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NATO - Probleme

Politische Probleme

Michael Rühle, seit ca. 10 Jahren hochrangiger Mitarbeiter in der Policy Planning Section der NATO, zeichnete in sieben Thesen die grundlegenden “Transatlantischen Dissonanzen” (“Internationale Politik, 4/2000, S. 43 ff.) auf:

  • “These 1: Der Hegemonievorwurf an die USA ist salonfähig geworden,
  • These 2: Bisher erreicht die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP; d.V.) ihr proklamiertes Ziel einer Stärkung des transatlantischen Sicherheitsverbunds nicht;
  • These 3:Die europäische Haltung zu NMD (Ballistische Raketenabwehr; d.V.) ist perspektivlos;
  • These 4: Dissonanzen über ESVP und NMD können die aktuelle transatlantische Sicherheitsagenda belasten;
  • These 5: Die globale militärische Dominanz der USA ist eine dauerhafte Realität
  • These 6: Europäische Stabilität ist nur mit den USA zu gewährleisten; (wichtiger Satz: “Eine umfassende Auseinandersetzung mit künftigen Konfliktszenarien findet nur in den USA statt.”)
  • These 7: Transatlantische Sicherheitspolitik bleibt das Management von Asymetrie.”

Genauso ist lesenswert: David Gompert, Präsident des Think-Tanks RAND (Die ZEIT, 9.3.2000, “Alles Fatamorgana?”):

Entscheidende Frage: “Woher stammt dieser Impuls, den anderen zu verunglimpfen, zu übervorteilen - und, was am schlimmsten ist, einander das Vertrauen zu entziehen?” (Und das meint Gompert in Hinsicht augenscheinlich - und zu recht - vor allem in Hinsicht auf die Europäer).

 

NATO’s Wiedergeburt: einsam

24. Februar 2009

Wenn fünf führende U.S.-Think Tanks eine gemeinsame Forderung für das “Reborn” der NATO schreiben, ist das schon ein bedeutsames politisches Signal. Man muss feststellen, dass die Europäer in Washington immerhin noch einen gewissen Stellenwert besitzen:
http://www.acus.org/publication/alliance-reborn-atlantic-compact-21st-century

Der “Reborn”-Ansatz der NATO-Freunde ist allerdings traditionell:

  • Man nehme alle aus U.S.-Sicht begründbaren Forderungen zusammen, die die heile Welt der NATO-Zukunft verheissen;
     
  • Der Wunsch-Katalog für die Wiedergeburt ist so umfassend, dass man, den Ist-Zustand im Kopf, an eine Niederkunft nicht glauben kann.

Entlang der meta-strategischen Erwägungen findet man wohlwollendes Kopfnicken, wenn man einwirft, dass die U.S.A. die Probleme der Welt nicht allein lösen können - Hurra, wir sind auch wichtig. Und das die U.S.A. eine niedergehende Weltmacht sind, wird sich niemand widersprechen trauen.

Das sollte man noch einmal überdenken. Nicht im “umfassenden” Verständnis der Sicherheitspolitik, wohl aber im “engeren” Verständnis (hard core), werden die U.S.A immer mehr “allein”, einsam. Dagegen haben sie keine wirksame Strategie.

{Einsamkeit ist der Normalzustand}

 

NATO-Reform: Praktikant

15. Februar 2008

Wer sich unbedingt das sonnige Wochenende mit Gedanken zur Reform der NATO versüssen will, wird sich mit dem Interview, welches David S. Yost mit dem Ex-SACEUR, General James L. Jones, geführt hat, eine gute Vorlage einhandeln:
http://www.ndc.nato.int/download/publications/rp_34.pdf

Der in der Zeit von 2003 bis 2006 verantwortliche oberste Kommandierende des Allianz-Militärs bietet genügend Aufgaben für ein neues Strategisches Konzept der NATO, welches die zukünftigen Herausforderungen aufnimmt:

  • Die “Transformation” der politischen Ebene des Bündnisses;
     
  • Eine Umwandlung der informellen Einigung auf dem Prager Gipfel (2002?), 2 % des Bruttoinlandsproduktes (BIP/GDP) für Verteidigungszwecke aufzubringen, in eine formelle Übereinkunft;
     
  • Das bisherige Kostenverteilungs-Prinzip des “costs fall where they lie” zu beenden, um die Lasten von allen Bündnis-Staaten tragen zu lassen (common funding);
     
  • Die Konsensus-Formel für sehr viele der 350 Kommittees der NATO-Bürokratie aufzuheben;
     
  • Die Alliierten sollten in “proactive terms” denken, um zukünftige asymetrische Bedrohungen abzuschrecken und abzuwehren;
     
  • Für zukünftige NATO-Einsätze meint General Jones:
    “The time for taking on new missions all the while reducing ressource support is over”.

Nun müsste man einen “Praktikanten” (Minister Jung’s neuer Spitznahme) zur Hand haben, der den Wunschkatalog für die Reform des erodierenden Bündnisses vervollständigt.

{Welchen Katalog liest Ihre Frau denn gerade?}

 

Neue NATO: inoffiziell

16. Juni 2006

In der neuen Ausgabe der “NATO-Review” findet man den knalligen Vorschlag, dass die NATO “Abschied vom Krieg” nehmen sollte. Christoph Bertram, einer der wenigen wirklichen Strategen, begründet, warum die NATO ihre Präferenz vom “Fighter” zum “Stabiliser” verschieben sollte:
http://www.nato.int/docu/review/2006/issue1/english/military.html

Man darf sicher sein, dass die NATO offiziell niemals ihre Kriegsführungsfähigkeit vom Platz 1 ihrer Agenda nehmen wird. Vor allem die Faktenbasis spricht aber dafür, dass der Allianz inoffiziell bescheinigt werden muss, dass sie “nur” noch Nachkriegs-Stabilisierung leisten kann.

Autor Bertram meint, dass die NATO-Führungsnation U.S.A. mehr als genug Streitkräfte hat, um jeden konventionellen Krieg gewinnen zu können. Geht man von dieser - u.E. - richtigen These aus, ergäben sich z.B. für die deutsche und europäische Sicherheitspolitik massive Konsequenzen:

  • Die europäischen Staaten müssten damit beginnen, ihre bisher national begründeten Ambitionen hinsichtlich der Kriegführungs-Fähigkeiten miteinander funktional zu synchronisieren - und reduzieren;
     
  • Europa könnte seine militärischen Luftschlösser den haushaltsbedingten Sozialbauten angleichen und mit seiner Soft-Power zivilmächtig sein;
     
  • Den Militärs müsste Nachhilfe-Unterricht erteilt werden:
    - Das feine Kriegshandwerk ist die Stabilisierungsaufgabe; damit ist man der Saubermann;
    - Die “Blut- und Drecksarbeit” können (nur) die Amis machen;
     
  • Mit dieser Strategie kann man sich beruhigt dem Haushalts-/Rüstungs-Delta widmen. Kriegsführungs-Rüstung wird geschoben, die Bundeswehr im Einsatz bekommt alles.

Die Bertram-Idee ist ja eigentlich schon Wirklichkeit; es stören nur noch die immer wieder vorgebrachten Ambitionen derjenigen, die die Augenhöhen-Ideologie so lieben.

{Ambition oder Munition: das ist die Frage}

 

NATO-D: Dummies

28. Juni 2004

Leider kann man nur als registrierter Journalist bei www.cvd.bundesregierung.de den Text des Briefings abladen, der die Bemerkungen von hochrangigen Sicherheitsexperten der Bundesregierung (8 S.) vor dem Istanbuler NATO-Gipfel protokolliert. Bei den “unter 2” geäusserten Erkenntnissen darf unsereins dann zitieren, dass die Aussagen “aus Regierungskreisen” stammen:

  • “... denn wir werden ja nicht ausschliessen können, dass in 5, 10 oder 15 Jahren die Amerikaner nicht mehr bereit sein werden, ihre eigenen Fähigkeiten immer für das zur Verfügung zu stellen, wozu eigentlich die Europäer selbst in der Lage sein müssten.”

Man sollte diese Aussage zum Ausgang für Besinnungs-Aufsätze angehender oder vermeintlicher Strategen bestimmen. Man setze sich vor einige unbeschriebene Blätter Papier:

  • Zunächst ist diese verbreitete Wahrnehmung uralt:
    - Dem französischen Staatspräsidenten de Gaulle diente dieses, vielleicht von der Roten Kapelle inspirierte, Menetekel, um die französische autonome Rundum-Verteidigung nebst einer gewissen NATO-Ferne zu gründen. In diesen Tagen muss diese Strategie fröhliche Urständ feiern, weil Nebenbeweise für diese These (mühsam) destilliert werden können.
     
  • Inhaltlich bedeutet diese Denke ja nicht weniger als:
    - Wenn es für uns Europäer richtig brenzlich wird, werden uns diese verdammten Amis verbrennen lassen.
     
  • Euphorisch wird (unterstellend) getröstet, dass die Europäer mit ihrem Militär-Kram im 2020-Horizont irgendein massives Kriegs-Szenar heben könnten. Merkbar kämpfen diese Kameraden gegen die Zivil-Macht-Europäer, die mit ihren Soft-Skills den Weltfrieden retten.
     
  • Gänzlich unterbelichtet sind die Bedrohungs-Szenare. Wer könnte wen mit was realistisch bedrohen (uns)? Gibt es das Phänomen der “Bedrohung” eigentlich noch, wenn es nur noch um “Interventionen” geht?

Bewegt man sich auf das Normal-Mass des Faktischen, könnten sich ganz andere Strategeme ergeben:

  • Die hehren Zeiten multi-lateraler Beschluss-Gremien, auch der NATO, sind passe’.
     
  • Je nach innenpolitischer Befindlichkeit versucht jeder Schreihals, seine aussenpolitische Botschaft bis auf die Kommunalwahl-Ebene hinunter zu quaken.
     
  • In der Action-Policy sucht man sich seine Kumpels, schmeisst Nebelkerzen, und optimiert alles für die Wiederwahl.
     
  • Danach hofft und bangt man, dass das Durchwurschteln-Prinzip wieder mal funktionieren wird.
     
  • Beim Nickerchen auf dem Sofa träumt man davon, wenigstens in die Geschichte einzugehen.

Für mehrere Lebensbereiche gibt es inzwischen die erbauliche Literatur “... für Dummies”. Wir tippen blind, dass es “Sicherheitspolitik für Dummies” noch nicht gibt (und vergessen, den Titelschutz dafür zu beantragen - später beantragen wir dann: “Sicherheitspolitik für Blödies”).

{Wir arbeiten ‘dran - schreib uns für Dummies/Blödies}

 

NATO-SITREP: Punk

22. Juni 2004

Nachdem der Istanbul-Gipfel der NATO nicht mehr weit ist und in allerlei Gazetten über das transatlantische Verhältnis palavert wird, dürfen wir nicht fehlen. Es wird wohl wenig nützen, dass wir für unseren SITuation-REPort XXL’s reklamieren:

  • Im Kosovo sind von den 20.000 NATO-Soldaten nur 6.000 wirklich einsetzbar;  der Rest reklamiert für sich die üblichen Disclaimer.
     
  • Nun will man die eigene NATO-Intelligence; bisher hat man mit dem alten Machtgehabe der “Augenhöhe-Strategie” den eigenen Schaden geschachert.
     
  • Die Steuerzahler würden die Mächtigen prügeln, wenn sie wüssten, dass 30 - 50 % der Kosovo-Kräfte nur nationalistische Logistik sind. Gibt es einen NATO-Rechnungshof?
     
  • Die NATO-Response-Force (NRF) ist ein Kapitel für sich:
    - Hat man die “politische Kultur” entwickelt, sie ggfs. auch tatsächlich einzusetzen?
    - Wie sehen die USA die NRF? Will man die alten Europäer nur auf US-Niveau bringen?
    - Tragen die USA mit einem Schiff und einem Aufklärer überhaupt zur NRF bei? Augenscheinlich nicht.
     
  • Die sonderliche NATO-”Erfolgs”-Story Afghanistan ist wahr und grotesk zugleich:
    - Das Delta zwischen zugesagten und umgesetzten PRT’s (Provincial Reconstruction Teams) ist erheblich;
    - Der mächtigsten Militär-Allianz der Welt mangelt es für die “kümmerliche” Afghanistan-Mission massiv an Hubschraubern und Personal für den Betrieb des Airports von Kabul. Die Aufzeichnung aller Zahlen-Schiebereien würde niemand interessieren.
    - die positiven Zeichen sind nicht zu verachten (hoch lebe die repräsentative Berichterstattung).
    - Schlimm ist, dass trotz des regierungs-amtlichen Getöses von der Verteidigung am Hindukusch dieses Sicherheitsverständnis das Interesse-Denken der NATO-Staaten nicht erreicht hat. Man fragt sich hier: Was bringt uns das? Antwort: Eher nichts.
    - Zu recht hektisch wird das Denken für die Notfall-Planung: Wie holen wir “unsere Jungs” im Ernstfall ‘raus?
     
  • Für den Irak wird es in Istanbul keinen NATO-Auftrag geben. In der Seele einiger  NATO-Europäer rumort die Frage, ob sie denn der Selbstbedienungsladen (toolbox) der USA für deren “Abenteuer” sind - (oder was?). Am Ende bleibt das Fazit: Einen Irak-Einsatz der Allianz würde die NATO nicht überleben.

Man sollte nicht besonders verwundert sein, kritische U.S.-Stimmen zur NATO zu hören. Hierzulande ist man nicht ganz ehrlich. 15 Jahre ist es her, dass das deutsche nationale Interesse direkt bedroht war; die deutschen Nationalisten haben das längst bemerkt. Die deutschen NATO-Fans sind die konzeptionelle Antwort auf die sicherheitspolitische Kernfrage Deutschlands bisher schuldig geblieben; so einfach ist sie auch nicht.

Es ist beruhigend, dass die Zeit über den NATO-Gipfel in Istanbul gnädig hinwegrauschen wird und die PR-Trommeln alles Gequake übertönen werden. Wenn fast jedes Wochenende auf dieser Welt Wahlen stattfinden und die Journalisten der globalisierten Welt nur noch ihren Kandidaten in den USA zum Sieg schreiben wollen, ist die NATO nur noch ein Schraubenzieher in der Toolbox.

{Globalisierung ist toll: ICH bin der MittelPUNK}

 

NATO-Response-Force: MC 472

17. September 2002

Verteidigungsminister Struck wird sich am Tag nach der Wahl in Richtung Warschau bemühen müssen, denn für den 23.9. ist seit langem ein informelles Treffen der NATO-Verteidigungsminister geplant. Wie vor während des Wahlkampfes, werden die Bundesbürger auch dann nicht mitbekommen, welche Umwälzungen (seit langem) in der NATO vorbereitet werden.

Aus der NATO-Zentrale wird nach Berlin berichtet, dass nicht nur die Briten “die Terrorismus-Bekämpfung als Priorität Nr. 1 auf der Agenda” sehen wollen. Unsere englischen Freunde (auch dabei sind sie nicht allein) wollen “zunächst den umfassenden Ansatz definieren und dabei die Elemente

  • - des Counter-Terrorism,
    - des Consequence Management (Unterstützung des zivilen Bereichs mit militärischen Fähigkeiten und Mitteln),
    - der Zusammenarbeit mit der EU,
    - der Re-Priorisierung der NATO-Fähigkeiten angesichts feindlicher Akte oder ... konkreter Bedrohungen, woher diese auch kommen, zu integrieren.
  • In einem zweiten Schritt müssten die entsprechenden Fähigkeiten ausgebaut werden. Dazu zählten insbesondere
    - verbesserter Schutz und Früherkennung bei C- oder B-Angriffen,
    - eine C2-Überlegenheit (Command and Control),
    - Präzisionswaffen,
    - Fähigkeiten zu einer schnellen Reaktion ...
  • Drittens müsse die Entscheidungsfähigkeit der Allianz angesichts der kurzen Zeitvorläufe bei terroristischen Angriffen verbessert werden. Zusätzlich gelte es, ein besseres Verständnis der sich stellenden Bedrohung zu entwickeln. Neben einer Verbesserung nationaler Aufklärungsbemühungen müssten die NATO-Prozeduren zum nachrichtendienstlichen Informationsaustausch verbessert werden.”

Alle Einzelheiten werden mit dem Entwurf “MC 472”, dem Papier des Military Committee, den Struck-Kollegen rechtzeitig vorliegen. Extra ist vermerkt: “Alle Massnahmen müssen im Einklang mit dem Internationalen Recht und der Charta der VN erfolgen.”

Allerdings hat der US-Vertreter im NATO-Rat schon angekündigt, dass Verteidigungsminister Rumsfeld wahrscheinlich

  • “das Konzept einer ‘NATO-Response-Force’, insbesondere für Angriffe mit Massenvernichtungswaffen, vorlegen” (wird),
     
  • “Auch die Bronson-Vorschläge (was immer die sind, d. Verf.) zu einem verstärkten Schutz gegen MVW (Massen-Vernichtungswaffen) sollten weiter vorangetrieben werden. Dabei sollte man sich zunächst auf Kernprojekte konzentrieren. Eine weitere Ausweitung würde zusätzliche Mittel erforderlich machen.”
     
  • “US unterstrich ferner, dass Raketenabwehr Teil des Massnahmenpaketes für Prag (Herbst-Sitzung der NATO) sein solle.”

Wir freuen uns, dass die Wahldampf-Debatte von diesen Vorgängen unberührt bleibt. Es reicht, wenn sich die Clausewitze aller Coleur der Themen nach der Wahl benächtigen.

{Hoch leben die Spinn-Doctors}

 

NATO-Frühjahr: Warte-Saal

10. Juni 2002

Es ist ein paar Tage her, dass sich die NATO-Verteidigungsminister am 6./7. Juni 02 in Brüssel getroffen haben. Im Nachgang haben wir festgestellt, dass wirklich lesenswert nur das NATO-”Statement on Capabilities” ist:
http://www.nato.int/docu/pr/2002/p02-074e.htm

In dieser Erklärung sind Entwicklungslinien für die NATO festgehämmert, die für das Treffen der Staats- und Regierungschefs im Herbst d. J. in Prag Spannung versprechen:

  • Die “Defence Capabilities Initiative” (DCI) des Washingtoner Gipfels von 1999 wird neu priorisiert:
    (1.) “Verteidigung gegen chemische, biologische, radiologische und nukleare Angriffe;
    (2.) Sicherstellen sicherer Führungs-Kommunikation und Informations-Überlegenheit;
    (3.) Verbesserung der Interoperabilität von stationierten Streitkräften und Schlüssel-Aspekten der Kampf-Effektivität und
    (4.) Sicherstellen schneller Stationierung und Durchhaltefähigkeit von Kampf-Streitkräften” (Ziff. 5).
     
  • Ziff. 6 fordert “verbindliche” Zusagen und “erhöhte multinationale Kooperation und Rollen-Teilung, incl., wo angebracht, durch gemeinsam besitzte und operationell betriebene Systeme.”
     
  • Ziff. 7 spricht “beispielsweise von reduzierten Streitkräfte-Umfängen und der Umsteuerung für die Modernisierung der Ausrüstung”, vom “Pooling” von militärischen Fähigkeiten, ... dem kooperativen Ankauf von Ausrüstung und gemeinsamer und multinationaler Finanzierung.”
     
  • Die Ziff. 8 zeigt, dass Nuklearwaffen nicht im Focus der NATO sein sollen; die Aufzählung der zu ergreifenden Initiativen ist Stoff für mindestens fünf industriell verwertbare Aktionsfelder.
     
  • Der absolute Hammer ist die Ziffer 9: Wenn man sich für den Bundestagswahlkampf vorstellt, dass Verteidigungsminister Scharping das mit Duldung des grünen Aussenministers (?) hat durchgehen lassen, dann dürfte schon Diskussionsbedarf anmeldbar sein; aber in der “Spass-Gesellschaft der Möllemänner” ist das nicht zu erwarten.
    “Es ist derzeit ein Konsens der Allianz für die Notwendigkeit einer Stationierung von ‘theater missile defences” (festzustellen), um unsere stationierten Streitkräfte zu schützen ... Das Territorium der Allianz und die Bevölkerungs-Zentren mögen ebenso eine steigende Raketen-Bedrohung sehen. Dafür muss die Allianz Optionen durcharbeiten, um dieser Bedrohung effektiv und effizient zu begegnen durch einen Mix aus politischen und Verteidigungsmassnahmen.”

Zu dem neuerlichen Lieblingsthema der “preemptive action” (G. W. Bush) gab es natürlich auch Bewegung. Der Rückgriff auf verschiedene Quellen ergibt Stoff:

  • usinfo.state.gov vom 6. Juni bringt ein 5-seitiges “Background-Briefing” im NATO-Hauptquartier in Brüssel, für das die “US-Senior Defense Officals” eine milde Rüge bekommen sollten. Denn sie (er) behaupten zunächst, dass es keine Diskussion dieses Themas gegeben habe. Danach gibt der US-Defense-Offical allerdings zum besten, dass er als Hinterbänkler bei allen Sitzungen meistens erlebe, dass die Mehrheit der Minister für die “Notwendigkeit von Massnahmen” spreche.
     
  • In dem 8-seitigen Transkript der Pressekonferenz von Verteidigungsminister Rumsfeld (ebenfalls auf usinfo.state.gov) fällt auf Seite 6 die vorsichtige Werbe-Botschaft des Kommunikations-Profis Rumsfeld ins Auge: Er wirbt mit einer persönlichen Neu-Definition des Begriffs “Defensiv”.
     
  • Im englischen “Guardian” (Ian Black, “Rumsfeld tells NATO to face up to terror danger”, 7.6.02) wird Rumsfeld zitiert: “absolute proof cannot be a precondition for action.”
     
  • Michael Evans meldet für die englische TIMES am 7. 6. aus Brüssel, dass NATO-Sekretär Lord Robertson of Port Ellen gesagt habe, dass die NATO ein “defensive body” und es nicht angemessen sei, nach der Lösung von Problemen vorab zu suchen (“looking for problems to solve”).

Es kann wirklich nicht sein, dass wir Probleme vor ihrer Inkarnation erkennen. Unsere Kultur der Verschwörungstheorien würde enden. Wohin kämen wir, wenn unsere Zukunft ein leicht darlegbares Opfer unserer grandiosen Analyse-Intelligenz wäre? Dann würden wir uns alle mit Themen beschäftigen, die weitab unserer Paranoia liegen.

{Gelobt sei die Zukunft - sie ist alles andere als gedacht}

 

NATO: Prager Fenstersturz?

1. Februar 2002

Die Terror-Frage hat die NATO nun wirklich erreicht. Nachdem

  • zum ersten Mal in der 52-jährigen Geschichte des historisch einmaligen politisch-militärischen Bündnisses der Angriffsfall ausgerechnet gegen die USA festgestellt wurde,
  • es von Seiten der Europäer nachfolgend ausser in Nebenfragen (AWACS) keine militärischen Mittel bereitstellen konnte, die zu den US-Mitteln kompatibel und nutzbringend waren,
  • sogar die Übernahme der ISAF-Aufgabe am Veto der Franzosen scheiterte,
  • die Erweiterung der NATO bis zur völligen Handlungs-Unfähigkeit und einzigem Ziel befürchtet wird und
  • allenthalben die Toten-Glocken immer heftiger erklingen,

haben sich - Sie würden nie darauf kommen - die Niederländer mächtig ins Zeug gelegt und die umfangreichsten und fundiertesten Vorschläge zur Terror-Bekämpfung als Aufgabe der NATO schon im Spätherbst 2001 sehr konkret erarbeitet. Demgegenüber hat der NATO-Rat, die Versammlung der NATO-Botschafter und damit das politisch höchste Gremium, erst in diesen Tagen nach angeregter Anregung durch den Generalsekretär Lord Robertson eingesehen, diese politische Debatte in den nächsten Tagen in “informellen Gesprächen nachzuholen”. Dass dies dringend notwendig ist, hat der Vorsitzende des Military Committee, Admiral Venturoni, deutlich gemacht. Erste Aufgabe sei, “die Punkte zu identifizieren, zu denen politische Vorgaben des NATO-Rats für erforderlich gehalten werden”.

Am 30. Januar 02 fand auf höchster Arbeits-Ebene, dem “International Staff” (IS), die erste Debatte zu einer “Skizze” eines NATO-Konzepts zur Terroris-Bekämpfung statt. Diese Skizze hat den “Front-Verlauf” wie folgt geprägt:

  • Die Niederlande, Kanada, Gross-Britannien, die Türkei und die USA, die sich “spät, aber entschieden” für folgendes geäussert haben:
    - Die Terrorismus-Bekämpfung ist neue und wesentliche, ambitionierte Aufgabe des Bündnisses, die beim NATO-Herbst-Gipfel in Prag als solche identifiziert werden muss und “in konkrete Beschlüsse münden soll”. Die IS-Skizze wird, insbesondere im Licht der sauberen NL-Arbeit, als “bürokratisch” klassifiziert.
     
  • Die zweite Gruppe bilden Frankreich, Italien und Deutschland. Sie sprechen sich für
    - eine behutsam “pragmatische” Verbesserung erkannter Defizite und “Augenmass” aus, die in den dafür zuständigen Ausschüssen weiterbehandelt werden,
    - Ansatzpunkte seien “Verbesserung des Informations-Austausches, Stärkung der Fähigkeiten gegen Proliferation, ABC- und Zivilschutz.
     
  • Alle übrigen Staaten haben sich vorerst bedeckt, “rezeptiv” verhalten.

Das Umfeld für die weitere “Schlacht” ist ziemlich eindeutig:

  • Die Terrorismus-Bekämpfung wird zum Tagesordnungspunk 1 des Prager Gipfels; die bisher als TOP 1 gehandelte “Erweiterungs”-Frage tritt in den Hintergrund. Die USA werden den sicherheitspolitischen Wert der NATO danach bewerten, wie sie sich zu dieser Frage stellt. Herausragend in diesem Zusammenhang ist der sehr einflussreiche Republikaner Richard G. Lugar, US-Senator aus Indiana. Seine in Brüssel am 18. Januar gehaltene Rede “NATO’s Role in the War on Terrorism”
    http://www.senate.gov/~lugar/011702.html
    enthällt die schlichte Feststellung, dass die NATO “irrelevant”, increasingly marginal” wird, wenn sie sich der Terrorismus-Bekämpfung nicht stellt. Die zahlreich anwesenden “Permanent Representatives” der NATO-Staaten sollen sehr beeindruckt gewesen sein.
     
  • Im Hintergrund der Problematik stehen zwei NATO-Fundamente, die zur Korrektur anstehen würden:
    - Die geografische Begrenzung der NATO (area of responsibility); mit dem Hinweis hierauf hat die Französische Regierung NATO/ISAF verhindert;
    - Das Konsens-Prinzip; ähnlich der EU wird die NATO handlungsunfähig werden, wenn es nicht eine “satzungsgemässe” Coalition of the willing geben kann.

Für Deutschland ist klar, dass dies eine “Richtlinien-Frage” ist. Bundeskanzler Schröder wird sich der Fragestellung widmen und erklären müssen. “Man” (D) müsse “sprechfähig” gegenüber den sehr konkreten NL-Vorschlägen werden; “wir (D) werden nicht umhin können, unsere Position hierzu festzulegen”, schreibt ein wirklich nicht unbedeutender D-NATO-XXL.

{Ploetz: Der 2. Prager Fenstersturz konnte durch den deutschen Eiertanz leider nicht verhindert werden}

 

Lord Robertson: Pygmäe

25. Januar 2002

Von Zeit zu Zeit muss man schon einmal wieder eine Politiker-Rede wenigstens lesen. Wir haben dem General-Sekretär der NATO, Lord Robertson, virtuell “At the First Magazine Dinner” (was immer das ist) am 24. Jan. 02 im Londoner Claridge’s Hotel beigewohnt und müssten lernen:

  • George hat nicht ungekonnt versucht, die NATO zu retten: Europa und Nord-Amerika bleiben, was sie seit 5 Dekaden sind: “eine felsenfeste Gemeinschaft gemeinsam getragener Werte.”
     
  • Die “NATO hat, wie bei Desert Storm, nicht die Kampagne gegen Taliban und Al-Qaeda angeführt (lead), weil eine grössere Koalition gebraucht wurde ... diejenigen, die meinen, dass die US-Kampagne in Afghanistan nun das alleinige Modell für zukünftige Militär-Operationen sei, sind genauso fehlgeleitet wie solche, die das Gleiche nach Desert Storm und Kosovo gesagt haben.”
    Übermutig schliesst er an: “Keine militärische Operation kann durch ein einzelnes Land unternommen werden.”
     
  • Langfristig sieht Robertson die Europäer sehr viel weniger optimistisch: “Die Wahrheit ist, dass das mächtige Europa eine militärischer Pygmäe ist.” Zwar würden die Hauptquartiere impressive Diagramme über Soldaten, Panzer und Flugzeuge aufzeigen, aber “die Realität ist, dass wir es sehr schwer haben, 50.000 Soldaten auf dem Balkan zu unterhalten” (nachrichtlich: die NATO-Europäer hatten 2001 2,9 Millionen Soldaten zu Buche). Obwohl die NATO-Europäer 140 Mrd. US$ fürs Militär ausgäben, würden die Europäer trotzdem US-Hilfe brauchen, eine grössere Operation zu verlegen, zu befehligen und zu versorgen.
     
  • “Die harte Tatsache ist, dass zu viele Nicht-US/NATO-Regierungen zu wenig für die Verteidigung ausgeben. Und, noch wichtiger, zu viele Regierungen verschwenden .. es für Kapazitäten, die nichts zu ihrer eigenen Sicherheit, der Sicherheit Europas oder erweiterter kollektiver Interessen beitragen. Es gibt zwar ehrbare Ausnahmen, hauptsächlich Gross-Britannien und Frankreich, aber auch hier ist das Flickwerk.”
     
  • Zwar erklärt Robertson die wahre Weisheit, dass es leichter ist, etwas zu kritisieren als dafür Lösungsvorschläge zu bieten, aber leider gibt er nur eine einziges Lösungs-Element, nachdem er (wohlwissend) das altbekannte, 3 %ige jährliche, reale Erhöhung der Verteidigungsausgaben, verwirft:
    “Smarte Beschaffung”.  Hat der NATO-General-Sekretär nur diesen einen (mageren) Punkt, den er über eine halbe Seite ausgewalzt hat? Wäre nicht stattdessen eine Punkt-Aufzählung aller konzeptionellen Vorschläge angesagt gewesen? Wahrscheinlich ist da nichts, denn zum Schluss kommt er wieder zu der Botschaft, die er eingestandenermassen seit Beginn seiner zweimaligen Zwei-Jahres-Amtszeit gegenüber den Verteidigungs-Ministern gebetsmühlenartig wiederholt: “capabilities, capabilities, capabilities”. Und er hofft, dass diese Botschaft beim Prager Gipfel 2002 von den Präsidenten, Premier-Ministern und Finanz-Ministern (die diesbezüglich bekanntermassen taub sind und nicht in Prag anwesend sein werden), gehört wird.

Despektierlich (beware of comedy) schlagen wir für des Lord nächste Rede folgende Punkte vor:

  • Es ist völlig in Ordnung, dass die NATO-Europäer 165 Mrd. US$/Jahr für die 50.000 auf dem Balkan stationierten Soldaten ausgeben; das sind 3,3 Mio. US$ pro Soldat. Solche Leistungen sind weltweit einmalig und unübertroffen.
     
  • Wenn die NATO demnächst alle Staaten der Nordhälfte aufgenommen hat, wer soll uns noch angreifen?
     
  • Wozu sollen die Europäer denn Geld für richtige Rüstung ausgeben, wenn die Amis das sowieso alles regeln und das europäische Kult-Gekackere nur für die Medien-Quoten und gequirltes Baudrillieren herhalten soll?
     
  • Was sollen wir mit “Smart Procurement”, wenn es allen um den “Erhalt” nationaler Rüstungsindustrien geht und der Kunde ein leistungs-konkurrierendes Rüstungs-Europa (Rü-Welt) gar nicht wirklich will?
     
  • Wir wollen einen ordentlich blasierten “Europäischen Sicherheitsrat”, der seinen Untertanen vorgaukelt, es gäbe so etwas wie die Erfüllung des “European Headline Goals”.

Gegen ein angemessenes Consulting-Honorar haben wir noch ein paar zusätzliche Knaller, damit es für die letzte Rede reicht.

{J. B. sagt: “Das Gute kann das Böse nur dann besiegen, wenn es darauf verzichtet, das Gute zu sein”}

 

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