidt landet plötzlich als regionaler Bettvorleger in der ZEIT (man muss sie kaufen - Online ist nix). Wer eine authoritative Begründung für eine alternative aussenpolitische Konzeptionsanalyse sucht, wird Schmidt’s Zeilen wieder und wieder überdenken müssen:

  • Helmut möchte die NATO zurück in ihre geografischen Grenzen seiner Regierungszeit (und hofft auf willigen Beistand, falls den Deutschen jemand die Hand vor den Hintern halten muss);
     
  • Igittigitt: “Die NATO ist aber vornehmlich ein strategisches Instrument der Amerikaner geworden, nach 1991 mehr als je zuvor.” (Danke schön, Tschüss);
     
  • Die Europäer werden “um ein Vielfaches” unter dem “clash of civilization” zu leiden haben als die Amis (Ja, die Amis predigen immer den Krieg gegen den Islam);
     
  • Ja, die amerikanische Regierung wusste nicht, dass die Berge in AFG 3-4.000 Meter hoch sind (Fein, die Amis sind so blöd, wie wir Germanen das schon immer gewusst haben);
     
  • Deutschlands “unglaublich schwierige Aufgabe” liegt um uns herum; Polen, Frankreich etc. geht uns an, darüber hinaus nichts. Das sind die “unlösbaren Fragen”, die “wir mit Gelassenheit auf sich beruhen lassen” müssen.

Lieber Helmut Schmidt, wenn Du heute Kanzler wärest und ich säße als Fraktionsreferent wie damals fast 10 Jahre “mit Kissen auf der Heizung” im Fraktionssaal der SPD, würde ich keinerlei Respekt mehr vor Deinem (ZEIT)Urteil haben.

{In welche Ecken schmeisst mich die Zeit manchmal?}

 

Bedrohungen: Spass

15. Oktober 2007

Normalerweise dürfte der Lehrsatz gelten, dass eine (erkennbare) Bedrohung unabdingbare Voraussetzung für das Bedürfnis nach Versicherung ist. Nun müsste man eine Differenzierung folgen lassen: Ist die Bedrohung direkt/indirekt, diffus, für Nationalisten und Internationalisten gleich gültig etc.?

Heute schenken wir uns diese Fleissarbeit und weisen darauf hin, dass

Ausserdem empfehlen wir, darüber nachzudenken, ob die verzugslose Übernahme von in der Zivilgesellschaft angesagten Lifestyles nicht das trostlose Leben der drögen Sicherheitspolitiker entscheidend aufmuntern könnte, z.B.:

{No risk > no fun}

 

Rückzug: Axt

12. Oktober 2007

Einem alten Kameraden verdanken wir den Hinweis, dass in der deutschen Medienlandschaft noch nirgendwo andiskutiert worden ist, welche sicherheitspolitischen Konsequenzen ein Abzug der U.S.-Streitkräfte aus dem Irak und/oder der ISAF aus Afghanistan haben würde.

Eigentlich ist es vermessen, die Zukunft voraussagen zu wollen. Andererseits gibt es aber eine hinreichende Anzahl von Gesetzmässigkeiten der Sicherheitspolitik, die eine hohe Plausibilität für Voraussagen ergeben:

  • Die wichtigste Konstante staatlicher Aussenpolitik ist der Ehrgeiz (Ambition; netter ist “Anspruch”), Macht ausüben zu wollen. Diese genauso im täglichen Leben anzutreffende Hybris ist zutiefst menscheneigentümlich und hat immer die Tendenz zur Entgrenzung; je bedeutender die zu betrachtende Einheit ist, desto eher ist eine psychopathische Entgleisung zu befürchten. Nur die strukturellen Wirkelemente einer wirksamen Demokratie können das grösste anzunehmende Unglück (gaU) verhindern.
     
  • Macht ist unausweichlich konstitutiver, und erster Faktor auch der Sicherheitspolitik. Jeder der beteiligten “Spieler” beäugt seinen Konkurrenten (Gegner, Feind), erdenkt sich Konzepte unter Beachtung seiner personellen und materiellen Hilfsmittel, um sie zu einer Strategie für den vermeintlichen Sieg umzusetzen. Angewendet werden (leider ganz “un-Grün”) eben nicht nur die kooperativen, sondern auch die konfrontativen Zangen und Schrauber aus dem Werkzeugkasten, incl. der Anwendung physischer Gewalt). Auch dies ist trivial und alltäglich zu beobachten.
     
  • Übergeordnet ist, dass das Ganze eine Auseinandersetzung des Willens der Akteure ist (nach dem Motto: “Können Sie mir mal sagen, wo ich hin will - ich geh schon mal vor”. Oder religiös: “Dem Wollenden geschieht kein Unrecht”).
     
  • Wesentlich ist das (kommunikative) Wechselspiel der jeweils Führenden und Geführten in einer “betrachteten Einheit”. Je öffentlich unbeeinflusster der Prozess ist, desto mehr werden die Führenden zu Lüge, Vertuschung und Tricks greifen, um die Geführten hinter sich zu versammeln, die ihrerseits (dummerweise) nicht den eigenen Verstand, sondern die FAHNE (incl. Promille) flattern lassen.

Sorry wg. der langen Theoretisiererei - es fehlt noch ein wenig:

  • Ganz und gar nicht gegen den Islam, sondern gegen eine Anzahl von in der absoluten Minderheit (unter Promille-Bereich) befindlicher, gewaltbereiter (religiös eingebildet und - politisch nicht legitimiert - Macht-Hungriger) Psychopathen (samt ihrer armen Verführten) findet ein “Welt”-Krieg statt, nach den bekannten Regeln.
     
  • OBL hat seine Kampfgefährten mit den Beispielen Libanon 1982 und Somalia 1983 etc. davon überzeugen können, dass es (asymetrische) Strategien gibt, mit denen man dem Feind den Rückzug erfolgreich nahelegen kann (zum Rennen).
     
  • U. E. ist das eigentümliche Merkmal des (militärischen) Rückzuges die Zahl der Opfer. Der politische Rückzug ist davon auch bestimmt, aber vor allem in Hinsicht auf die Meinungslage an der Heimat-”Front”. Dort können sich die Führenden, die keine veröffentlichte Meinung befürchten müssen, sicherer fühlen, aber nicht ganz, denn die Truppe merkt den Blutzoll.
     
  • Irgendwann und -wie bricht sich die Tendenz-Meldung von Sieg oder Niederlage Bahn. Sie hat eine fahnale Wirkung auf die Zukunft, Menschenmassen werden in ihren tiefsten Sehnsüchten bewegt, so oder so.

Demnach dürfte die “westliche” Sicherheitspolitik mächtig einpacken dürfen angesichts des Rückzugs-Szenars. Auf der “gegnerischen” Seite ist überschäumendes Frohlocken angesagt. Sie hat verbal einen Verbündeten an Bord, dem “der Westen” (eingestandenermassen) fehlt: “So der ALLMÄCHTIGE will”.

Beim (fast täglichen Umzugs-IKEA-Besuch) suchen wir immer die Tafel “Finde Deinen Weg”.

{Sun Tsu sagt: “Die Axt im Haus erspart den Meinungsschlichter}

 

SPD-Profil: Charakter

13. August 2007

Auf www.bendler-blog.de (gute “Anmerkungen zur sicherheitspolitischen Kommunikation” von Sascha Stoltenow) haben wir den Hinweis auf das Interview von WELT Online mit Egon Bahr gefunden, welches als Übungsfeld für Konzeptionäre des aussenpolitischen Design herhalten sollte; vom Altmeister kann man viel lernen:
http://www.welt.de/politik/article1096616/Demokratie_darf_nicht_Haupt-Exportgut_sein.html

Die Christ-Demokraten sind in der nicht beneidenswerten Lage, gegen den in die deutsche Befindlichkeit absolut passenden (nationalen) Friedenskurs der Sozialdemokraten ein eigenes Profil zu finden, welches die sicherheitspolitische Wirklichkeit argumentativ in den Griff bekommt:

  • Fraglich für uns ist, ob Egon Bahr zu seinem eigenen Intellekt “ehrlich” ist:

    Er preist das europäische “Markenzeichen” als den “Schlüsselbegriff dieses Jahrhunderts” an: Das “alle grossen Probleme dieses Jahrhunderts nicht durch Waffengewalt, sondern nur durch Kooperation lösbar sind”. Die eingeschobene Feinheit, dass Europa ausserdem niemanden “bedroht”, ist schon fast illegitim.

    (Selbstverständlich hat Egon Bahr recht, dass grosse (und kleine) Probleme (eigentlich) nur durch Kooperation lösbar sind. Wenn man aber die Wirklichkeit ausblendet, dass einige wenige Mitspieler das absolut anders sehen, kann das einem lebenserfahrenen Menschen doch nicht verborgen geblieben sein (??). Es dürfte doch der Kern der Probleme sein, dass sich in Millionen von täglichen Situationen einige Mitspieler tatsächlich un-kooperativ verhalten - und was dann?);
     
  • Wem nichts mehr einfällt, der predigt “Stabilität”, wohlwissend, dass es dieses Phänomen (auf der Zeitachse) gar nicht gibt. Selbst wenn man die wohlklingende “Rechtssicherheit” addiert, wird daraus nicht etwas, dass das Phänomen “Demokratie” wirklich tangiert;
     
  • Nach unserer Langzeit-Einschätzung ist Egon Bahr ein Vertreter der Denkschule des “reinen nationalen Interesses”, womit er nicht allein ist (die chaotischen Aussenposten sind z.B. Lafontaine, Wimmer und Gauweiler). Die multilaterale Charakter-Festigkeit Deutschlands verkommt zu aktuellem Stammtisch-Populismus:

    - Nach Egon Bahr haben die U.S.A. ein “atemberaubendes ... und unverhandelbares Sendungsbewusstsein”, mit dem sie “Verträge zu künden oder Kriege präventiv erklären”, sie behandeln Europa als “Protektorat” und setzen die “Rüstungsspirale” (gegen das unschuldige Russland) in Gang;

    - Die Briten schwächen “durch permanente Verweigerung und Sonderwünsche die Handlungsfähigkeit der EU”, und für Frankreichs Sarkozy hat man “Verständnis”, weil es Europa “wieder in eine Führungsrolle ... bringen will”;
     
  • Den konkreten Fragen entwindet sich Egon Bahr geschickt:

    - Sachlich richtig, aber völlig unrealistisch, fordert er eine Aufstockung der ISAF-Truppe in Afghanistan auf die Höhe von 200.000 Soldaten;

    - “Hauptsache, wir gewinnen ein Jahr Zeit ...”
    (Wohlwissend, dass die 200.000-Geschichte illusorisch ist? Passend zur Wahl 2009 vertröstet man die Basis auf den “Paukenschlag”?));

    - Die U.S.-”freundlichen” Einsprenkel von EB sind bewundernswert; das ist wahre rhetorische Kunst.

Kein Mensch und kein Staat kann sein Leben meistern ohne die Kooperation mit seinem “Nächsten”; wer hier “heimlich” Egoist ist, bleibt langfristig auf der Strecke. Nun setze man dem “Bahr’schen Konzept” das (wirklich) kooperative entgegen.

{Welchen (sicherheitspolitischen) Charakter hat eigentlich unsere Republik?}

 

IFSH/Einsatz-Prüfsteine: frei

28. Juni 2007

Für die zunehmend spannende Diskussion über die Kriterien für Zustimmung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr hat eine illustere Experten-Kommission des “Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg” (IFSH) ein 4,5 Seiten starkes Papier vorgelegt, das - nach Lektüre natürlich - in den entsprechenden Ordner gehört:
http://www.ifsh.de/pdf/profil/IFSH_Auslandseinsaetze_der_Bundeswehr_2007.pdf

Wenn uns der Eindruck nicht täuscht, werden mit dem ISFH-Papier die Kill-Kriterien für die Zustimmung zu deutschen Militär-Einsätzen deutlich vermehrt. Verkompliziert wird die Situation noch dadurch, dass die Kommission gleichzeitig auf der Annahme des ISFH-Papiers “Bundeswehr 2025” (auch auf http://www.ifsh.de zu finden) beharrt, das die Bundeswehr “langfristig auf bis zu 125.000 Soldatinnen und Soldaten reduziert” und den “Wehretat auf ca. 16 Mrd. Euro absenken” will; das eingesparte Geld soll den zivilen Entwicklungsaktivitäten zugute kommen.

Was vom Grundsatz her ganz richtig klingt, ist selbst auf der Meta-Ebene zu hinterfragen:

  • Es hat sich sogar in höchste Zivilmacht-Kreise herumgesprochen, dass Entwicklung, Einhaltung der Menschenrechte etc. ohne Sicherheit nicht zu erreichen ist. Fatale Folge ist, dass für die Sicherheit grob das 10fache an Finanzmitteln aufgebracht werden muss im Vergleich zu den zivilen Mitteln. Dieses “kriegswissenschaftliche Gesetz” ist durch kein Lamento aufzuheben.
     
  • Wer die strikte U.N.-Mandatierung fordert, wird ggfs. seine Humanität an der chinesischen Öltheke in Darfur abgeben müssen.
     
  • Wer “den Bundestag” in einer “Zweidrittel”-Konstellation für den Ausbund politischer Klugheit begreift, hat noch nie davon gehört, dass Parteien allzu gern einem populistischen Wahlzettel-Opportunismus frönen, insbesondere in Zeiten knapper Regierungsmehrheiten (das walte Oskar).

Wenn sich die Fragmente der kleinen sicherheitspolitischen “community” in Deutschland zu Grundsatzfragen ergiessen, mag man ja heilfroh sein. Leider hat sich noch niemand aufgeschwungen, die verschiedenen Parteiungen zu einem Thema an den runden Tisch zu zwingen. Bei uns funktioniert noch nicht einmal das, was man von entfernten Völkerscharen unisono fordert.

{Frei ist, wer sich nicht einigen muss}

 

Failed States: Patent

25. Juni 2007

Der Hinweis ist uralt (Anfang der Woche), aber weil der Gegenstand zum Grundlagen-Wissen für Konzeptionen der Weltrettung gehört, tragen wir nach:
http://www.foreignpolicy.com/story/cms.php?story_id=3865

“Zerfallende Staaten” sind die zentrale Herausforderung für eine Weltordnungspolitik, die sich die U.S.-Regierung, aber auch die Europäische Union auf die Fahnen geschrieben haben. Der gezeigte Umfang des Problems zeigt allerdings, dass ambitionierte Friedensschalmeien keine Aussicht auf Gehör haben können.

Patent-Lösung dürfte also niemand präsentieren. Trotzdem versuchen das immer wieder einige Verführer.

{Wer weiss denn schon, was alles zerfällt}

 

Statebuilding: putzig

23. Mai 2007

Man muss wieder einmal mehr feststellen, dass der deutsche Denkpanzer “Stiftung Wissenschaft und Politik” (SWP - www.swp-berlin.org ) seine Steuergelder wert ist:
Ulrich Schneckener hat eine 45-seitige Studie zum Thema
“Internationales Statebuilding - Dilemmata, Strategien und Anforderungen an die deutsche Politik” vorgelegt, die ganz vorn in die Hand-Bibliothek gehört und natürlich vorher gelesen gehört:

Leider wird die Fan-Gemeinde einige Zeit (Wochen) warten müssen, bis das gute Werk online verfügbar ist. Soviel mögen wir als Appetit-Anreiz verraten:

  • Zunächst definiert Schneckener “Staatsaufbau”, zeigt die Schwierigkeiten, Strategien und deren “Risiken und Nebenwirkungen”; sauberer wird das wohl kaum jemand darstellen können;
     
  • Was unter dem Sub-Titel “Herausforderung für die deutsche Politik” (ab S. 23) abgehandelt wird, ist eine unverhüllte und saftige Kritik an der Konzeption und Praxis deutschen State-Buildings. Wer das deutsche Phrasen-Gedresche über das so gloriole Konzept der “vernetzten Sicherheit” (VM Jung und Weissbuch 2006) nicht aus dem Ohr kriegt, wird Heilung bei wirklichen Modernitäts-Führern wie Kanada, den Niederlanden, Briten und Australiern finden.
     
  • Ulrich Schreckener meint in seinem Fazit in Bezug auf die deutsche Szene:
    “Gleichwohl ist derzeit kein Akteur in Sicht, der willens und in der Lage wäre, diese Problematik anzugehen und institutionelle Veränderungen - zumindest beim Statebuilding - durchzusetzen.”
    (müsste eigentliche das Kanzleramt unter Führung von Thomas de Maiziere machen; er hat zwar einen ordentlichen Draht zur BAKS, versinkt wohl aber in der Innenpolitik).

Weil wir uns zur Klugscheisserei verpflichtet haben, melden wir zaghaft “Wünsche” an:

  • Zugern hätten wir einige Hinweise auf unsere Lieblings-Fakten gesehen, wie sie im “Beginner’s Guide to Nation-Building” von James Dobbins et al. (RAND) angeführt werden (orig. S. 256 ). Wer die personellen und materiellen Anforderungen an State-Building kalkuliert, wird - abseits des konzeptionellen und bürokratischen Grausens - in eine menthale Starre verfallen mit allem, was das Thema “Weltrettung” angeht.

{Der Mensch rettet die Welt: klingt irgendwie etwas putzig}

 

West-Bilanz 2006: Zuviele

11. Dezember 2006

Eine etwas vorläufige Bilanz der aussen/sicherheitspolitischen Erfolge der westlichen Allianz in 2006 sieht recht düster aus:

  • Irak

    Seit dem verherrenden Anschlag auf die schiitische Moshee in Samarrah im Febr. 2006 ist im Irak ein blutiges Gemetzel zwischen Sunniten und Schiiten entstanden, das seinesgleichen sucht; die Systematik der Blutrache wütet in unvorstellbarem Ausmass. Vor allem gegen die Armeen der brutal kämpfenden “Glaubens”krieger sind  herkömmliche Streitkräfte kaum tauglich.
     
  • Iran

    Mit dem “demokratisch” gewählten Präsidenten Ahmadinejad hat der Typus eines Politikers die Bühne betreten, den ausser seinem Machtanspruch nichts beeindruckt. Zu verführerisch ist die Gelegenheit, dass die schiitische 10%-Fraktion aller Muslime sich mit persischer Kultur-Tradition zur Führung der muslimischen Araber aufschwingt.
     
  • Libanon

    Hizballah-Chef Nasrallah muss die israelische Warnung gekannt haben, dass nach einer nochmaligen Entführung israelischer Soldaten “ernsthafte Konsequenzen” drohen. Nach dem Krieg gab er sich unschuldig: Er habe doch nicht wissen können, dass die Israelis wegen zwei entführter Soldaten einen solchen Krieg beginnen.

    Wie dem auch sei: Trotz ganz erheblicher Verluste und immenser Schäden hat “die Welt” die Hizballah zum Sieger erklärt. Nasrallah konnte die “Geschichte” umdeuten und ist gerade dabei, den politischen Sieg zu feiern. Die Regierung Siniora, gebrandmarkt als vom Westen unterstützt, erlebt ihre letzten Tage. Der vom Iran massiv unterstützte Schiit Nasrallah ist augenscheinlich auch vielen anderen Fraktionen im Libanon ganz genehm.
     
  • Palästina

    In Palästina findet ein politischer Machtkampf ganz besonderer Art statt. Zwischen Fatah und Hamas tobt das Chaos. Dazu passt der Besuch des führenden Hamas-Politikers Hanija im Iran, wo ihm die volle Unterstützung der “iranischen Nation” im Kampf gegen Israel zugesichert wurde.
     
  • Afghanistan

    Der Öffentlichkeit des “Westens” ist sicher verborgen geblieben, dass die neu gruppierten Taliban im September 2006 nahe Kandahar beinahe der NATO (in ihrem ersten “Land”krieg) gleich die erste Niederlage beigebracht hätten. Seitdem gibt die Gemeinschaft (Community) der Experten der NATO noch ein Jahr, um den Erfolg reklamieren zu können.
     
  • Nord-Korea

    In dieser “asiatischen” Angelegenheit gilt augenscheinlich “business as usual”. Erfolge sind augenscheinlich nicht zu verzeichnen.
     
  • Afrika

    Gegen die Potentiale des afrikanischen “Unglücks” sind, was die Grössenordnungen angeht, die Opfer in Nahost wahrscheinlich geringer. Man fragt sich selbst, ob man noch den Überblick hält. “Erfolge” des “Westens”, z.B. die EU/Afrika-Ambitionen, sind uns verborgen geblieben.
     
  • Russland

    Die Reaktion auf die “Energie-Frage” war typisch. In der Gemengelage hat sich gezeigt, dass der “Westen” hilflos gegenüber der russischen Regierung ist.

U.E. zeigt die das Jahr 2006, dass die sicherheitspoltischen Entwicklungen

  • im persisch/arabischen Raum durch den inner-muslimischen Konflikt (sprich die unglaublichen Machtambitionen) zwischen Sunniten und Schiiten gekennzeichnet sind;
     
  • im “Westen” eine totale konzeptionelle Konfusion hervorrufen, die sich in regierungsamtlicher “Gesundbeterei” niederschlägt.

Auch für 2007 kann man sich daran festhalten, dass der “politische Wille” die entscheidende Grössenordnung” ist (schwer ortbar).

{Der Willenden sind zuviele}

 

Op-ed: Irans Macht-Anreicherung

11. August 2006

Die “Siegel” (der www.iaea.org ) sind gebrochen - die Iranische Regierung hat die Wiederaufnahme der Uran-Anreicherung befohlen. Wer bangt und zittert, wird von allen Seiten mit Stellungnahmen eingedeckt, die alles andere als das Scheitern der Verhandlungen offen eingestehen.

Man muss nur für kurze Zeit mit dem Kopf eines iranischen Regierungs-Strategen denken, um die Positionen abzustecken:

  • Ist die wirtschaftliche Karotte, die von den Europäern hingehalten wird, mehr als ein Ballast-Stoff?
    - Es ist ein strategischer Lehrsatz, dass der Querulant nach Aufgabe seines Widerstandes von der Macht nur noch abgespeist wird;

    - Im orthodoxen muslimischen Glauben ist wirtschaftlicher Wohlstand eher hinderlich; er entlässt die Gläubigen in die Turbulenzen eigener Verantwortung. Damit verlören die Glaubenswächter ihr Selbstverständnis als geliebte Hirten des ALLMÄCHTIGEN (ordentliche Christen halten dies für die höchstmögliche Form der Sünde - die des Hochmuts - oder auch des Selbstgefallens);

    - Je mieser die ökonomische Leitfunktion der eigenen Politik ist, desto besser lässt sich der innere Dampf auf die Turbine des äusseren “Feindes” lenken (die Europäer, Juden und natürlich die Amis). Dieser seit Jahrtausenden erkannte Schraubenschlüssel für die innere Disziplinierung hilft immer;

    - Man weiss, was die wirtschaftliche Liberalisierung mit sich bringt: Die Stühle der Mächtigen wackeln nur noch.
     
  • Die Einschätzung der möglichen Wirkungen eines westlichen Baseball-Schlägers ist aus iranischer Sicht sehr mild:

    - Zum handelsüblichen Besteck der Erkenntnis strategischer Faktoren gehört, dass die Volksrepublik China von der ehemaligen UdSSR die Fackel des Art. 2.4 der U.N.-Charta übernommen hat: Es gilt strikt die “politische Unabhängikeit” eines Staates. Folglich darf die iranische Regierung davon ausgehen, dass China jegliche Sanktions-Drohung des U.N.-Sicherheitsrates mit seinem Veto bedroht. Es ist nur logisch, dass sich die chinesische Regierung wegen dieses generellen Standpunktes in der Zustimmung sehr vieler Regierungen dieser Welt sonnen darf;

    - Die EU-3 hat in europäisch traditioneller Manier darauf verzichtet, der Iranischen Regierung echte “sticks” zu zeigen (es deutet alles darauf hin, dass sie “echte” Gegenmassnahmen auch gar nicht in ihrem Köcher hatte). Wenn es stimmt, dass die ganze Angelegenheit “Joschkas Baby” ist, dann hat wenigstens Claudia Roth gesiegt.

Man muss sich aber nicht aufregen: Dieses Thema wird uns - wegen der angenommenen Laufzeit der iranischen Raketen-Entwicklung und der iranischen Atombombe - noch medien-aufgeregt begleiten. Wieder erkennt man:

{Selbst Lesen ist nur ein Geschäft}

 

Nation-Building: zu tun

28. Juli 2005

Es gibt schon wieder Stoff zum Thema “Nation-Building”, diesmal von Experten des in den U.S.A. hoch angesehenen “Council on Foreign Relations” (CFR); Co-Chairmen der Studie
“In the Wake of War: Improving U.S. Post-Conflict Capabilities” (65 S., zu lesen ca. 35)
waren die vormaligen Nationalen Sicherheitsberater Samuel R. Berger und Brent Scowcroft.

Wem die Kurzfassung reicht, wird hier nachsehen,
http://www.washingtonpost.com/wp-dyn/content/article/2005/07/26/AR2005072601550.html

die vollständige Studie lädt man dort ab:
http://www.cfr.org/pdf/Post-Conflict_Capabilities.pdf

Natürlich zielen die diversen Reform-Vorschläge auf die U.S.-Administration, aber auch  deutsche Spezialisten werden sich fragen können, ob einige Vorschläge nicht auch ein deutsches Problem sind:

  • In der CFR-Studie wird gefordert, dass die Post-Konflikt-Einsätze (stabilization and reconstruction operations) von der Regierung als hoch-priorisierte aussenpolitische Ziele eingestuft werden (S. 23). Würde die inhaltliche Begründung dafür (siehe vor allem das Bush-Zitat) auch bei uns gepflegt, wäre die Hindukusch-Formel vielleicht etwas einsehbarer;
     
  • Die Einsätze sollen vom Nationalen Sicherheitsrat geführt werden (S. 26). Man wird abwarten müssen, ob die neue Bundesregierung diese Institution erstmalig bei uns einrichtet;
     
  • Die Stabilisierungs-Einsätze sollen von den Streitkräften so wichtig genommen werden wie die Kriegseinsätze. Es gibt genügend Kritiker, sogar hochrangige, die dem deutschen Heer die gleiche Empfehlung geben.
     
  • Der vorgeschlagene “Reconstruction Fund”, von der G8 geführt, würde auch Deutschland treffen, selbst wenn er bei den U.N. eingerichtet werden würde.

{Lies - und Du weisst, was noch zu tun ist}
P.S. Nein, nicht: Es gibt viel zu tun - fang schon mal an

 

Nation-Building: RANDnotizen

25. Juli 2005

Wer das Gelingen des nächsten Interventions-Krieges schon jetzt zu planen hat, sollte  unbedingt die RAND-Studie “Establishing Law and Order after Conflict” in seinem “ganz wichtig”-Ordner ablagern:
http://www.rand.org/pubs/monographs/2005/RAND_MG374.pdf (1,4 MB, 293 S.)

Mit den dort genannten Daten hat man das entsprechende “wording” und die Rechenfaktoren für die Kurz-Berichterstattung parat:

  • Für den Überblick über die “Conclusions” (pdf.-S. 237 - 262) reicht der Druck der Seite 255;
     
  • Für die Planung des Streitkräfte-Umfangs der Stabilisierungs-Truppen liest man nur die pdf.-S. 59:
    Für je 100.000 besetzte Bevölkerung sollte man mindestens 1.000, lieber aber mehr als 2.000 Besatzer (mil./pol.) kalkulieren. Im Irak (ca. 25 Mio.) dürfte man mit derzeit grob 150.000 Sicherheitskräften (U.S. + Irak) rechnen, was selbst bei dem niedrigen Faktor 1.000 auf 100.000 ein Fehl von rund 150.000 Sicherheitskräften bedeutet;
    (aus einer tollen Unterlage unseres Archivs geben wir eine andere Rechnungsweise dazu: Verhältnis von “Aufständischen” zu Besatzern: ca. 1 : 15);
     
  • Für die finanzielle Unterstützung rechnet RAND mit der Faustformel:
    250 USD/Jahr pro Kopf der Bevölkerung.

Ganz einfach ist die Prozess-Rechnung des Nation-Building bei RAND zu erinnern:
“input + output = outcome” (siehe Franz-Josef Strauss im Bundestag zu Beginn des Computer-Zeitalters: “ put - put - put”);

Wer dazu noch die genauen Berechnungen für die Streitkräfte-Stärken bei Interventionen haben will, lädt sich noch “Stretched Thin - Armed Forces for sustained Operations” bei RAND ab:
http://www.rand.org/pubs/monographs/2005/RAND_MG362.pdf

Nun fehlt nur noch die RAND-Studie, die alle noch notwendigen Interventionen (vor allem in Afrika) zu den vorhandenen Militär- und Finanz-Ressourcen ins Verhältnis rechnet. In der Bundeswehr gilt die “Kanninchen”-Weisheit:

{Hattu Folie (ppt) - hattu Vortrag}

 

Abschreckung: Hühnerei

20. Juni 2005

Wer sich gleich zu Beginn der Woche schwere Lektüre zurechtlegen will, sollte bei der “Stiftung Wissenschaft und Politik” vorbeischauen. Einer der Altmeister für Strategie-Fragen, Klaus-Dieter Schwarz, hat 37 Seiten über “Die Zukunft der Abschreckung” verfasst:
http://www.swp-berlin.org/common/get_document.php?id=1293

Natürlich ist die Arbeit lehrreich, weil Klaus-Dieter Schwarz schlussfolgert, dass die Abschreckung als “Grundkonzept ... nicht überholt ist”. Allerdings schrecken wir an manchen Passagen doch erheblich auf, weil sie - vor allem in Hinsicht auf die amerikanische Abschreckung - nahelegen, auf das auf den Kopf des Gegners zielende Theorie-Geschoss zu verzichten:

  • K.-D. Schwarz verbindet die amerikanische “Nuclear Posture Review 2002” mit der Politik der Bush-Administration und sieht darin die “Auskunft über das Design einer hegemonialen Weltordnung, die sich auch in der nuklearen Ordnung widerspiegelt”. Als Lösung bietet Schwarz ein “kollektives Sicherheitsmanagement, im UN-Sicherheitsrat institutionalisiert oder ausserhalb in flexibler Form, das auch kollektive Abschreckung anwenden und notfalls gegen Problemstaaten ausüben könnte” (S. 18).
    (es ist uns völlig schleierhaft, wie jemand solchen Unsinn vorschlagen kann);
     
  • Gar kein Verständnis findet der Verfasser für die U.S.-Position, dass die klassische nukleare Abschreckung gegenüber Schurken-Staten nicht hinreichend ist. Auch hier ist eine Empfehlung zu finden, die unter dem Thema “Abschreckung” doch sehr sonderlich klingt und als “einfache Lösung” propagiert wird (S. 22):
    “Man muss aufhören, solche Staaten zu bedrohen.”
    (Verständlich wird das schon, wenn man wenige Zeilen weiter über das “missionarisch-militante Weltbild, das der expansiven Definition amerikanischer Interessen unter der gegenwärtigen Regierung zugrundliegt”, liest);
     
  • Der SWP-Stratege mag sich auch über die Zulassung von Nord-Korea und Iran für den Abschreckungs-Club (S. 23) nicht erregen. Auch für seine Empfehlung gibt es Hiebe:
    “So viel Pragmatismus scheint allerdings die gegenwärtige Politik in Washington zu überfordern”;
     
  • Im Fazit doziert K.-D. Schwarz:
    “Die eigentliche politische Herausforderung besteht nicht in der Frage, wie Bedrohungen abzuschrecken sind, sondern wie Einfluss zu gewinnen ist. Abschreckung ist daher am wertvollsten, wenn sie in eine breite Strategie der Einflussnahme eingebunden und als Teil davon angewandt wird”
    (Hat jemals irgend jemand gefordert oder praktiziert, Einflussnahme nur über die Abschreckung zu suchen?).

Nur für das Frühstück empfehlen wir weiterhin:

{Das Viereinhalb-Minuten-Hühnerei muss man abschrecken}

 

UNICEF: Weckruf

8. Oktober 2004

Wer immer den Begriff der “erweiterten Sicherheitspolitik” erfunden hat, sollte zunächst hochgradig geehrt, dann aber verhältnismässig abgeurteilt werden. Dass sehr viele Faktoren zur Sicherheit, dem Frieden, zwischen den Menschen beitragen, könnte man auch als trivial bezeichnen. Aus dieser Allerwelts-Wahrheit hat aber inzwischen ein nicht unerheblicher Teil der politischen Eliten (weltweit) die These gezimmert, dass 6 Milliarden wohlgenährte und (nach westlichen, liberalen Standards) humanistisch gebildete, und somit emanzipierte Weltbürger endlich dieser Erde den Frieden bringen werden.

Die jüngste UNICEF-Studie “Progress for children” zeigt hingegen, dass diese Erdenwelt noch nicht einmal annähernd imstande ist, den ersten Schritt zur Erfüllung der Kriterien für die “erweiterte Sicherheitspolitik” zu tun. UNICEF-Direktor Carol Bellamy meint:
“A child’s right to survive is the first measure of equality, possibility, and freedom.”:
http://www.unicef.org/media/media_24252.html

Nun könnte man “augenzwinkernd” über die Kinder-Sterblichkeit dieser Erde hinweg sehen:

  • Danach schaut man in die Daten der WHO und stellt fest: ?!
  • Danach analysiert man die Fakten über “Bildung”: ?? !!
  • Danach die über Jugend-Arbeitslosigkeit: ??? !!!
  • Danach die bisher nicht erarbeitete Studie über das von den Mächtigen (alle Parteiungen, auch religiöse) dieser Erde verbreitete Gift über den NÄCHSTEN: ???? !!!!
  • Danach die bisher nicht erarbeitete Studie über die Förderung der “self empowered individuals” durch die Medien-Wirkung (“... sucht den Super-Star”), die leider auch die absolut Selbst-Verliebten (Narziss-Typen) zu tötlicher Blüte treibt: ????? !!!!!
  • etc. - etc. -etc.

U. E. müsste es im “Gebälk intellektueller Ehrlichkeit” vieler Meinungs-”Führer” eigentlich erheblich krachen, weil der Wirklichkeits-Verlust zu gross wird. Leicht amüsiert schaut man auf Erich Honnecker, der das auf ungefähr 100 % geschafft hat. Gar nicht mehr lustig ist, dass einem Heer von Honnecker-Kranken die Diagnose verweigert wird, von Selbst-Reflektion ganz zu schweigen.

Was geschähe, wenn die so anheimelnde (Hypo-)These der “erweiterten Sicherheitspolitik” eine Chimäre wäre?

{(Manfred Wörner): “Ein Jeder weckt den Nebenmann - der Letzte stösst sich selber an”}

 

Alexander Skiba: Strategie: U.S. vers. EU

21. Mai 2004

Es ist gar keine Frage, dass die sicherheitspolitische Strategie-Doktrin der U.S.A., die Tradition haben, und die seit Dezember 2003 vorliegende EU-Strategie - absolutes Novum - einer vergleichenden Darstellung würdig sind.

Mit herzlichem Dank an den Autor präsentieren wir:

Eines eigenen Kommentars möchten wir uns nicht enthalten:

  • Lesen bedeutet, kostbare Zeit zu vergeben;
  • Ausserdem muss man auch - normalerweise - ein gewisses Mass an Lust verspüren;
  • Versauern kann von vornherein der(die)jenige, wo (?) Lese-Empfehlungen gibt;
  • Verdammt - es gibt keine Entschuldigung, Skiba nicht zu lesen.

Vielleicht können wir uns auf folgendes einigen: Wer dagegen per e-mail berechtigte Einwände geltend machen kann, wird per Nachtrag standesgemäss hervorgehoben.

{Seltene Hochzeit: Auch nach dem Ja-Wort ist Einspruch erlaubt}

 

AA-Weissbuch: 161 Aktionen

13. Mai 2004

Man sollte immer darauf bedacht sein, Vorurteile zu revidieren. Aufgrund des 88seitigen Aktionsplanes “Zivile Krisenprävention, Konfliktlösung und Friedenskonsolidierung”
http://www.auswaertiges-amt.de/www/de/aussenpolitik/friedenspolitik/ziv_km/aktionsplan.pdf

den das Auswärtige Amt gestern der Öffentlichkeit vorgestellt hat, müssen wir den Verfassern hohen Respekt zollen. Der Aktionsplan ist eine saubere Arbeit, an der man nicht vorbeikommen darf:

  • Von S. 10 bis S. 67 klappert der Bericht alle Politik-Felder ab, die zum Thema Zivilmacht Bedeutung haben. Entscheidend dabei ist, dass durchgängig jedes Feld nach der aus dem Militärischen abgeleiteten Methode verfährt:
    - Herausforderungen,
    - Bestandsaufnahme,
    - Effahrungen,
    - Aktionen.
    Die Inhalte sind so faktenreich, dass Jeder Arbeit für die Ewigkeit hat. Abkürzungsverzeichnis und Anlagen mit entsprechenden Dokument-Verweisen und Internet-Adressen sind erstklassig.
     
  • Selbst ein zitatfähiger Bronze-Satz für die Militärs ist zu finden (S. 7):
    “Die Erfahrungen in Bosnien, Ost-Timor, Afghanistan oder Mazedonien zeigen jedoch, dass militärische Mittel als Instrument von Krisenprävention und Krisenmanagement notwendig sein können, um die Bedingungen zu schaffen, unter denen den Konfliktursachen mit zivilen Mitteln begegnet werden kann.”
     
  • Eine besondere Hausaufgabe vermittelt das Auswärtige Amt allerdings Nachdenkern, weil es das “do no harm”-Prinzip als “die mit Abstand wichtigste Regel für den Umgang Dritter mit gewaltsamen Konflikten” auf den Strategie-Thron hebt. Leider haben wir das Buch von Mary B. Anderson, “Local Capacities for Peace Project” nicht gelesen, das als Erfinder-Fibel für “do no harm” im Glossar (S. VII) genannt wird. Wir vermuten, dass man eine Strategie-Debatte beginnen kann, die das “Mars vers. Venus”-Verdikt von Robert Kagan ablöst: do no harm vers. tit for tat
     
  • Wie sauberste Arbeit allerdings zur Wirklichkeits-Comedy wird, darf man von folgendem ableiten:

    Der “Aktionsplan” enthällt einhunderteinundsechszig (161) “Aktionen”!:
    - Wird das AA nun auch 161 konkrete Umsetzungspläne ausarbeiten?
    - Wieviel neue Dienstposten müssen dafür geschaffen werden?
    - Welche Kosten entstehen?
    - Ist die Finanzierung in der Finanzplanung des Bundes gesichert?
    - Wer ist für das 161-Controlling verantwortlich?
    - Kann sich die Öffentlichkeit (wenigstens die Wissenschaft) detailliert über die Umsetzung informieren?

Da auch wir immer wieder einen Hang zu Verschwörungs-Theorien verspüren, ahnen wir die Antwort auf die 161-Umsetzung: Das AA will dafür den Etat und das Personal der Bundeswehr übernehmen!

{Do no harm (except the military)}

 

Op-Ed: Demo

11. Juni 2002

In Rom versammeln sich vom 10. - 13. Juni jede Menge Regierungs-Offizielle der Welt zum “World Food Summit”. Im Jahr 1996 hatte es einen gleichen Gipfel gegeben, der beschlossen hatte, den Welthunger von 800 auf 400 Millionen Menschen zu reduzieren. Ist nichts draus geworden. Jetzt wird wieder ein “Anti-Hunger-Programm” aufgelegt. Um die Zahl der derzeit immer noch gut 800 Millionen hungernden Menschen bis 2015 nur zu halbieren, sind lt. FAO jährlich zusätzliche 24 Milliarden US$ notwendig. Glaubt jemand, dass das geschafft wird?

Die Beobachtung der politischen Prozesse “im Weltmass-Stab” ist nicht uninteressant. National findet keine einzige Protest-Bewegung internationale Beachtung. International werden beachtet:

  • GREENPEACE: Umweltschutz und dergleichen. Wirklich beachtlich, notwendig, ohne Frage.
     
  • ATTACS: Der Shooting-Star: Die Globalisierungs-Gegner. Wunderbar - nice to have. Neulich konnten wir eine inhaltliche Argumentation eines “gehobenen” ATTACS-Protagonisten im TV verfolgen: Regionale Abschottung und die Zollgrenzen hochfahren - klingt irgendwie nach dem 18. Jahrhundert. Und wenn die vergangene argentinische Regierung die absolut idiotische Entscheidung trifft, das Eintausch-Verhältnis des argentinischen Peso zum US$ per Ordere de Mufti auf 1 : 1 festzulegen, wird der IMF oder WMF kritisiert, nicht die beknackte argentinische Regierung.
     
  • Klima-Schutz: Nicht irgendwie eine Organisation, aber ein Anhang in Europa ohnegleichen. Wohl kein Ereignis ist intensiver debattiert worden, als Bush’s Austritt aus der Klima-Konferenz.
     
  • Whatsoever: Ob Walfang, Meeres-Verschmutzung oder sonst was: Es gibt immer noch Gruppen, die medien- und damit druckwirksam tätig sind.

Aber warum gibt es keine internationale Protest-Bewegung gegen den Hunger? Wenn ein Mensch von sieben hungert? Augenscheinlich ist Hunger kein Thema für die Mächtigen des Demo-Business, der Kultur-Bosse oder der intellektuellen Schreiberlinge aller Coleur, die sich wohlfeil für jedes selbstgeile Kinkerlitzchen echauffieren. Hat irgend jemand ein Patentrezept gegen diesen egozentrischen Wahnsinn?

{Mächtige hungern nie}

Nachtrag: 12. Juni 2002

Kann mehr oder weniger jeder schreiben: So einen Aufschrei nach Lektüre von sonstwas. Gefragt sind aber “realistische” Konzepte für die Umsetzung:

  • Sicher ist: die Regierungen werden die jährlich zusätzlichen 24 Mrd. US$ für die Reduzierung der Welthungerhilfe über ellenlange Zeiträume mit minimalen Zielen nicht aufbringen.
     
  • Keineswegs sollte man die dementsprechenden Leistungen der Regierungen, noch vor allem der privaten Hilfsorganisationen geringschätzen - keineswegs.
     
  • Trotzdem ist von beiden Bereichen nicht eine entsprechende Steigerung der Leistung zu erwarten.

Letzlich ist der staatliche und private Bereich “relativ” arm. In einem Bereich konzentriert sich aber finanzielle Kraft und Macht über alle massen: dem der internationalen Konzerne. Dummerweise fehlen uns jede Ahnung, alle Fakten, Adressen, die Medien-Connections und die nötige Portokasse für den folgenden Ansatz:

  • Wir erinnern uns, irgendwann in einer UN-Studie gelesen zu haben, dass es die Grössenordnung von 5.000 global agierenden Konzernen gibt, die jeden mittleren Staat finanziell leicht in der Uhrtasche verschwinden lassen können. Hat irgend jemand diese 5.000 Adressen auf CD? Mit den Namen der verantwortlichen CEOs?:
    Bitte auf Briefumschlag ausdrucken und frankieren.
     
  • Ist irgendeine der grandiosen Consult-Firmen in der Lage, von den 5.000 die Ausgaben für Marketing und Werbung in US$ auszudrucken und kostenlos zur Verfügung zu stellen?
     
  • Mag irgendein oder eine Gruppe von Experten daraus einen “Verteiler-Schlüssel” erstellen, der ein “gerechtes” Burdensharing festschreibt?
     
  • Erlauben Sie uns zwischendurch eine Volksschüler-Rechnung:
    Wenn 24 Mrd. US$ jährlich zusätzlich für eine “effektivere” Bekämpfung des Hungers durch 5.000 Global Players aufgebracht werden müssten, dann sind das nach Adam Riese 4,8 Mio. US$ für jedes einzelne Unternehmen. Schade, dass wir nicht wissen, wie hoch der Werbe-Etat der Firma an Position 5.000 des Welt-Ranking ist.
     
  • Und dann schreiben wir einen Brief an die 5.000 CEOs, wenn es geht mit den Unterschriften (sorry wegen der Unkenntnis) vom Papst, dem Imman der islamischen Universität in Ägypten, dem Patriarchen der orthodoxen Katholischen Kirche, der Herren Annan, Prodi, Bush, Putin, Vajpayee, Jiang Zemin und wem sonst noch.
     
  • Und dann wärmen wir - durch die Hilfe der Spitzen-Berater dieser Welt - die Kontakte zu CNN, Al-Jazirra etc. auf.
     
  • Und wenn die Herrschaften aus den Vorstands-Etagen der 5.000 davon ungerührt weiter ihren Werbe-Müll ungeschmälert in die Welt blasen wollen, dann schicken wir Ihnen - militärisch geplant - die Demonstrations-”Horden” von Greenpeace, Attacs etc. vors Haus, ganz friedlich, aber mit Medien-Power.
     
  • Die 5.000 können ja gern ihre Blödel-Werbung weitermachen - aber mit dem Label von “Next to You” oder so ähnlich.

Schöner Traum. Man braucht wahrscheinlich Jahrhunderte, ihn umzusetzen. Oder den “Thrill” der Engel - You have it. Das Krombacher-Bier-Saufen für den Regenwald ist nur der erste “unsichere” Schritt.

{See You later - Alligator, aber nachhaltig}

 

Armut: Krieg

7. März 2002

Gestern hat James Wolfensohn, Präsident der Weltbank, vor dem Woodrow Wilson International Center in Washinton D.C. erneut zum Krieg gegen die Armut in den sich entwickelnden Ländern der Welt aufgerufen.
http://www.worldbank.org/html/extdr/extme/jdwsp030602.htm
Gut plaziert ist diese Rede allemal, denn in 14 Tagen werden sich in Monterrey, Mexico, die Regierungschefs der Welt zum Thema “Financing for Development” treffen.

Zunächst erinnert Wolfensohn an den Millenniums-Beschluss zu den Zielen der Entwicklungspolitik von mehr als 140 Regierungschefs anlässlich des UN-Gipfels 2002. Bis zum Jahr 2015 will man

  • “den Anteil der Menschen, die mit weniger als einem US-Dollar pro Tag überleben müssen, halbieren;
  • sicherstellen, das Jungen und Mädchen gleichermassen die Grundschule absolvieren;
  • die geschlechts-spezifische Ungleich-Gewichtung auf alle Bildungs-Ebenen beseitigen;
  • die Kinder-Sterblichkeit um zwei Dirttel,
  • die Mütter-Sterblichkeit um drei Viertel reduzieren;
  • HIV/AIDS, Malaria und anderen Krankheiten zurückdrängen;
  • den Anteil der Menschen, die keinen Zugang zu sauberem Wasser haben, halbieren
  • und eine globale Partnerschaft für die Entwicklung entwerfen.”

Positiv im allerdings nur tröstenden (und anspornenden) Sinne sind die Beispiele für Erfolge, die der Entwicklungs-Politik mit anzurechnen sind. Wolfensohn führt an:

  • Über den Verlauf der letzten 40 Jahre ist in den sich entwickelnden Ländern (DAC) die Lebenserwartung zum Zeitpunkt der Geburt um 20 Jahre angestiegen (um dies zu erreichen, hat die Menschheit bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts gebraucht);
  • das Analphabetentum ist in den DAC-Staaten innerhalb der letzten 30 Jahre fast halbiert worden (von 47 auf 25 % bei Erwachsenen);
  • im Verlauf der letzten 20 Jahre ist die absolute Zahl derjenigen Menschen, die mit weniger als 1 $ pro Tag auskommen müssen, erstmals wieder gesunken, nachdem sie in der Zeit der letzten 200 Jahre stetig angestiegen war - und das, obwohl die Weltbevölkerung um 1,6 Milliarden Menschen angestiegen ist.
  • Diese Fortschritte sind wesentlich dadurch entstanden, weil sich in der entwickelten Welt das durchschnittliche Einkommen über die vergangenen 35 Jahre mehr als verdoppelt hat.

Wolfensohn meint, dass dies nicht bedeutungslose Statistiken sind, und führt weitere Beispiele für den realen Fortschritt im realen Leben von Menschen an:

  • In Vietnam ist die Zahl der Menschen, die in Armut leben, innerhalb der letzten 15 Jahre halbiert worden;
  • in China ist in zwei Reform-Dekaden die Zahl der in Armut lebenden Landbevölkerung von 250 auf 34 Millionen gefallen;
  • in Indien ist die Alphabetisierungs-Rate für Frauen im letzten Jahrzehnt von 39 auf 54 Prozent gestiegen;
  • in Uganda hat sich die Zahl der Schüler in Grundschulen verdoppelt;
  • in Bangladesch sind dramatische Anstrengungen unternommen worden, um eine universelle Grundschul-Bildung zu erreichen; die Zahl der Mädchen an höheren Schulen ist gleich der der Jungen, während früher für Mädchen diesbezüglich grosse Hindernisse für den Schulzugang bestanden;
  • in Brasilien ist die Zahl der AIDS-bezogenen Todesfälle um mehr als ein Drittel zurückgegangen;
  • in Äthiopien profitieren 6 Millionen Menschen von besserer Ausbildung und Gesundheits-Vorsorge.

Absolut lesenswert sind die Grundlagen und Grundsätze für erfolgreiche Entwicklungspolitik:

  • Bildungs- und Gesundheits-Programme;
  • eine “gute und saubere” Regierung;
  • ein effektives Rechts- und Justiz-System und
  • ein gut-organisiertes und beaufsichtigtes Finanzwesen.

Von den entwickelten (reichen) Staaten fordert Wolfensohn konkret:

  1. Sie müssen den DAC-Staaten beim Aufbau ihrer Regierungs- und Business-Kapazitäten assistieren;
  2. Sie müssen den Willen finden, mit der Öffnung der Märkte voranzugehen, ohne auf die WTO-Fortschritte zu warten (Vorbild sei “the European Union’s lead on the Everything But Arms Agreement” - Hilfe, kennen wir nicht);
  3. Die Agrar-Subventionen müssen gekürzt werden, weil sie die armen Staaten ihrer Marktchancen berauben; die Höhe der Agrar-Subventionen ist sechsmal so hoch wie die Entwicklungshilfe für die 5 Milliarden Menschen der DAC-Staaten;
  4. Die Weltbank schätzt, dass zusätzlich 40 bis 60 Milliarden US$ pro Jahr aufgebracht werden müssen, um die “Millennium Development Goals” zu erreichen. Wenigstens müsse ein Stufenplan erfüllt werden, der eine Steigerung von 10 Mrd. $ pro Jahr in den nächsten fünf Jahren vorsieht.

In welche Grössen-Ordnung die 50-Mrd.$-Forderung zu stellen ist, beantwortet der Weltbank-Chef so: “Zusätzliche 50 Mrd. $ Entwicklungshilfe sind ein Fünftel von einem Prozent des Einkommens der reichen Staaten.”

Mit einer ganz groben Rechnung möchten wir schon vor Monterrey ermitteln, was unsere Republik erwartet:

  • Da die Agrar-Politik in der EU vergemeinschaftet ist, könnte Deutschland ja den Agrar-Subventionen den Krieg erklären - wenigstens den Agrar-Export-Subventionen (wir glauben auch nicht an den Osterhasen).
     
  • Die Zugangs-Regelungen für den EU-Markt sind auch vergemeinschaftete EU-Politik. Noch eine deutsche Kriegs-Erklärung?
     
  • Da Deutschland bei den Vereinten Nationen einen Anteils-Schlüssel von rund 10 % hat, wären bei 50 Mrd. $ zusätzlicher Millenniums-Hilfe jährlich bummelig 5 Mrd. EURO für die rote Heidi zu liefern (ihr gesamter Etat liegt 2002 bei 3,6 Mrd. Mrd. EUR!). Selbst bei der Weltbank-Minimal-Forderung von 10 Mrd. $ plus wird der Finanzminister noch Schwindelanfälle bekommen.

Wir hören ja gern die deutschen Sonntagsreden über zusätzliche Welthilfe, die Zivilmacht Deutschland und den erweiterten Sicherheitsbegriff. Wir lieben auch UN-Millenniums-Beschlüsse. Aber mit Wolfensohn stellen wir fest:
“Advances have not come by chance. They have come by action.”

P.S. Wir nehmen die 1 Mrd. EUR Mindestens-Hilfe aus dem Verteidigungs-Etat (damit der zukünftige Verteidigungsminister gezwungen wird, eine richtige Bundeswehr-Reform durchzusetzen) tättärräh - tättärräh - tättäräh

{Stell Dich quer - dann biste wer}

 

Kommunikation: Geheimnis

27. Februar 2002

Tolle Bücher sind geschrieben worden: Warum Männer Frauen nicht verstehen. Die herrlichsten Filme gibt es über Frauen- und Männer-Freundschaften: Warum sie bis in den Tod halten oder dramatisch zerbrechen. Wieviel Menschen haben wir schon kennengelernt, die ein Buch schreiben wollen: natürlich über ihre eigenen Kommunikations-Probleme. Faszinierend sind Stories über echte oder vermeintliche Wahrnehmungs-Probleme: Die schönsten sind die, die sich den Kopf über die (Fremd-)Wahrnehmung der (Eigen-)Perzeption zerbrechen. Geradezu immerdar ist die Problematik, dass sich Menschen über die Nebensächlichkeiten bei Zeitgenossen echauffieren: Aus Neben- werden Hauptsächlichkeiten.

Angesichts der Bush-Rede mit der “Axis of Evil”-Passage ist für die Freunde der westlichen Kulturgemeinschaft eine “niederschmetternde” Entwicklung der Kommunikations-Kultur der Atlantik-Brücke festzustellen. Hat jemand schon den Bestseller über die Kommunikation zwischen Regierungen geschrieben? Unbescheiden wie wir sind, liefern wir nur die Zusammenfassung:

  1. Denke über Churchills Theorem nach, Staaten hätten nur Interessen, keine Freunde. Richtig? Falsch: Staaten sollten Werte (Freunde) und Interessen haben.
     
  2. Wenn Du Dich in einem relativ un-authoritativen Umfeld (unter Freunden) bewegst, solltest Du
    - Dich innerlich auf Kinderstube und Freundschaftlichkeit mentalisieren, weil Dich sonst Deine Körpersprache verrät, die über CNN jeder entcodieren kann,
    - die Performance Deines Freundes nachsichtig einstufen (natürlich kann es nur Einen geben, Dich, aber vergiss es)
    - in der Sache absolut top-vorbereitet sein (wenn irgendeine Geschichte im Focus ist, solltest Du wenigstens den Knackpunkt herausgefunden haben),
    - Deine Betroffenheit und Dein Interesse “unschuldig” zur Geltung bringen.
    - bei absolutem Dis-Agreement nicht auf Deinen Freund einschlagen, sondern das Gehirnschmalz auf eine Exit-Strategie oder Two-Way-Street konzentrieren.
     
  3. Unter Nicht-Freunden (solche, die sich authoritativ über Dir einstufen und/ oder Dich instrumentalisieren wollen), gilt das Gleiche wie unter Ziff. 2, mit folgenden Ausnahmen:
    - mentalisiere Dich auf Kinderstube und vermeide jede Freundschaftlichkeit,
    - die Performance Deines Gesprächspartners kennen und ausbremsen,
    - Dein Interesse nachhaltig deutlich machen und Deine Betroffenheit überdeutlich,
    - das Dis-Agreement mit “Zucker und Peitsche” belegen.

Annähernd ebenso wichtig sind die Kommunikations-Formen:

  • Gegenüber Freunden ist bei zentralen Schwierigkeiten die einzig angemessene Form der persönliche, handgeschriebene Brief (der natürlich nicht in den Medien landen darf);
     
  • Darüber liegt die maschinell geschriebene “Botschaft”, deren Inhalt durch eine ganz saubere Analyse (in der Sprache des Empfängers) unterfüttert ist;
     
  • Begibt man sich in den Clinch mit den Medien, gilt:
    - Wenn Du den Mund aufmachst, merkt der Medien-Teilnehmer, ob Du vorher Dein Gehirn eingeschaltet hast;
    - Jederman weiss (merkt) intuitiv, dass nur die kommunizierte Botschaft eventuell wirken könnte, die Du mit Deinem Standpunkt (wirkungsvoll) “verkörperst”;
    - Glaube nicht den Kommunikations-Trainern, die Dir erzählen, dass Dir ein (Einzel-)Beispiel für Deine Käse-Theorie hilft - es sollte schon repräsentativ sein;
    - Wenn Du schon die unglaubliche Chance hast, selbst einen Zeitungs-Artikel zu einem wichtigen Thema zu schreiben - und dann noch in weltweit gelesenen Renommier-Blättern - ist aber wirklich Alarm-Stimmung angesagt. Weltweit können Millionen Menschen zu der Erkenntnis kommen, dass Du eine ungeheure Flachpfeife bist;
    - Vergiss nicht, warum bestimmte Leute durch die Medien gewirbelt werden. Politiker sollten keine “Luder” sein. Sie haben nur Wert, wenn sie sachlich hart-geprüfte Konzepte haben.

Ja, es ist ja gut, alles Käse, hilflos - wertlos - kostenlos. Hoch vom Dache kotzt ein blöder Rabe - schade. Sorry, aber es macht Spass - es ist das Leben - auch daneben.

{Sun Tsu sagt: “Höre auf alles, was Du nicht siehst”}

Nachtrag (7.3.2002):

Ein guter alter Freund hat uns umgehend die Frage nach dem Klassiker zum Thema Regierungs-Kommunikation beantwortet:
Robert Jervis, Perceptions and Misperceptions in International Politics, Princeton University Press, 1976, damals $19.95.

 

ESSAY: Festung Amerika

23. Okt. 2001

Nein, Nein, und nochmals Nein. So kann es nicht weitergehen. Wir haben uns alles angehört, alle Szenarien für die Zukunft gelesen, und haben, was die wenigsten Leute tun, endlich mal nachgedacht - für uns und die Amis. Es ist doch offensichtlich: Kein halbwegs Intellektueller findet auch nur noch ein halbwegs gutes Wort für die Weltmacht-Geplagten/Süchtigen. (Fast?) nichts machen sie auch nur annähernd richtig. Noch nach dem Ersten Weltkrieg waren sie einigermassen bei Troste - sie zogen sich aus den Händeln Europas wieder zurück. Wie es die Dummheit fast aller Nach-45-US-Strategen nun einmal wollte, wurde gerade diese gute Tat als zentraler Fehler gebrandmarkt und als Mit-Ursache für den Zweiten Weltkrieg hergenommen.

Seit 1945 reiht sich ein Fehler an den anderen - an allen üblen Entwicklungen seit dem sind die USA massgeblich, wahrscheinlich sogar allein schuld. Wie schön hätte sich die Welt entwickeln können ohne die Machtpolitik der Vereinigten Staaten von Amerika!

Andererseits wollen wir aber nicht nachtragend sein und mithelfen, dass die USA mit unserer Hilfe aus unser aller Dilemma herausfinden. Schon immer gab es den grundsätzlich anderen Ansatz als Modell: Isolationismus - Festung Amerika - Rückzug auf die heimische Scholle. Dass entspricht genau der philosophischen Erkenntnis des Mathematikers Blaise Pascal, die da ungefähr lautet: “Alles Unglück beginnt, wenn die Menschen ihr Zimmer verlassen” (Denk mal dran).

Alle Phantasie reicht ja nicht aus, um die Segnungen solcher US-Strategie auszumalen. Man hätte nur Freunde. Nicht ein einziger Mensch könnte den Amerikanern den Vorwurf machen, dass er sie auch nur in irgendeiner Weise tangiert, weder auf die irgendwie nur leiseste indirekte noch gar direktere Art.

Und an die wohltuendste Wirkung denken wir ja nicht zuletzt: die Vorbild-Funktion! Alle anderen Nationen würden flugs erkennen, welche geniale US-Strategie hier praktiziert wird, und schneller als der Wind dieser nacheifern.

Wir fürchten nur, dass so viele Intellektuelle jedweder Herkunft die Brillanz unserer Empfehlung nicht sogleich erkennen. Schade um diese Welt - wir ziehen uns in unser Zimmer zurück.

{Alle hören auf sich - nur ich hör’ auf mich}

 

Außenpolitische Strategie

Gibt es für die Strategie der Außenpolitik einen theoretischen Ansatz zur Frage "richtigen" Handelns?

Die Theorie von K. W. Deutsch

Menschliches Verhalten sowie das Verhalten von Regierungen und Nationen untereinander finden grundsätzlich in einer Konkurrenz-Situation statt, die von den Elementen der Kooperation und dem Konflikt der Interessen bestimmt ist. Wie sich der Mensch in diesem Spektrum verhält, stellte der Spieltheoretiker Professor Karl W. Deutsch 1977 wie folgt dar1):

"Wie verhalten sich die wirklichen Menschen? Die Gelehrten haben Versuchspersonen gegeneinander spielen lassen und haben das ungefähr 100 000 mal gemacht. In jedem Experiment mußte jede Versuchsperson - manchmal wurden auch Gruppen eingesetzt - 300 mal das gleiche Spiel spielen, denn man wollte sehen, was die Menschen aus dieser Spielsituation lernen können. Sie konnten nicht miteinander reden, sie konnten nicht verhandeln, und sie hätten einander sowieso nicht geglaubt. Es kam nur darauf an: Was taten sie?

Nun hat sich etwas Interessantes herausgestellt: Die Heiligen, die Leute, die wie die frühen Christen die andere Wange darbieten wollen, verlieren im Spiel ganz entsetzlich. Sie bringen die ärgsten Eigenschaften ihres Gegenspielers zum Blühen; denn der beutet sie nun rücksichtslos und ungestraft aus. Die Leute jedoch, die sagen: Dies ist eine schrecklich schlechte Welt, ich werde ganz sicher nie solidarisch sein, den letzten beißen die Hunde - verlieren auch. Denn sie kommen in eine Spirale der Vergeltung hinein, man ruiniert sich gegenseitig, und zwar mit Erfolg.

Was am besten funktioniert, ist Kooperation anzubieten, und wenn sie nicht auf Gegenleistung stößt, sie abzubrechen, aber dann sofort abermals anzubieten. Man wehrt sich also, man vergilt mäßig, man übersteigert nicht. Man sollte auf einen Schelm nur dreiviertel Schelme setzen und nicht anderthalb. Und immer wieder eine Zusammenarbeit offerieren. Auf diese Art haben sehr viele, nämlich dreiviertel der Spieler, Erfolge, also Kooperationen erreicht und dann gemeinsam die Bank ausgebeutet. Beide sind reicher geworden durch das Spiel. Aber es dauert eine beträchtliche Zeit, es dauert fünfzig bis hundert Erfahrungen. Das kann man im Laboratorium machen, aber nicht mit Kernwaffen.

Soweit die menschliche Natur. Einseitigkeit im Nachgeben bewährt sich also nicht; aber der ständige Wettkampf, das ständige Mißtrauen sind nicht weniger verderblich. Diese beiden Extremtaktiken sind jeweils Taktiken des gemeinsamen Ruins."

 

TIT FOR TAT 2)

Die Richtigkeit der These von Prof. Deutsch ist durch zwei Computer-Wettbewerbe in den USA bestätigt worden. 1980 lud Robert Axelrod, Professor für Politische Wissenschaften an der Universität von Michigan, fünfzehn Wissenschaftler (Psychologen, Mathematiker, Soziologen, Ökonomen) ein, um die beste Strategie herauszufinden in der Situation des sog. "Gefangenendilemmas", bzw. wie verhält man sich ohne die Existenz einer zentralen Autorität.

Die Strategie "TIT FOR TAT" (wie Du mir so ich Dir) des kanadischen Psychologen und Konfliktforschers Professor Anatol Rapoport gewann diesen Wettbewerb. Anschließend wiederholte Axelrod den Wettbewerb in verbesserter Form; es beteiligten sich 63 Wettbewerber aus den USA, der Schweiz, Canada, Großbritannien und Neuseeland, denen die Ergebnisse und die Strategie von TIT FOR TAT bekannt waren. Wieder gewann TIT FOR TAT, ebenfalls in fünf von sechs sog. "Robustheitstests" und einem "1000 Generationen-Test".

Die vier Verhaltensgrundsätze von TIT FOR TAT:

1. Sei nett und kooperationsbereit, betrüge nie als erster.

2. Sei provozierbar; wenn Dich der Mitspieler betrügt, vergelte (retaliate) begrenzt.

3. Sei versöhnlich; nach der Vergeltung sei wieder nett, kooperationsbereit, betrüge nicht.

4. Sei klar; komplizierte Strategien wirken chaotisch, unbeeinflußbar, unkooperativ.

Abschließend kommt Axelrod zu folgenden Empfehlungen 3):

1. Don't be envious (neidisch, boshaft).

2. Don't be the first to defect (Defekt, Schaden zufügen, Treue brechen).

3. Reciprocate both cooperation and defection (Erwidere Kooperation und Treuebruch).

4. Don't be too clever. 

Daß die Übertragung dieser "menschlichen" Verhaltensweisen auf die Verhaltensweise von Regierungen übertragbar ist, kann aus der folgenden Darstellung des Soziolgen Talcott Parsons entnommen werden: 4)

"Alles soziale Verhalten, selbst die Politik so komplexer Gesamtheiten wie der Nationalstaaten, ist letztlich Verhalten von Menschen und verstehbar über die Motivierung von Individuen - und seien es auch Millionen - in den Situationen, in die sie jeweils gestellt sind."

Diese empirisch abgesicherte Forschungsarbeit zur Theorie der Kooperation zeigt überzeugend den Grundsatz auf, daß man auf einen "Treuebruch" reagieren muß. Weiter ist wichtig, daß man Ressourcen für die Reaktion zu Verfügung haben muß. Damit ist natürlich nichts über konkrete Maßnahmen im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik ausgesagt, und gerade hier würden die Probleme beginnen 5). Was ist und wann liegt ein "Treuebruch" vor und was wäre adäquate reziproke "Vergeltung"?

Akzeptiert man den Grundsatz der adäquaten Reaktion und beginnt eine Beurteilung der wechselseitigen Außenpolitik unter dieser Vorgabe, kann es sich nur noch um eine Diskussion über die Angemessenheit der Reaktion handeln, in der kaum objektive Kriterien vorliegen dürften.

1) Karl W. Deutsch, "Der einzelne und der Friede" in:"Was der Mensch braucht - Anregung für eine neue Kunst zu leben", hrsg. von Hans Jürgen Schulz, Stuttgart - Berlin 1977,    S. 94 ff.

2) Vgl. Douglas R. Hofstadter, "Metamagikum - Kann sich in einer Welt voller Egoisten kooperatives Verhalten entwickeln?", "Spektrum der Wissenschaft" (1983) Aug., S. 8 ff. Ausführlich in: Robert M. Axelrod, "The Evolution of Cooperation", New York 1984; deutsch: Die Evolution der Kooperation, Oldenbourg-Verlag 1987, ISBN 3-486-53991-4, 36 DM. Eine breitere Darstellung von tit for tat ist in dem lesenswerten Buch "Metamagikum" von Douglas R. Hofstadter zu finden (S. 781 - 802).

3)"The Evolution of Cooperation", S. 110

4) Zit. bei: Wilhelm G. Grewe, Spiel der Kräfte in der Weltpolitik, Theorie und Praxis der internationalen Beziehungen, Düsseldorf und Wien, 1981, S. 174 f

5)Zur Anwendung dieses Modells auf die Außen- und Sicherheitspolitik vgl. Christopher Makins, "The Super-power's Dilemma: Negotiating in the Nuclear Age", in: "Survival" (1985) July/August, S. 169 ff.

 

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